Einsteiger:innen können mit dem Titel vermutlich überhaupt nichts anfangen. Autostart und Ignition sind für viele böhmische Dörfer. Bevor ich in die Tiefen von Autostart und Ignition hinabsteige, geht es zuerst einmal um die "böhmischen Dörfer".
Die Redewendung wird dann verwendet, wenn etwas absolut unbekannt oder unverständlich ist. Böhmen ist eine Region in Tschechien, die im 16. Jahrhundert sogar ein eigenständiges Königreich bildete. Das Gebiet grenzt im Westen an Deutschland und im Süden an Österreich. Trotz der räumlichen Nähe sind die deutsche und die tschechische Sprache sehr unterschiedlich, und die Deutschen hatten seit jeher Probleme mit den böhmischen Ortsnamen. Für sie klangen die Namen sehr fremdartig, sie auszusprechen war fast unmöglich. So entstand die Redensart "Für mich sind das böhmische Dörfer", wenn jemand ausdrücken wollte, dass er von einer Sache nichts versteht.
Doch nun zum Thema "Autostart". Damit ist das automatische Starten von Anwendungen oder Skripten nach dem Hochfahren des Computers gemeint. In manchen Fällen macht der automatische Start von Anwendung viel Sinn, zum Beispiel bei Diensten, die von Anfang an zur Verfügung stehen sollen. Hier sind ein paar meiner Beispiele:
- Die Nextcloud-Synchronisation
- Bingster, um das Hintergrundbild bei jedem Start zu wechseln
- Den Passwort-Manager
Es bleibt euch überlassen, welche Anwendungen ihr beim Systemstart automatisch starten lassen möchtet.
Autostart
Ich bin mir nicht sicher, wie allgemeingültig das Folgende für Linux-Distributionen ist. Das automatische Starten von Anwendungen oder Skripten wird über eine Desktop-Datei im Verzeichnis ~/.config/autostart realisiert. Beim Booten schaut das Betriebssystem in dieses Verzeichnis und startet die in den Desktop-Dateien angegebenen Anwendungen. Eine Reihenfolge kann man dabei nicht angeben (so weit mir bekannt ist, obwohl das manchmal wünschenswert wäre).
Eine Desktop-Datei sieht z. B. so aus:
[Desktop Entry]
Name=Nextcloud
GenericName=File Synchronizer
Exec="/usr/bin/nextcloud" --background
Terminal=false
Icon=Nextcloud
Categories=Network
Type=Application
StartupNotify=false
X-GNOME-Autostart-enabled=true
X-GNOME-Autostart-Delay=10
Das Beispiel zeigt den Inhalt der Datei Nextcloud.desktop. Eine vollständige Spezifikation von Desktop-Dateien findet ihr hier. Die Desktop-Dateien der Anwendungen, die ihr auf eurem Rechner installiert habt, findet ihr im Verzeichnis /usr/share/applications/. Von dort könnt ihr die gewünschte Datei nach ~/.config/autostart kopieren und fertig ist die Autostart-Wurst.
Per GUI
Viele Distributionen - oder besser gesagt, Desktops - bieten grafische Anwendungen, um die Autostarts zu verwalten. Bei GNOME gibt es das Tweak-Tool (Optimierungen), welches manchmal vorinstalliert ist oder auch nicht. Das sieht so aus:
Unter "Startprogramme" kann man über das Plus-Symbol installierte Anwendungen hinzufügen oder sie mit dem Eimer-Symbol wieder löschen. Mehr geht da nicht. Insbesondere beschränkt sich das Hinzufügen auf installierte Anwendungen und erlaubt keine Shell-Skripte.
Ignition
Die Anwendung Ignition kann mehr. Man kann sie als Flatpak oder nativ installieren. Sie präsentiert sich so:
Im Vergleich zum Tweak-Tool seht ihr sofort, dass die Funktionen von Ignition umfangreicher sind. Es werden nicht nur die Desktop-Dateien aus ~/.config/autostart angezeigt, sondern auch die systemübergreifenden Anwendungen. Beim Hinzufügen von neuen Autostarts kann man zwischen Befehlen, Shell-Skripten und Anwendungen auswählen:
Ausserdem kann man die Einstellungen der Desktop-Datei bearbeiten:
Fazit
Damit empfiehlt sich Ignition als Standardanwendung für die Verwaltung der Autostart-Einträge, falls eure Distribution nichts Ebenbürtiges bietet. Doch eine Frage bleibt offen: warum hat der Autor eine Yamaha XT-500 als Titelbild verwendet?
Titelbild: https://en.wikipedia.org/wiki/Yamaha_XT_500#/media/File:Xt500.JPG
Quellen:
https://flathub.org/apps/io.github.flattool.Ignition
https://www.geo.de/geolino/redewendungen/5199-rtkl-fuer-mich-sind-das-boehmische-doerfer
https://specifications.freedesktop.org/desktop-entry-spec/latest/
Die Antwort lautet: Weil er es kann!
Danke für den Hinweis zu Ignition.
Ja, praktisches Tool, wenn man mal keine Lust hat, so eine Datei selbst zu schreiben oder der eigene Desktop die Möglichkeit eigene Programme, ggf. mit eigenen Parametern, zu definieren.
Dass im Verzeichnis ~/.config/autostart Desktop-Dateien liegen, die automatisch gestartet werden sollen, ist im Freedesktop-Standard festgelegt, ist also bei KDE, Cinnamon, Xfce, MATE und [Lieblings-Desktopumgebung hier eintragen] genauso. Genau genommen werden diese nicht unmittelbar an den Bootvorgang sondern erst nach der Anmeldung, also nachdem man üblicherweise sein Passwort eingetippt hat, gestartet. 😉
Die XT 500 passt immer! Die Enduro mit überragender Schönheit. Die Suzuki DR500S und - mehr noch - die 550 waren auch gut. Ebenso die Yamaha SR500. Aber die XT500 ist klassisch!
Ich vermute, weil die Yamaha XT-500 einen E-Starter analog zum Autostart hat:-)
Ignition kannte ich auch noch nicht ..., Danke. Erwähnenswert finde ich noch systemd im Modus für den Benutzer. Vielleicht nicht unbedingt etwas für Linux-Einsteiger, aber die Methode wird gelegentlich auch durch Anwendungen selbst konfiguriert. So dass es nützlich sein kann sich mit "systemctl --user ..." sich einen Überblick verschaffen kann. Ich verweise hier für den Überblick mal auf das Archlinux-Wiki:
https://wiki.archlinux.org/title/Systemd/User
Anwendung findet es bei mir für den Start des ssh-agent.
Ich habe die XT-500 als Titelbild gewählt, weil mir der Schienbein-brechende Kickstart-Hebel als Erstes in den Sinn kam, als ich über die Verbesserung von Autostart nachgedacht habe.
Moin, ganz klar weil man die XT antreten musste und die dabei durchaus störrisch war. Der eine oder andere bekam vom Kickstarter ganz ordentlich eine zurück geschlagen.
Aber das wusstest du wahrscheinlich schon. 👍😂
Danke für den Artikel. Die Reihenfolge lässt sich (mehr oder weniger) durch verschiedene Delay-Zeiten steuern.
VG Andreas
Ich war total traurig, als ProLinux sein Ende ankündigte. GNULinux.ch ist natürlich anders, und doch ein würdiger Nachfolger. Schön, dass es Euch gibt und danke für die tolle Arbeit