Im vergangenen September wurde ein einjähriger Pilotversuch mit Mastodon bei der Schweizer Bundesverwaltung abgebrochen; wir berichteten darüber. Als Begründung wurde von der zuständigen Bundeskanzlei genannt:
- geringe Reichweite (im Vergleich zu X und Instagram)
- tiefe Engagementraten (bei allen Beteiligten)
Im oben genannten Artikel findet ihr mehr Informationen zu dieser Begründung.
Nun hat uns Dalai aus unserer Community über einen zweiten Versuch informiert, die Bundesverwaltung von der Nutzung toxischer Social-Media-Plattformen abzubringen und stattdessen Dienste aus dem Fediverse (insbesondere Mastodon) zu verwenden. Nach Rücksprache und Erlaubnis von Dalai geben wir den Brief, bzw. die E-Mail, hier vollständig wieder.
Die E-Mail ist an Urs Bruderer adressiert. Der ehemalige SRF-Korrespondent und Journalist beim Magazin Republik arbeitet seit September 2019 bei der Bundeskanzlei als Redaktionsleiter Tagesgeschäft und stellvertretender Leiter Sektion Kommunikation.
Sehr geehrter Herr Bruderer,
ich wende mich an Sie, um eine kritische Anpassung der Kommunikationsstrategie des Bundes auf sozialen Medien anzuregen. Wie Sie wissen, gewinnen dezentrale und unabhängige Plattformen zunehmend an Bedeutung, um digitale Souveränität, Datenschutz und Transparenz zu stärken. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie dringend:
1. Offizielle Meldungen des Bundes sollten nicht mehr über X (ehemals Twitter) verbreitet werden.
Die Nutzung einer zentralisierten, kommerziell gesteuerten Plattform wie X steht im Widerspruch zu öffentlichen Werten wie Unabhängigkeit, Datensicherheit und gemeinwohlorientierter Kommunikation. Die fortgesetzte Präsenz auf X fördert zudem indirekt deren Werbeeinnahmen und legitimiert ein Modell, das algorithmische Manipulation und
privatwirtschaftliche Kontrolle begünstigt.
2. Falls der Bund dennoch Inhalte auf X teilt, muss dies mit einem klaren Hinweis auf Mastodon verbunden sein.
Beispielsweise könnte ein Profilhinweis oder ein automatischer Zusatz in Beiträgen lauten: „Folgen Sie uns prioritär auf Mastodon: [Link] - einer dezentralen Plattform ohne kommerzielle Interessen, die Meinungsvielfalt und Datenschutz garantiert.“
Mastodon bietet als föderiertes Netzwerk entscheidende Vorteile:
- Dezentrale Struktur: Keine Abhängigkeit von Einzelpersonen oder Unternehmen.
- Transparenz: Keine undurchsichtigen Algorithmen, die Inhalte filtern oder priorisieren.
- Datenschutz: Datenhoheit liegt bei Nutzer:innen und Instanzen, nicht bei Konzernen.
Eine Umstellung würde die Schweiz als Vorreiterin einer ethischen Digitalpolitik positionieren und Bürger:innen aktiv über Alternativen zu privatisierten Plattformen informieren.
Ich bitte Sie daher: Prüfen Sie den sofortigen Stopp offizieller Bundesmeldungen auf X, und stellen Sie sicher, dass verbleibende Aktivitäten auf X (falls unvermeidbar) stets auf Mastodon verweisen.
Über eine Rückmeldung, wie die Bundeskanzlei diese Forderungen umsetzen kann, würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Bemühungen um eine zukunftsgerechte öffentliche Kommunikation.
Mit freundlichen Grüssen
Dalai W.
P.S. Nur, weil eure Mitarbeiter gewohnt sind auf X zu schreiben, und eure Testinstanz (social.admin.ch) zu wenig Beiträge veröffentlicht hat, heisst es nicht, dass es sich nicht lohnt. Über 2000 Follower bei einer Handvoll Beiträge von euch ist beachtlich.
Die E-Mail wurde in cc an über 20 Schweizer Medienhäuser verschickt. Wir sind gespannt, wie die Bundeskanzlei darauf reagiert und ob es ein Echo in der Presse geben wird. Wir halten euch darüber auf dem Laufenden.
Titelbild: KI-generiert "Ein Mastodon schwingt die Schweizer Flagge"
Quellen:
https://gnulinux.ch/die-fedigov-initiative-zeigt-erfolg
https://gnulinux.ch/das-mastodon-verlaesst-den-schweizer-bund
https://www.persoenlich.com/medien/bundeshausautor-urs-bruderer-geht