Olden but golden: Aktuelle Linux-Distributionen für 32-Bit

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Auch alte Hardware kann noch produktiv genutzt werden. Ein Überblick über 32-Bit-Distributionen in 2021.

olden but golden: aktuelle linux-distributionen für 32-bit

Als es im letzten Jahr unerwartet ins Homeoffice oder ins Homeschooling ging, brauchten in meinem Umfeld viele plötzlich einen (weiteren) Laptop. Zum Teil waren noch ältere Geräte vorhanden, die wiederbelebt werden konnten. Diese stammten teilweise noch aus der Windows-XP-Ära und unterstützten kein 64-Bit. Aus diesem Anlass habe ich etwas ausführlicher recherchiert, welche Distributionen noch für ältere Geräte einsetzbar sind, habe einiges ausprobiert und einige alte Geräte konnten so zu neuem Leben erweckt werden.

Linke Spalte v. oben n. unten: Bunsenlabs, Raspberry Pi OS Desktop, Sparky; Mitte v.o.n.u.: LMDE, Q4OS, MX; Rechts v.o.n.u.: Bodhi, Slitaz (Bildquelle: eigene Screenshots)

Die meisten grossen Linux-Distributionen haben im Laufe der letzten Jahre die Unterstützung für 32-Bit eingestellt. Vor allem seit Ubuntu mit Version 19 keine 32-Bit Hardware mehr unterstützt, sind nicht nur auch die leichtgewichtigeren Ubuntu-Flavours wie Lubuntu und Xubuntu nur noch als 64-Bit-Variante verfügbar. Der Support für die 18.04 LTS-Versionen der Flavours endete bereits im April 2021. Auch andere auf Ubuntu basierende Distributionen bieten infolgedessen keine aktuelle 32-Bit-Version mehr an. So etwa auch die aktuellste Puppy-Version (FossaPub), obwohl Puppy explizit auf ältere Hardware abzielt und extrem ressourcenschonend läuft. Einige „Puppies“, die auf älteren Ubuntu-Versionen aufsetzen, bieten aber noch 32-Bit-Varienten an und eignen sich besonders als Live-System. Ubuntu-Abkömmlinge wie Linux Lite und das aktuelle Linux Mint 20 laufen dagegen nur noch auf 64-Bit-Geräten.

Doch nicht verzagen! Ein bisschen Auswahl besteht noch und es gibt immer noch einige 32-Bit-Distributionen, die aktuell gepflegt werden und auch für einen Produktivbetrieb einsetzbar sind.

Dies sind zum Grossteil Distributionen wie Debian selbst und solche, die auf Debian basieren. Allen voran die Linux Mint-Variante LMDE4 (Linux Mint Debian Edition). Die offizielle Version gibt es mit Cinnamon-Desktop, aber die Mint-Community bietet auch fertige ISOs mit leichtgewichtigeren Desktops wie LXDE an. Für Zorin OS 16 ist die Lite-Version bislang nur im Zorin-Forum angekündigt. MX-Linux ist mit XFCE und mit Fluxbox-Desktop (nicht jedoch mit KDE) als 32-Bit-Version verfügbar. LMDE, Zorin Lite und MX sind mittelschwere Distributionen, die auf Geräten mit 3-4 GB Arbeitsspeicher noch sehr komfortabel nutzbar sind. Die Mindestanforderung ist 1 GB RAM, bei 2 GB oder weniger sind aber möglicherweise noch schlankere Distributionen von Vorteil:

  • Sparky-Linux basiert auf Debian „Buster“ und bietet 32-Bit-Abbilder mit LXQt, Xfce sowie MinimalGUI und MinimalCLI. Die minimalen Systemanforderungen variieren dementsprechend zwischen 128 MB (CLI) und 512 MB (Xfce).

  • Bunsenlabs ist aus CrunchBang-Linux hervorgegangen und bietet einen flotten Window-Manager (modifiziertes Openbox) und eine besondere und minimalistische Ästhetik.

  • Slitaz verwendet ebenfalls Openbox als Window-Manager und eignet sich eher als Bunsenlabs auch für unerfahrenere Anwender:innen.

  • Elive mit Enlightment-Desktop beschreibt sich selbst als „Fast, Beautiful and Powerful OS“. Die Schnelligkeit ist relativ unbestritten und die Schönheit können sicher nicht alle, aber bestimmt einige darin erkennen.

  • Eine gute und ebenfalls anwenderfreundliche Alternative insbesondere für Netbooks ist auch Raspberry Pi OS Desktop (ehemals Raspbian).

Distributionen, die besonders ressourcenschonend sind und auch mit äusserst geringer RAM-Kapazität schnell laufen, sind Bodhi Linux und Antix. Bodhi Linux ist enorm schnell, aber hat mit dem Desktop-Unikat „Moksha“ eine eher gewöhnungsbedürftige Optik und ist umständlich in der Benutzerführung. Die aktuellste 32-Bit Version ist angekündigt als "cooming soon". Antix bietet eine Fülle von schlanker Software und eignet sich sehr gut als Livesystem, unter anderem die Menüführung ist jedoch etwas verwirrend und überladen. Sowohl Bodhi als auch Antix verbrauchen im Leerlauf aber nur ca. 100 MB RAM.

Wer es etwas konventioneller mag, sollte sich einmal Q4OS ansehen: Q4OS ist nicht nur für Windows-Nostalgiker geeignet, sondern eine wirklich solide und benutzerfreundliche Distribution, die mit Trinity-Desktop auch bei geringen RAM-Ressorcen sehr schnell läuft. Auch hier ist der initiale RAM-Bedarf nur ca. 100-150 MB.

Wenn die Möglichkeit besteht, kann vielleicht auch die Hardware noch mit RAM nachgerüstet werden. Dies ist jedoch nicht immer realisierbar: Entweder, weil passende RAM-Riegel gar nicht mehr oder nicht zu angemessenen Preisen erhältlich sind oder weil das Gerät nur bis maximal 2 GB aufrüstbar ist, was bspw. auf viele Netbooks oder ältere Thinkpads wie das T42 zutrifft.

Ein weiterer Faktor bei geringen RAM-Ressourcen ist der Einsatz von ressourcenschonenden Software-Alternativen: Wenn bspw. der Funktionsumfang der LibreOffice-Suite überdimensioniert ist, kommen Abiword als Writer- und Gnumeric als Calc-Alternative infrage. Auch Firefox schraubt leider den Arbeitspeicher-Gebrauch erheblich in die Höhe. Als Browser-Alternative ist hier u.a. Palemoon einen Versuch wert. Palemoon ist ein Fork einer älteren Firefox-ESR-Version, der zwar ein weniger modernes Design bietet, aber merklich schneller läuft. Auch wichtige Addons wie Ublock Origin sind damit nutzbar.

Etwas schwieriger gestaltet sich die Distributions-Suche für Geräte, deren Prozessor die Erweiterung PAE (Physical Adress Extension) nicht unterstützt. Zum Teil kann das durch Ergänzung des Bootparameters „forcepae“ erzwungen werden, was jedoch oft nicht zum Erfolg führt. Von den genannten Distributionen laufen LMDE, Bunsenlabs, Sparky, Antix und Bodhi auch ohne PAE bzw. bieten spezielle Abbilder für diesen Zweck an.

Weitere aktuelle Linux-Distributionen, die noch 32-Bit-Varianten anbieten, sind unter anderem: Emmabuntüs, Escuelas, Devuan, Fluxuan und Miyo (alle mit Debian-Basis). Hinzu kommen einige Distributionen, die nicht direkt oder indirekt auf Debian aufbauen wie Mageia, Artix oder VOID.

Fazit

Es gibt also auch im Jahre 2021 noch vielfältige Möglichkeiten, alte PCs oder Laptops mit 32-Bit-CPUs weiterzubetreiben oder zu reaktivieren. In noch folgenden Artikeln werde ich einige der genannten Distributionen noch etwas genauer vorstellen.