Der freie Behördenarbeitsplatz gerät in die Kritik

  Ralf Hersel   Lesezeit: 3 Minuten  🗪 1 Kommentar

In Schleswig-Holstein versucht sich eine Anstalt des öffentlichen Rechts seit bald zehn Jahren an Open Source – mit gemischtem Erfolg.

der freie behördenarbeitsplatz gerät in die kritik

Eine Office- und Collaboration-Suite für Freie Software im öffentlichen Sektor ist eines der Projekte, mit denen die deutscche Bundesregierung die Ziele des Koalitionsvertrags erfüllen will. Doch ein genauerer Blick auf das Projekt wirft Fragen auf: Wo ist der Quellcode? Wer ist verantwortlich? Was passiert mit den öffentlichen Geldern?

Über das Projekt dPhoenixSuite von Dataport, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, haben wir oft berichtet und sogar ein Interview mit Matthias Junge und Sascha Kern von Dataport geführt. Doch nach einer Recherche des Linux Magazins wird der Anstalt Openwashing und ein mangelndes Verständnis der Open Source Philosophie vorgeworfen.

Bereits im Jahr 2020 startete der norddeutsche IT-Dienstleister Dataport die ersten Piloten seiner dPhoenixSuite als Alternative zur proprietären Office- und Collaboration-Suite von Microsoft. Die dPhoenixSuite integriert Freie Software-Komponenten wie Nextcloud, Matrix, Jitsi, Collabora und UCS. Die dPhoenixSuite wird bereits in kleinem Umfang als Cloud-Service für deutsche Verwaltungen angeboten und bezieht damit Position, wo der Deutsche IT-Planungsrat eine souveräne Arbeitsumgebung für Verwaltungen fordert, in der Freie Software-Lösungen Priorität haben. Doch Dataport scheint diese Erwartung nicht zu erfüllen.

In der aktuellen Ausgabe 07/23 des Linux Magazins findet sich eine ausführliche und kritische Analyse von Markus Feilner, die sowohl die Geschichte als auch die Probleme des "Projekt Phoenix" von Dataport und sein Verhältnis zum "Souveränen Arbeitsplatz" beleuchtet, einer seit langem versprochenen Referenzimplementierung unter der Verantwortung des Bundesministeriums des Innern und für Kommunales (BMI), koordiniert durch das kürzlich gegründete Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (ZenDiS). Einige der Hauptprobleme, die Feilner aufzeigt, sind der fehlende dPhoenixSuite-Quellcode, ein mangelndes Verständnis von Freier Software und der Zusammenarbeit innerhalb der Freien Software-Gemeinschaft, eine Tendenz zum "Open-Washing" durch die Behauptung, "auf Open-Source-Basis" zu arbeiten, unklare Verantwortlichkeiten und eine undurchsichtige Beziehung zum Projekt "Souveräner Arbeitsplatz" des BMI.

Die Free Software Foundation Europe (FSFE) setzt sich seit 2017 für das Konzept "Public Money? Public Code!" seit 2017, und begrüsst jeden Schritt in Richtung Freier Software in öffentlichen Verwaltungen. Die jüngsten Entwicklungen rund um Dataport und den "Sovereign Workplace" geben jedoch Anlass zur Vorsicht, vor allem bei Versuchen des Openwashings.

Daher hat die FSFE gestern einen Fragenkatalog an das Innenministerium geschickt und erwartet, dass die Antworten die Situation rund um die dPhoenixSuite und den Souveränen Arbeitsplatz transparent machen. Die Fragen an das BMI können hier nachgelesen werden. Sobald (und falls) die Antworten veröffentlicht sind, werden wir darüber berichten.

Quellen:

https://www.linux-magazin.de/ausgaben/2023/07/dataport-phoenix/

https://fsfe.org/news/2023/news-20230606-01.en.html

Tags

Dataport, dPhoenixSuite, FSFE, Souveränität, Arbeitsplatz

Hans Müller
Geschrieben von Hans Müller am 11. Juni 2023 um 01:44

Antworten, als ich mal im Juni 2022 unter einem Video von Dataport zu der Thematik gefragt habe (Fragen habe ich nicht mehr, da die Seite mit dem Video nicht mehr verfügbar ist. Die Antworten habe ich in Benachrichtigungs-Mails gefunden). Ich meine, ich habe auch irgendwie gefragt, ob es wirklich quelloffen oder nur Quellcode-verfügbar sein soll und ob man für Code-Beiträge aus der Bevölkerung/Community offen ist. Paar Fragen kann man sich auch anhand der Antworten denken.:

»Hallo Hans, die dPhoenixSuite wird derzeit für und mit ausgewählten Kunden entwickelt und erprobt. Das ist auch der Grund, warum der Source Code noch nicht „fertig“ und noch nicht bereitgestellt ist. Jedoch sind alle Produkte, die wir einsetzen (z. B. Open Exchange, Element, Nextcloud), Open Source. Der Code ist öffentlich verfügbar. Alles, was wir an Weiterentwicklung in den einzelnen Produkten beisteuern, fließt zurück in die Herstellerprodukte und wird dort auch schon jetzt an die Community zurückgegeben. Einzig der Automatisierungs- und Integrationsanteil von Phoenix steht derzeit noch nicht öffentlich zur Verfügung, weil er noch nicht fertig ist. Sobald dies der Fall ist, wird der Code zur Verfügung gestellt. Auf der Website der Phoenix Werkstatt findet sich eine Liste der Repositories der verwendeten Softwarekomponenten von Phoenix: https://www.phoenix-werkstatt.de/dphoenixsuite-source-code/ «

»Hans Müller danke für deine Rückfragen. Wir werden den von Dataport entwickelten Code als Open Source zur Verfügung stellen, das ist uns wichtig. Es handelt sich hierbei vor allem um die Codes für Betrieb und Infrastruktur, viel Kubernetes. Unser Ziel und unsere Aufgabe ist es, den Code für andere Organisationen leicht adaptierbar zu machen. Wir haben hier vor allem Verwaltungen im Fokus. Als Organisation befindet sich Dataport gerade in einer Transitionsphase, in der wir viel dazulernen. Und ja, wir wollen eine Community von Entwickler*innen mit dem Ziel aufbauen, viele Contributions zu erhalten.«