Was fehlt zur digitalen Souveränität? Oder gibt es da oft wirklich keine Alternativen?
Ein paar Gedanken zu dem Thema. Hinweis: Das ist ein Meinungsartikel.
Die Ausfälle der letzten Wochen bei AWS oder heute bei Cloudflare, bringen einen immer wieder zum Nachdenken. Alles scheint von den paar großen US-Anbietern Google, Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Cloudflare abzuhängen. Bis auf bei Google sind mir diverse Ausfälle bekannt, die offenbar immer wieder an kleineren Ursachen hängen. Wie wörtlich kann man deren Versprechen mit Ausfallsicherheit also nehmen?
Immerhin hatten meine Server in der Zeit weitaus weniger bis keine Ausfälle. Okay, ich betreibe auch keine Rechenzentren, welche weltweit und hoch „verfügbar“ sind. Aber gibt es wirklich keine Alternative dazu?
Was machen die eigentlich?
Der große Vorteil ist dort meist, dass die Dienste weltweit und gleichmäßig angeboten werden können. Habe ich eine Datenbank, kann diese mithilfe von Azure und Co. überall auf der Welt schnell angebunden werden.
Dies widerspricht natürlich dem dezentralen Ansatz des Internets, wo jeder seine Dienste für sich betreibt – ist ein Anbieter gestört, sind auch nur seine paar Dienste betroffen. Diese Verfügbarkeit kann man technisch eben nur mit Rechenzentren auf mehreren Kontinenten realisieren. Ohne diese müssen die Daten immer um die ganze Welt gesendet werden, was meist die Latenzen in die Höhe schnellen lässt.
Wirklich alternativlos?
Sind die Voraussetzungen wirklich, dass die Dienste weltweit verfügbar sein müssen?
Falls ja, kommt man um die großen Hyperscaler nicht wirklich umher, außer man betreibt das Ganze selbst, was aber oft Unsummen kostet. Diese Voraussetzung trifft ja überwiegend nur auf ein paar große und wenige Dienste zu (Streaminganbieter, Messaginganbieter …).
Aber viele Dienste des Alltags sind oft nur national oder in der gesamten EU vertreten. Wozu braucht also eine lokale Bank ihr Onlinebanking weltweit schnell verfügbar? Kann man dort nicht mit Latenzen aus z. B. Australien leben? Braucht ein Zugriff auf meinen Heimserver zwingend das Cloudflare-Frontend? Braucht die Webseite von meinem lokalen Bäcker eine Hochverfügbarkeit aus den USA?
Wahrscheinlich alles eher weniger der Fall. Hier wird vorwiegend zu Azure, Cloudflare und Co. gegriffen, da es „bequem“ oder eben bekannt ist. Ich denke nicht, dass man sich deswegen direkt um alles selbst kümmern muss – natürlich wäre das eine Wunschvorstellung in Bezug auf Souveränität und Dezentralisierung der Systeme, aber oft ist das nicht sinnvoll umsetzbar.
Hier kommen EU-Unternehmen in den Fokus, welche ebenfalls die Infrastruktur als Dienstleistung anbieten. Ein prominentes Beispiel ist dort die Schwarz-Gruppe, welche hinter Lidl steckt, aber auch IONOS, Hetzner, OVHcloud usw. Hier werden bereits seit Langem verschiedenste Dienstleistungen dazu angeboten. Was nur meist fehlt, sind Standorte in den USA, Asien usw.
Aber auch Open-Source-Projekte wie OpenStack sind spannende Lösungen, mit denen vorwiegend Unternehmen ihre eigenen Server für komplette Cloud-Infrastruktur realisieren können.
Fazit:
Ich möchte mit diesem Artikel keine Lösung als einzig wahre darstellen und alle anderen verteufeln, sondern zum Nachdenken anregen. Man sollte jeden Fall individuell durchdenken und nicht aus Bequemlichkeit den großen US-Hyperscaler nehmen.
Ja, es gibt Fälle, in denen dies die einzige Option ist. Genauso gibt es genug Fälle, bei denen das Selbstbetreiben oder EU-Anbieter dazu die passende Lösung sind. Das große Ziel sollte es sein, unabhängig zu sein, wo es geht. Da, wo es nicht machbar ist, sollte der nächstmögliche Weg genommen werden.

Neben der Verwendung von Freier Software ist Interoperabilität ein wichtiger Punkt. Das heisst wir müssen in der Lage sein, Projekte schnell von einem System in ein anderes exportieren zu können. In diesem Zusammenhang hat das Sovereign Cloud Stack bereits gute Vorarbeit geleistet. Aus geopolitischer Sicht sprichst du einen wichtigen Punkt an, nämlich die Standortverfügbarkeit. Die Lösung dazu drängt sich ja regelrecht auf. Die aktuellen politischen Forderungen seitens der USA zielen klar auf Investitionen dort ab. Europäische Hyperscaler könnten ohne Weiteres dort investieren und würden dafür bestenfalls sogar gefördert.
Die grundlegende Frage, ob Zentralisierung in dieser Form sinnvoll ist, wurde bereits im Podcast 'Captain it's Wednesday - Folge 158 - Dezentralisierungsschub' angesprochen. Meine Haltung diesbezüglich ist, dass gleich starke oder sogar stärkere und resilientere Lösungen nur dezentral und bestenfalls in der Kontrolle des Users möglich sind.