Bayerischer Gebirgsschweißhund
Beim Tux! Ich schwöre, dass diese Einleitung die Wahrheit ist, und nichts als die Wahrheit. Ende August bin ich mit zwei Freunden über die brandenburgische Seenplatte auf einem Hausboot geschippert. Eines Abends legten wir im schönen Städtchen Rheinsberg an. Am Steg, genau uns gegenüber, lag ein Boot, mit drei älteren Herren aus Nordrhein-Westfalen. Diese Herren waren CDU-Politiker auf Kreisebene, und hatten einen Hund, der sich neugierig auf die anderen Boote begab. Es war ein friedlicher Bayerischer Gebirgsschweißhund. Zu unserer Überraschung hörte der Hund auf den Namen "Söder".
Komm her, Söder.
Mach Platz Söder.
Bei Fuss, Söder.
Microsoft, Söder.
Doch nun zum eigentlichen Thema:
Offener Brief: Freistaat Bayern will Milliarde für Microsoft ausgeben
Die Heinlein-Gruppe schreibt (gekürzte Fassung):
Die bayerische Staatsregierung plant, fast eine Milliarde Euro in Microsoft 365 zu investieren – ohne Ausschreibung, ohne transparent geklärte Datenschutzfragen und ohne die heimische IT-Wirtschaft einzubeziehen. Dabei ist die Liste der Microsoft-Skandale lang. In einem offenen Brief fordert die Heinlein-Gruppe gemeinsam mit IT-Unternehmen, Organisationen und Experten aus Bayern ein Umdenken. Denn es geht um mehr als einen Softwarekauf: Es geht um digitale Souveränität, Datenschutz und die Zukunft des Technologiestandorts Bayern.
Während man in anderen Bundesländern und in Europa zunehmend auf digitale Souveränität setzt, plant die bayerische Staatsregierung einen Schritt, der in die völlig entgegengesetzte Richtung führt: Die „Zukunftskommission 5.0“ des Finanzministeriums will die komplette bayerische Verwaltung auf Microsoft 365 umstellen. Fast eine Milliarde Euro an Lizenzkosten würden im Laufe von fünf Jahren an den US-Konzern fließen. Eine Milliarde Euro, die eigentlich in bayerische, deutsche und europäische Softwarehersteller investiert werden sollte. Eine Milliarde Euro öffentlicher Gelder, die nicht im Sinne der Bürger in die Förderung von digitaler Souveränität, den Aufbau von Alternativen und Datenschutz fließt.
Das Besondere am bayerischen Vorhaben: Es gibt keine öffentliche Ausschreibung, keine transparente Prüfung von Alternativen und keine Einbindung der heimischen IT-Wirtschaft. Auch der mangelnde Datenschutz wird schlicht ignoriert. So erklärte Anton Carniaux, Microsoft Frankreich (Director Public & Legal Affairs) unter Eid jüngst, Microsoft könne nicht sicherstellen, dass keine Daten an US-Behörden abfließen. Der US CLOUD Act, der Patriot Act und der Foreign Intelligence Surveillance Act verpflichten US-Unternehmen dazu, auf Anforderung von US-Behörden Daten herauszugeben, und zwar unabhängig davon, wo sich diese Daten physisch befinden. Dieser Punkt bekommt in Bayern nicht die notwendige Priorität – ausgerechnet in der Verwaltung, in der mit sensibelsten Daten gearbeitet wird.
Datenschützer und Kommunen sind zu Recht besorgt, bayerische Softwarehersteller berichten von stiefmütterlicher Behandlung, eine nachvollziehbare Marktanalyse ist nicht erkennbar. Die geplante Lösung soll nach „Delos-Stil“ betrieben werden, also in deutschen Rechenzentren, betrieben von deutschen Firmen. Doch auch das geplante Setup ist nicht vor fremdem Datenzugriff sicher. Zudem klingt das Setup nach einer deutschen Lösung, bedeutet in Wahrheit aber digitale Abhängigkeit von einem US-amerikanischen Technologiekonzern, von US-Infrastruktur und US-Recht. Wer auf Microsoft setzt, begibt sich in eine Abhängigkeit, deren Tragweite niemand vollständig überblicken kann.
Die geplante Entscheidung der bayerischen Staatsregierung gefährdet die digitale Souveränität des Freistaats, stellt den Datenschutz hintenan und ignoriert die massiven Sicherheitsrisiken, die mit der Abhängigkeit von Microsoft einhergehen. Mit einer gezielten Förderung heimischer Softwarehersteller könnte Bayern zum Vorreiter für digitale Souveränität und nachhaltige IT werden.Ziel sollte es vielmehr sein, digitale Resilienz aufzubauen – durch Open Source, Datensouveränität und transparente Strukturen. Ganz nach dem Motto „Public Money – Public Code“ setzen beispielsweise schon die Bundesländer Thüringen und Schleswig-Holstein mit OpenTalk auf eine Open-Source-Lösung für DSGVO-konforme Videokonferenzen. Auch deutsche E-Mail-Anbieter und Cloud-Dienste wie mailbox werden in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen genutzt, um den Lehrkräften einen sicheren digitalen Arbeitsplatz zu bieten. Alternativen zu Microsoft sind also vorhanden.
Der offene Brief richtet sich an Minister Füracker, Minister Dr. Mehring, Ministerpräsident Dr. Söder (nicht der Hund) und kann ab dem 27. Oktober 2025 von Unternehmen und Organisationen über die Open Source Business Alliance mitgezeichnet werden.
Einordnung
Der Plan, fast eine Milliarde Euro gegen den Koalitionsvertrag zu setzen, ist hundsgemein (sic!). Ich zitiere aus dem aktuellen Vertrag der Regierungsparteien (ab Zeile 4395):
Angesichts des geopolitischen Epochenbruchs muss Europa umfassende strategische Souveränität entwickeln. Schlüsseltechnologien, Energiesicherheit, digitale Souveränität inklusive europäischer Platvormen, Schutz kritischer Infrastrukturen, Resilienz sowie eigene Fähigkeiten, um sich im globalen Systemwettbewerb zu behaupten, sind dafür zentral.
Ein Punkt, der mich am Offenen Brief stört, ist der nicht vorhandene Quellennachweis. Es ist von der "Zukunftskommission 5.0“ des Finanzministeriums die Rede, ohne darauf zu referenzieren.
Was will diese "Zukunftskommission"?
Die staatlich-kommunale Zukunftskommission „Digitales Bayern 5.0“ wurde im März 2024 gegründet, um die digitale Transformation der bayerischen Verwaltung entscheidend voranzubringen. Unter Federführung des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat arbeiten die Staatskanzlei, das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, das Staatsministerium für Digitales und die vier Bayerischen Kommunalen Spitzenverbände (KSV) gemeinsam mit Fachexperten aus der kommunalen Praxis an der Umsetzung.
In "Aktuelle Ergebnisse Zukunftskommission" finden sich keinerlei Hinweise, dass die bayerische Staatsregierung plant, fast eine Milliarde Euro in Microsoft 365 zu investieren. Im Dokument kommen weder der Suchbegriff "365" noch "Microsoft" vor. Da stellt sich die Frage, ob der offene Brief auf den Hund gekommen ist. Um diesen Zweifel zu klären, habe ich am 29. Oktober 2025 bei der Heinlein-Gruppe nachgefragt, die mich freundlicherweise an den Landesbeauftragten für Bayern der OSBA verwiesen hat. Hier ist seine Antwort:
Das Land Bayern hat 382.000 Beschäfigte. Davon ziehen wir die Lehrenden in den Schulen ab, da dort mit ByCS eine eigene Lösung besteht, bleiben etwa 270.000 Beschäftige. Es ist davon auszugehen das auch Lehrende Doppelfunktionen haben, also dann auch Zugriff auf Teams benötigen! Diese 270.000 kosten bei MS 365 mit Teams und Co-Pilot pro Monat ca. 55 EUR (Listenpreis minus geschätztem Governmentrabatt), ergeben ca. 182 Millionen.
Dazu kommen weitere Mitarbeitende von nachgeordneten, aber selbstständigen Einheiten, zB. die AKDB als Anbieter von Digitalisierungslöungen, diese Anstalten des öffentlichen Rechtes haben auch nochmal ca. 50.000 Mitarbeitende.
Desweiteren sollen auch alle Kommunen bzw. Gebietskörperschaften und deren direkte wirtschaftliche Einheiten am Programm partizipieren, dies ist nochmal ein Potential für 350.000 Mitarbeitende.
Wir gehen auf dieses Basis also von gerundeten 200 Millionen EUR pro Jahr aus, mal 5 Jahre sind es 1 Milliarde EUR!
Nicht einberechnet sind Zusatzkosten weitere Softwarelösungen, wie Power BI, weiterem Platzbedarf, Zugänge für Externe und Subunternehmer, usw. usw. Wenn alle Landesbediensteten eine andere Lösung haben, wird für Lehrende sicher auch die Frage gestellt werden, gefolgt von den Lernenden. Desweiteren könnte es noch zu einer Vereinheitlichung an den Hochschulen kommen, wiederum für die Lehrenden und die Studierenden.
Wir gehen also eher von höheren Kosten über 5 Jahre aus, dazu kommen natürlich auch Preissteigerungen die in so einer Abhängigkeit leicht umgesetzt werden können.
Somit hat die OSBA eine "Was-wäre-wenn"-Prognose erstellt. Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Damit habe ich mich nicht zufrieden gegeben und beim Landesbeauftragten nachgefragt:
Vielen Dank für Ihre ausführliche Erklärung, die ich so zusammenfasse: Sie haben eine "Was-wäre-wenn"-Prognose auf der Basis der genannten Annahmen erstellt. Gibt es Evidenz dafür, dass diese Entscheidung oder Planung von der bayerischen Staatsregierung überhaupt getroffen wurde? Gibt es Evidenz dafür, dass die prognostizierten Ausgaben überhaupt stattfinden werden?
Im offenen Brief heisst es: "Freistaat Bayern will ..." und "Die bayerische Staatsregierung plant ...". Wo ist der Nachweis dafür, dass Bayern das will oder plant? Sie können doch aus einer Modellrechnung nicht das Wollen und Planen ableiten. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass ihre Annahmen tatsächlich stattfinden werden?
Daraufhin antwortete die OSBA:
Natürlich gibt es dafür Evidenz. Die Planung besteht schon seit August 2024, auch öffentlich: Umstrittene Clouddienste: Bayern will Microsoft 365 in Behörden einführen | heise online. Die Ergebnisse der Zukunftskommission wurden jetzt halb-öffentlich vorgestellt und dabei ist ganz klar MS 365 E5 für alle Bediensteten ableitbar + Angebot an die Kommunen mitzuziehen.
Wir gingen von einer gleichwertigen Prüfung von openDesk oder anderen Lösungen aus, aber offensichtlich wurde dies nicht mal versucht, daher jetzt der Aufruf zu unserem Brief. Die Verträge sind aber noch nicht geschloßen, Prüfungen laufen, daher ist jetzt der Zeitpunkt für einen Aufschrei der Zivilgesellschaft in dieser Sache und der richtige Zeitpunkt, um klarzumachen, dass in Europa, Deutschland und Bayern eine sehr große Open-Source-Industrie besteht, die entsprechende Angebote machen kann. Und solche Lösungen in den Schulen und in Schleswig-Holstein auch bereits erfolgreich eingeführt sind!
Fazit
Dank der Erklärungen der OSBA bin ich nun zufrieden und habe den offenen Brief unterzeichnet. Ich hoffe, meinem Beispiel schliessen sich viele Unterzeichner an, damit der Brief seine Wirkung besser entfalten kann. Obwohl das Sprichwort andersherum lautet, ist zu wünschen, dass der bellende Hund dieses Mal auch beisst.
Quellen:
https://www.heinlein.group/offener-brief-freistaat-bayern-will-milliarde-fuer-microsoft-ausgeben/
https://www.stmfh.bayern.de/digitalisierung/zukunftskommission/

Microsoft wird immer genannt, weil deren Produkte ggf. leicht auf den Monitoren in den Behörden identifiziert werden können. Warum fragt niemand nach den Backend-Systemen? Dort ist Microsoft gegenüber Oracle „nur eine kleine Bude“.
Der Einwand wäre korrekt, wenn es mit und zu Oracle in Bayern (aktuell) ähnliche Kungeleien gibt und Ausschreibungsverfahren ignoriert oder erst gar nicht angesetzt werden/würden. Vielleicht gibts solche Beispiele, weiß ich nicht. Aber nur weil Oracle in dem Bereich größer ist als M$, sind die nicht automatisch genauso zu kritisieren. Im übrigen gehts hier mal nicht (primär) um M$ sondern um die Bayerische Regierung.
Auf der Serverseite ist aus meiner Beobachtung langsam VMware (Broadcom) zum größten Problem geworden. ERP-Software von Microsoft oder Oracle spielt eher keine Rolle. Java haben mittlerweile alle auf alternative Anbieter gewechselt und bei Datenbankbetriebssystemen hat sich der SQL Server zum Platzhirsch gemausert.
Ich gehe mal davon aus, dass entsprechende "Zahlungen" im Sinne - wie es im Rüstungsbereich heisst - "Klimapflege" an die "Verantwortlichen" geflossen sind. Da helfen offene Briefe kaum etwas. MS ist bekannt dafür, sich "Investitionen" etwas kosten zu lassen. Ich erinnere an die Verwaltung der Stadt München....