Zum Wochenende: Geld verdirbt die Moral

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten  🗪 4 Kommentare

Diskussionen über Geld können in kleinen Projekten besonders schnell zu Problemen führen.

zum wochenende: geld verdirbt die moral

Die Tatsache, dass eine Fokussierung auf Geld, zu unmoralischem Verhalten führt, wurde wissenschaftlich schon oft bewiesen. Als Beispiel soll eine Studie der Universitäten Harvard und Utah dienen, die im Magazin "Organizational Behavior and Human Decision Processes" unter dem Titel "Mere exposure to money triggers a business decision frame and unethical outcomes" erschienen ist.

Was im üblichen Wirtschaftsbetrieb einer post-kapitalistischen Gesellschaft (Europa) niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt, ist bei Freien Projekten eine Entscheidung, die über Wohl und Wehe entscheiden kann. Selbstverständlich wollen (und müssen) Firmen Geld verdienen, um Produkte oder Dienstleistungen zu erzeugen, um Steuern zu zahlen und um Mitarbeitenden ein Auskommen zu verschaffen.

Bei Freien Projekten ist diese Denkweise nicht der Normalfall. Das soll nicht heissen, dass man mit Freier Software kein Geld verdienen kann. Red Hat, Canonical und Nextcloud sind drei Beispiele dafür. Das Geld wird dort mit Dienstleistungen verdient. Die Studie geht zwar nicht auf den Spezialfall von Freien Projekten ein, zeigt aber auf, dass die Fokussierung auf Geld zu unethischem Verhalten führt.

Die Autoren der Studie untersuchten, wie Geld unser Denken beeinflusst. Sie zitieren Marx, der Geld als Feind der Menschheit und der sozialen Beziehungen bezeichnet. Die Ergebnisse bisheriger Studien zeigen, dass Menschen, die primär mit Geld zu tun haben, eher dazu tendieren, an Individual- als an Gruppenaktivitäten teilzunehmen.

Eine frühere Studie zeigte, dass die Fixierung von Marktpreisen unser Sozialverhalten beeinflusst. Geld ist das meistverwendete Mittel, um Marktpreise zu definieren. Wer die Welt unter dem Aspekt des Marktes wahrnimmt, neigt dazu, bei sozialen Interaktionen darauf zu achten, dass diese proportional sind. Sich also die Frage stellen, was man im Gegenzug für eine Tätigkeit erhält.

Wer an Geld denkt, denkt rasch in Kategorien des Marktes und sei weniger hilfsbereit und würde mehr Wert auf Distanz zu den Mitmenschen legen. Das Denken in Marktkategorien führt dazu, dass Mitmenschen als Objekte einer relationalen Beziehung gesehen werden. Als Objekte eines Austauschverhältnisses, bei dem die Frage im Vordergrund steht, wer wie viel für was erhalte. Offenbar sind Menschen weniger empfindsam für Mitgefühl, wenn sie sich ihre Mitmenschen in solch einem Objektverhältnis vorstellen. Die Wissenschaftler führten ihre eigenen Untersuchungen basierend auf den bisherigen Erkenntnissen durch. Sie fanden heraus, dass es ausreicht, an Geld zu denken, um weniger sozial zu handeln. Dass das ausserdem zunehme, je mehr man an Geld denke und dass Geld einen Entscheidungsrahmen begünstigen würde, der zu unethischeren Entscheidungen beitrage.

Zur Überprüfung ihrer Thesen wurden vier Studien durchgeführt. Bei allen vieren wurde festgestellt, dass Geld unser Verhalten stark beeinflusst. Zuerst wurde getestet, wie es sich verändert, wenn wir an Geld denken. Es zeigte sich, dass die Testpersonen eher angeben, an moralisch fragwürdigen Aktivitäten teilzunehmen, wenn sie an Geld denken. Im Rahmen einer zweiten Studie stellte sich heraus, dass das blosse Denken an Geld ausreicht, um die Welt verstärkt aus wirtschaftorientierter Sicht wahrzunehmen.

In einem dritten Test wurde schliesslich geklärt, ob Geld unsere Bereitschaft zu lügen erhöht, wenn es uns selbst nützt. In einem Spiel wurden einem Teilnehmer zwei Dollar versprochen und einem anderen fünf Dollar. Der erste Spieler konnte sich die fünf Dollar sichern, indem er die andere Person belog. Die Personen, die zuvor auf Geld fokussiert wurden, waren mit doppelter Wahrscheinlichkeit bereit, sie lügen.

In einem abschliessenden Test sollten Studenten entscheiden, ob sie einen Kandidaten einstellen würden, der in einer Bewerbungssituation versprach, vertrauliche Informationen an seinen neuen Arbeitgeber weiterzugeben. Abermals waren die Studenten, die auf Geld fixiert waren, sehr viel eher bereit, den Bewerber einzustellen. Insgesamt ergab die Studie, dass es ausreicht, an Geld zu denken, um deutlich unethischere Entscheidungen zu treffen.

Und was hat das jetzt mit Freien Projekten zu tun? Gerade in den ersten Jahren ihres Bestehens haben solche Projekte oft mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen, seien es unzureichende organisatorische Strukturen und Abläufe, fehlendes Personal und eine schwache finanzielle Grundlage. Häufig wird in diesen Projekten unentgeltliche Arbeit geleistet, weil es kaum Einnahmen gibt oder eine kommerzielle Ausrichtung sich nicht mit den Projektzielen verträgt. Wichtig ist, dass sich die Beteiligten hinsichtlich der Ziele einig sind, bzw. eine mögliche Anpassung der Ziele von allen getragen wird. Falls es dabei um die finanzielle Ausrichtung geht, ist besondere Vorsicht geboten. Wie die Studie zeigt, hat Geld das Potenzial, besonders schnell zu Zerwürfnissen zu führen.

Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0749597812001380

Tags

Studie, Geld, Ethik, Moral, Freie Projekte

Mr Money
Geschrieben von Mr Money am 9. Juni 2023 um 21:46

Ja da hast du recht. Es gibt auch eine Studie, wo ein Gegenüber ein Bild mit Geld hinter sich hat. Das Ergebnis, dass man Geld sieht, passt mit in die aufgeführten Ergebnisse.

Klaus
Geschrieben von Klaus am 10. Juni 2023 um 11:15

Danke für den Artikel. Kenne das von mir. Bei mehreren Optionen spüre ich den Drang, die zu wählen, bei der am meisten für mich herausspringt.

carrabelloy
Geschrieben von carrabelloy am 26. Juni 2023 um 05:31

Open-Source ist gut, doch darf es nicht in falsche Hände geraten

Meine Meinung dazu ist, dass Open-Source gut ist, doch Sie dürfen nicht in falsche Hände kommen.

Denn sonst wird Sie nicht anders enden wie die proprietäre Software. Und wo das geendet ist, sehen wir heute in allen Bereichen, ob es auf deinem Smartphone oder Laptop, Computer, Tablet endet. Doch nicht nur dort. Sondern in den großen global gesteuerten Netzwerken, die auf Profit gesteuert aus sind, um den Vorständen noch mehr Geld in den Rachen zu schmeißen. Das darf in dem Fall bei Open-Source nicht wieder passieren. Denn sonst wird sich das nicht ändern, sondern das Gegenteil wird, der Fall dazu sein.

Denn eins ist gewiss, auch die Software kann selbst zum Gegenteil erschaffen werden. Es kommt also in dem Fall darauf an, wer Sie in der Hand hat und damit arbeiten kann. Daher sehe ich das in dem Fall bei einigen Open-Source-Projekten Firmen, heute mit Argos Augen. Siehe in dem Fall Canonical & Rad Hat.

Früher sagte mein Opa immer, gib ihm den Finger, so nimmt er gleich die ganze Hand. Daher müssen alle

Open-Source Nerds immer ein Auge auf Wachsamkeit halten. Doch sonst stimme ich Ralf Hersel und seinen Gedanken überein.

forest_scout
Geschrieben von forest_scout am 10. Dezember 2023 um 10:09

Vielen Dank für den Artikel. Es ist sehr interessant, was die Wissenschaft zu diesem Thema gefunden hat und wahrscheinlich wissen auch nur wenige, dass sie dazu überhaupt etwas gefunden hat.

Bzgl. der Implikationen für Open Source: Ich denke auch, dass Open Source eine sehr gute Lösung ist, viele Vorteile bietet, ein Stück weit die Welt zu einem sozialeren, kollaborativeren Ort machen kann, aber sehe wie carrabelloy auch Probleme.

Beispielsweise veröffentlichen auch Firmen wie Google (Alphabet) Open Source Projekte (z.B. flutter-framework), und gegebenenfalls erkennt man nicht auf den ersten Blick den Eigennutz dahinter. Am flutter-framework beteiligen sich beispielsweise viele freiwillige Open Source Contributors und erweitern es durch packages. Letzten Endes arbeiten diese Leute, ob bewusst und freiwillig oder nicht, kostenlos für Google, für welches flutter zum einen als Werbung unter SoftwareentwicklerInnen, zum anderen aber auch als Möglichkeit dienen kann, ihre Datenkraken-Dienste weiter zu verbreiten (denn, wer hätte es gedacht: eine App mit flutter-framework (in der Programmiersprache dart - auch von Google) kann wunderbar einfach darauf ausgelegt werden, irgendwelche Google-Backends zu verwenden, und man wird als ProgrammiererIn dahingehend verführt, nicht den Aufwand zu betreiben ein eigenes, unabhängiges Backend zu programmieren. Eventuell hat das flutter-framework für Google noch weitere Vorteile, die ich derzeit nicht umreiße. Wenn euch welche einfallen, würde ich mir sehr über eure Antwort freuen.

Ein anderes Problem sehe ich darin, wenn Open Source Projekte nicht unter den strengsten der vorhandenen Lizenzen veröffentlicht werden, die erfordern, dass darauf aufbauende Programme erneut nur unter derselben strengen Lizenz veröffentlicht werden dürfen. Lässt man es zu, dass das Projekt auch zu proprietären Zwecken verwendet werden darf, ist es imho nur eine Frage der Zeit, bis jemand mit ausbeuterischer Absicht darauf aufmerksam wird und es für sich vereinnahmt. Man darf natürlich hierbei nicht vergessen - auch wenn man daran immer lieber nicht denken möchte - dass es immer auch Diebstahl geben kann, egal unter welcher Lizenz man es veröffentlicht. Es ist zumindest meines Wissens nach schlicht zu schwer nachweisbar, ob Codeanteile von irgendeiner proprietären Software genutzt wurden - denn deren Code kann man ja nicht sehen - solang es halbwegs geschickt angestellt wurde. Das soll jetzt nicht demotivierend wirken. Ich denke trotzdem überwiegen die Vorteile von Open Source (wenn man die richtige Lizenzierung wählt), weil man eben gleichzeitig allen, die nichts böses damit im Sinn haben, transparente, kostenlose Software zur Verfügung stellt.