Die Muster-Pizza gibt es nicht

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten

Für Geschäftsprozessdiagramme gibt es keine Musterlösung.

die muster-pizza gibt es nicht

Ihr erinnert euch vielleicht an unseren Mai-Wettbewerb. Da ging es darum, den Geschäftsprozess für eine Pizzabestellung in der Business Process Model Notation (BPMN 2.0) abzubilden. Wider Erwarten haben einige von euch daran teilgenommen und schöne Ergebnisse abgeliefert. Drei davon haben wir im Ergbnis-Artikel abgebildet. Nun hat mich ein Teilnehmer gefragt, ob es denn eine Musterlösung für diesen Prozess gibt.

Lieber Robert, die Antwort auf Deine Frage lautet 'Nein', bzw. 'Es kommt darauf an.' Um diese Antwort zu verstehen, kann man sich fragen, welchem Zweck ein BPMN-Diagramm dienen soll. Darauf gibt es zwei Antworten:

  1. Zur Dokumentation eines Geschäftsprozesses
  2. Zur Automatisierung eines Geschäftsprozesses

Warum möchte man einen Geschäftsprozess dokumentieren? Damit man weiss, was man macht. Um gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen. Um Verbesserungspotenzial zu erkennen. Weil das Wissen nicht von einzelnen Mitarbeitenden abhängig sein soll. Damit man es Vertretungen oder neuen Mitarbeitenden einfacher macht. Um die Prozessreife einer Organisation zu erhöhen.

Wie ihr seht, gibt es gute Gründe, Prozesse zu dokumentieren. Dazu habe ich ein Beispiel aus der Praxis. Die Finanzabteilung bei meinem Arbeitgeber kam mit folgendem Anliegen auf mich zu:

Beim jährlichen Audit unserer Finanzabläufe, hat die externe Wirtschaftsprüfungsfirma eine Dokumentation der Geschäftsabläufe innerhalb der Finanzabteilung verlangt. Dabei sollten insbesondere die wichtigen Prüfpunkte hervorgehoben werden. Die Wirtschaftsprüfer haben sich nicht mit einer rein textuellen Beschreibung zufriedengegeben, sondern bestanden auf einer Dokumentation in Form von BPMN-Diagrammen.

Doch selbst beim ersten Punkt (Dokumentation) gibt es nicht die eine Musterlösung. Die BPMN 2.0 kennt ca. 100 verschiedene Symbole. Diese kann man spärlich oder ausufernd einsetzen. Diesbezüglich stellen sich folgende Fragen:

  • Wie viel ist notwendig und hinreichend?
  • Wie ist der Ausbildungsstand derjenigen, die die Dokumentation aktuell halten sollen?
  • Wer soll die Dokumentation lesen und verstehen können?

Wenn ihr den Bogen überspannt, habt ihr eine tolle Dokumentation, die a) niemand versteht, b) niemand auf den aktuellen Stand bringt und c) überspezifisch ist. Daher rate ich zu einer Dokumentation, die verstanden und gepflegt werden kann. Weniger ist hier mehr. Doch selbst dann gibt es nicht die Musterlösung. Dazu verweise ich auf das BPMN-Trainingsmaterial der Firma Camunda. Wenn ihr auf dieser Seite nach dem Begriff 'Pizza' sucht, werdet ihr drei verschiedene Lösungen finden, deren Vor- und Nachteile erklärt werden.

Die Sache sieht noch einmal anders aus, wenn wir über die Automatisierung von Geschäftsprozessen reden. Selbstverständlich ist die Dokumentation eine Voraussetzung für die Automatisierung. Wenn man die Prozesse nicht verstanden hat, weiss man nicht, welche davon sich für die Automatisierung eignen.

Nun ist es so, dass eine Prozessdokumentation noch lange nicht gut genug für die Prozessautomatisierung ist. Hier werden meist weitere BPMN-Elemente benötigt, z. B. für die Behandlung im Fehlerfall oder für die Persistenz der entstehenden Daten. Leider sind Diagramme, die einen Geschäftsprozess gut dokumentieren, nicht ausreichend für die Automatisierung. Das führt in ein Dilemma, bzw. in doppelte Prozessbeschreibungen: eine für das Business und eine für die Automatisierung.

Lieber Robert, ich hoffe, ich konnte Deine Frage mit diesem Artikel beantworten.

Bildquelle: https://camunda.com/de/bpmn/bpmn-examples/

Tags

Prozess, Wettbewerb, BPMN, Musterlösung, Pizza

Es wurden noch keine Kommentare verfasst, sei der erste!