Erfahrungsbericht Manjaro 21 mit GNOME 40

  Ralf Hersel   Lesezeit: 8 Minuten

Subjektive Erfahrungen mit einer neuen Distribution und einer neuen Desktop-Umgebung.

erfahrungsbericht manjaro 21 mit gnome 40

Hinweis: das ist ein Meinungsartikel.

Nachdem ich neulich über meine Erfahrungen mit Fedora 34 berichtet habe, gebe ich heute Manjaro 21.0.3 eine letzte Chance. Die Bedenken bezüglich einer halb-stabilen Rolling-Release-Distribution habe ich immer noch, aber Manjaro hat mich in den letzten Monaten fasziniert und lässt mich einfach nicht los. Das aktuelle Manjaro mit dem GNOME-Desktop implementiert GTK 40, jedoch nicht die 40er GNOME-Shell. Wayland ist auch bei Manjaro die Standardeinstellung. Schauen wir mal, was die aktuelle Rolling-Version zu bieten hat.

Manjaro basiert auf der Arch-Linux Distribution und bringt damit ein Füllhorn an Paketen und Hilfe-Informationen für Anfänger und Fortgeschrittene mit sich. Ein Blick in das Arch-Wiki lässt eure Augen leuchten.

Arch Linux ist eine AMD64-optimierte Linux-Distribution mit Rolling Releases, deren Entwicklerteam dem KISS-Prinzip („keep it simple, stupid“) folgt. Zugunsten der Einfachheit wird auf grafische Installations- und Konfigurationshilfen verzichtet. Aufgrund dieses minimalistischen Ansatzes ist Arch Linux als Distribution für fortgeschrittene Benutzer zu sehen. Arch Linux wurde Anfang 2001 von Judd Vinet eingeführt, inspiriert von Crux und BSD.

Arch und Crux klingt sehr nach 'die hard', was aber nicht für Manjaro gilt. Diese Distribution hat sich in den letzten Jahren zu "Everybody's Darling" und zum potenziellen Ubuntu-Nachfolger gemausert. Die Installation gelingt jederfrau und die Abstimmung der Konfiguration ist das wahre Geheimnis von Philip Müller und seiner Crew.

Für meine Tests habe ich die Distribution zuerst in einer virtuellen Maschine (GNOME Boxes) und dann auf Alteisen (einem 10 Jahre alten Tuxedo i3 Notebook) installiert. Alle Erfahrungen beziehen sich auf die letztgenannte Installation. Ausserdem habe ich mich bei diesem Erfahrungsbericht nur auf bekannte Problemfälle konzentriert, die mir bei anderen Distros (insbesondere Ubuntu und Fedora) auch aufgefallen sind. Die vielen positiven Erfahrungen mit Manjaro 21.0.3 erwähne ich hier nicht, bzw. nur am Rande.

Meine Problemfälle haben Namen: Desktop, Flameshot, Gimp, Nextcloud, Audacity, Paketverwaltung.

Der Desktop

Manjaro bietet drei Desktop-Umgebungen an: Xfce, KDE Plasma und GNOME. Das ist eine gute Auswahl, da Ersterer immer eine gute Wahl für alte oder schwache Rechner ist. KDE und GNOME decken ca. 70 Prozent des Desktop-Geschehens in der GNU/Linux-Welt ab. Ich bevorzuge den GNOME-Desktop. Die grundsätzlichen Defizite kann man in meinem letzten Artikel zu diesem Theme nachlesen; sie gelten auch für Manjaro-GNOME.

Im Gegensatz zu Fedora mit seinem Vanilla-Ansatz, macht das Manjaro-Team einiges besser. Hier fühlt man die Liebe, die in die Konfiguration des Desktops geflossen ist. Das fängt bei der Vorinstallation des GNOME-Tweak Tools an, erstreckt sich über die mitgelieferten Extensions und hört bei der Auswahl der Themes noch  nicht auf.

Umschalten zwischen Desktop-Layouts

Das Umschalten auf ein dunkles Thema ist bei Manjaro auch nicht intuitiv möglich, da es nicht in den GNOME-Settings angeboten wird. Über das Tweak-Tool oder den (oben gezeigten Layout-Switcher) ist das jedoch relativ einfach möglich. Obwohl Manjaro 17 Themes zur Auswahl anbietet, könnte nach meinem Empfinden noch mehr Feingefühl in die Auswahl einfliessen. Ich finde die Matcha- und Adaita-Themes alle zu grobschlächtig. Das können Ubuntu, Deepin und Elementary wesentlich besser. Ein Lob gilt dem Manjaro-Panel; der Nachtmodus ist vorhanden und die Tray-Icons sind eingeschaltet. Bei Fedora muss man das alles nachträglich installieren.

Das Manjaro-Team war weise und hat die 40er GNOME-Shell noch nicht adaptiert. Unter der Oberfläche laufen zwar die GTK 40 Anwendung, die Oberfläche entspricht aber noch dem gewohnten 38er-Stand. Hier lässt man sich Zeit, um die grossen Änderungen beim Design und dem Workflow der Version 40 mit Bedacht umzusetzen.

Somit sind die beliebten Extensions zur Steuerung der Anwendungen noch vorhanden, namentlich 'Dash-to-Dock' und 'Dash-to-Panel'. Im ersten Screenshot seht ihr das platzsparende 'Dash-to-Panel' im Top-Panel.

Flameshot

Wie schon geschrieben, halte ich Flameshot für das beste Werkzeug um Bildschirmaufnahmen zu erstellen und zu bearbeiten. Im Gegensatz zu Fedora 34, gibt es bei Manjaro per default einen System Tray, sodass sich Flameshot dort einhängen kann. Mit Wayland hat das Tool auch bei Manjaro seine Mühe. Schaltet man beim Starten des Desktops auf X11 um, laufen die Screenshots ohne Zögern.

Gimp

Bei Manjaro gestaltet sich die Installation von Gimp natürlich genauso einfach wie unter Fedora. Um zum Resynthesizer-Plugin zu gelangen, werden zwei weitere Pakete benötigt:

gimp-plugin-resynthesizer ...
python2-gimp

Beide findet man im AUR-Repository, welches man in der Software-Verwaltung zuerst einschalten muss. Nach deren Installation (bzw. Build) findet man in Gimp unter dem Menüpunkt 'Filter, Verbessern, Heal Selection'. Saagenhaft; unbedingt ausprobieren.

Nextcloud

Auch der Nextcloud-Client läuft unter Manjaro ohne Problem. Man installiert den 'Nextcloud Desktop-Synchronsationsclient' aus der grafischen Software-Verwaltung, und das war es. Die Anwendung erscheint im System Tray und zögert auch nicht bei einem Neustart des Systems. Da gibt es nichts zu Jammern.

Paketverwaltung

Es gibt einige Tools in Manjaro, um Pakete zu verwalten. Die grafischen Anwendungen heissen Pamac (default) und Octopi, auf der Kommandozeile gibt es pacman (default) und yay. Pamac bietet Unterstützung für die Formate ALPM, AUR, Flatpak und Snap. Das gefällt mir, weil man alle heutzutage relevanten Formate in einem Werkzeug verwalten kann. Mit pacman habe ich mich noch nicht angefreundet. Der Befehl zur Installation eines Paketes lautet:

sudo pacman -Syu Paketname

Ernsthaft: -Syu, wer soll sich das merken? Wie wäre es mit 'sudo pacman install paketname'? Dann gibt es noch ‘Yet Another Yogurt’. YAY ist ein Wrapper um pacman, der einem auch das AUR Repository erschliesst. Damit hat man auf der Kommandozeile gleich zwei Repos im Griff: das Original von Arch und das Community-gepflegte AUR-Repo. Damit kann man z.B. so lustige Sachen machen, wie alle Systempakete updaten und gleichzeitig ein Upgrade durchführen:

yay -Syu

Audacity

Die Digital Audio Workstation Audacity gehört für mich zu den unersetzlichen Produktiv-Werkzeugen, da ich damit den GLN-Podcast abmische. Leider hat das Tool immer noch Probleme mit Wayland; der Playback-Indikator (die vertikale Linie, die beim Abspielen die Position anzeigt) funktioniert nicht. Ohne diesen Indikator ist Audacity nicht benutzbar. Schaltet man beim Starten von Wayland auf X um, läuft der Indikator.

Fazit

Manjaro 21.0.3 in der GNOME-Edition ist eine tolle Distribution, bei der fast alles funktioniert. Die Grundausstattung der rollenden Distribution ist gut durchdacht und enthält viele Werkzeuge und Konfigurationen, die man bei anderen Distros erst nachinstallieren und einrichten muss. Das Damoklesschwert bei Manjaro ist und bleibt die Angst vor einem zerschossenen System nach einem Update. Obwohl Manjaro nicht 'bleading edge' (wie Arch) ist, sondern die Pakete ein paar Tage prüft und liegen lässt, bevor sie beim Anwender aufschlagen, bleibt ein mulmiges Gefühl haften.

Tags

Manjaro, GNOME, GNOME-Desktop, GNOME-Shell, Fedora, Desktop, Nextcloud, Linux, Anwendung, Ubuntu

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