Das lange Warten auf den Marienkäfer

  Ralf Hersel   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 5 Kommentare Auf Mastodon ansehen

In einem ersten monatlichen Newsletter informiert das Projektteam des Ladybird-Browsers über finanzielle und technische Fortschritte.

das lange warten auf den marienkäfer

Gestern ging es durch die Presse: Raymond Hill, der Entwickler des beliebten und wirksamen Werbeblockers uBlock Origin, weist darauf hin, dass mit der Einführung von Manifest V3 in Chromium-basierten Webbrowsern, der Ad-Blocker nur noch in der abgespeckten Version uBlock Origin Lite funktionieren wird.

Durch Googles Änderung der API in Chrome, ist es Werbeblockern nicht mehr möglich, Netzwerkanfragen selbst zu blockieren. Stattdessen können solche Erweiterungen dem Browser nur noch Bedingungen und Aktionen vorgeben, nach denen der Browser selbst Netzwerkanfragen blockieren kann. Diese Bedingungen sind mengenmässig beschränkt. Anwender:innen können keine eigenen Filterregeln hinzufügen und das Blockieren von Werbe-Medien (Bilder, Videos) ab einer bestimmten Grösse ist nicht mehr möglich. Ausserdem wird es mit Manifest V3 für Webseiten wesentlich einfacher, das Vorhandensein von Werbeblockern zu erkennen und darauf zu reagieren. Weitere Einschränkungen findet ihr in diesem Artikel von Heise.

"uBlock Origin works best on Firefox"
Raymond Hill

Wir haben einige Male über alternative Webbrowser geschrieben. Für viele von euch ist Firefox immer noch die beste Alternative, trotz der Einführung der Privacy-Preserving Attribution in Version 128. Das abschaltbare Kohorten-Tracking wurde bei GNU/Linux.ch kritisiert; andere sehen es als einen gangbaren Mittelweg zwischen der Befriedigung der Werbeindustrie und dem (relativen) Schutz der Privatsphäre. Wie dem auch sei, Mozilla unterstützt im Firefox-Browser sowohl Manifest V3, als auch das bisherige Manifest V2. Somit kann die Erweiterung uBlock Origin in Firefox nach wie vor ihre ganze Kraft entfalten.

"Firefox hat keine Pläne zur Abschaffung von MV2 und wird MV2-Erweiterungen in absehbarer Zukunft weiterhin unterstützen."
Mozilla

Dennoch ist die geringe Auswahl auf dem Browsermarkt - betrachtet man die wenigen Engines - eine unbefriedigende Situation. Daher werden die seltenen Neuentwicklungen in diesem Segment mit Spannung erwartet. Eine davon ist der Webbrowser Ladybird, der vor zwei Jahren aus dem SerenityOS Projekt hervorgegangen ist.

In der ersten Ausgabe ihres Newsletters berichtet das Ladybird-Team unter anderem über die Gründung der Ladybird Browser Initiative am 1. Juli, einer gemeinnützigen Gesellschaft in Kalifornien. Deren Aufgabe sei es, die Entwicklung von Ladybird als wirklich unabhängigem Webbrowser voranzutreiben und ihn für immer kostenlos zur Verfügung zu stellen, ohne irgendeine Art von Monetarisierung der Nutzer. Ladybird finanziert sich ausschliesslich durch Sponsorengelder und Spenden von Unternehmen und Einzelpersonen, denen das offene Web am Herzen liegt.

Ausserdem wird über die Teilnahme des Projektes an Web Platform Tests geschrieben. Dies ist ein gemeinsames Projekt, zu dem alle Browser beitragen. Sein Ziel ist es, Tests für die Webplattform zu sammeln, die die Browser ausführen können, um die korrekte Funktionalität zu überprüfen.

Zudem wird über den technischen Fortschritt des Browsers berichtet. Insbesondere werden Bibliotheken genannt, die im Projekt zum Einsatz kommen, sowie die Entwicklung für die CSS-Unterstützung. Des Weiteren kommen neue Web-APIs und Code-Optimierungen zur Sprache.

Die Fortschritte stimmen zuversichtlich. Allerdings ist die Neuentwicklung eines Webbrowsers keine Kleinigkeit. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung schreibt das Projekt:

Wir planen für den Sommer 2026 eine erste Alpha-Version für Linux und macOS. Diese wird sich an Entwickler und Early Adopters richten.

Update

Die Situation wird noch dringlicher, nachdem heute ein US-Gericht entschieden hat, dass Google ein Monopol bei der Internet-Suche habe und es mit unlauteren Mitteln gegen Konkurrenten verteidigt. Im Mittelpunkt des Verfahrens standen milliardenschwere Deals, dank denen die Suchmaschine von Google in Web-Browsern als Standard voreingestellt wird. Mozilla bezieht den überwiegenden Teil seiner Einnahmen (ca. 70 %) durch die Zahlungen von Google, damit deren Suchmaschine in Firefox als Standardeinstellung gilt. Wir sprachen in dieser Podcast-Folge darüber. Durch das Urteil könnten diese Zahlungen wegfallen. Das wäre vermutlich das Ende von Mozilla und damit auch von Firefox und dessen Web-Engine.

Quellen:

Tags

Browser, Webbrowser, Ladybird, Manifest, uBlock

nick
Geschrieben von nick am 6. August 2024 um 11:44

Danke für den Artikel. Habe gerade gestern zum ersten Mal von Ladybird gehört: https://oli.fyi/2024/my-thoughts-on-new-browser-engines/

Platinum Sponsor Shopify kommt mir zwar etwas seltsam rein, muss aber nichts heissen.

(Dann noch eine kleine Nörgelei am Rande, das Titelbild bringt mir persönlich keinen Mehrwert und nimmt im Artikel viel Platz ein. Ist ein Ich-Problem und mit etwas Scrollen erst noch einfach zu lösen. Aber eventuell könnte das Bild auch etwas kleiner sein und nur bei Mausklick gross angezeigt werden?)

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 6. August 2024 um 12:50

Danke Nick. Die "kleine Nörgelei" hören wir nicht zum ersten Mal. Wir werden das besprechen.

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 6. August 2024 um 13:01

Das mit uBlock Origin hat mich gestern sehr betroffen gemacht. Bisher habe ich uBlock in Kombination mit Ungoogled Chromium verwendet, ein Browser, der Google-Schnüffelei so gut es geht deaktiviert. Nun muss ich wohl auf LibreWolf umsteigen, obwohl Firefox in vielen Bereichen hinterherhinkt (z.B. damals bei insertable streams, welches für die Jitsi Verschlüsselung wichtig war). :( So oder so drücke ich Ladybird die Daumen! Die Welt braucht eine unabhängige Browserengine, die sich nicht dem Totalitarismus von Google beugt. Erste Angriffe auf Ladybird von gewissen, narzisstischen Elementen gab es ja schon.

tux0r
Geschrieben von tux0r am 6. August 2024 um 13:45

Ich würde mir ja wünschen, diejenigen Entwickler, die Bock auf eine eigene Browserengine haben, würden enger zusammenarbeiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Aufmerksamkeit, die dem Ladybirdprojekt gerade zuteil wird, den Entwicklern von NetSurf (die das schon länger machen ;-)) gar nicht schlecht gefallen würde.

Sicher: Diversität ist wichtig. (Auch wenn Ladybird wahrscheinlich niemals auf 9front laufen wird.) Aber es ist immer etwas schade zu sehen, dass charmante Projekte wie eben NetSurf gern mal hinter irgendwelchen Hypes verschwinden. Viel Berichterstattung, so auch hier, liest sich ja, als wäre Ladybird der einzige wirklich unabhängige Browser seit dem Tod von Opera/Presto... :)

Skr
Geschrieben von Skr am 6. August 2024 um 22:54

Was mich mal interessieren würde, was macht Mozilla mit den über 400Mio $ .. ich meine soviel werden die Entwickler (inkl Thunderbird) doch wohl nicht kosten..