Kanban auf dem Desktop

  Ralf Hersel   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 3 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Zwei Anwendungen, mit denen man die Kanban-Methode auf dem Desktop nutzen kann, ohne einen Webserver zu verwenden.

kanban auf dem desktop

Ursprünglich war Kanban eine Methode der Produktionsprozesssteuerung, die 1947 bei Toyota in Japan erfunden wurde, um die interne Wertschöpfungskette bei der Bereitstellung von Materialien zu optimieren. Die Idee des Erfinders Taiichi Ōno war folgende:

Es müsste doch möglich sein, den Materialfluss in der Produktion nach dem Supermarkt-Prinzip zu organisieren, das heisst, ein Verbraucher entnimmt aus dem Regal eine Ware bestimmter Spezifikation und Menge; die Lücke wird bemerkt und wieder aufgefüllt.

In der Informatik, bzw. im Projektmanagement, erhielt die Methode Einzug durch das Aufkommen von agiler Entwicklung und dem SCRUM Vorgehensmodell Anfang der 2000er-Jahre. Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als wir (Projektleitung und Entwickler:innen) vor grossen Wänden voller Karten standen und diese für die Sprint-Planung von einer Spalte in die nächste gezogen haben. Das Gute daran waren die Visualisierung des Projektfortschritts, die Haptik der Karten und die Teilhabe an der Planung.

Heute sehe ich Kanban als ein vielfältiges Instrument für die Planung. Sei es für Projekte (egal welcher Art) oder für die Aufgabenplanung. Ich setze in meinen beruflichen IT-Projekten immer Kanban-Boards ein. Auch bei GNU/Linux.ch verwenden wir ein solches Board, um Aufgaben von der Idee bis zur Umsetzung zu verwalten. Selbst bei persönlichen Projekten oder bei To-do-Listen kann Kanban als flexibles und übersichtliches Instrument dienen.

Die gängigen Kanban-Anwendungen laufen meist auf Servern und werden im Webbrowser bedient, damit alle beteiligten Personen daran teilnehmen können. Im proprietären Bereich kennt man Trello und Meistertask, im FOSS-Umfeld sind Wekan, Kanboard und Nextcloud-Deck beliebt. Der Anforderung nach einem Mehrbenutzer-Konzept ist geschuldet, dass man Kanban-Anwendung für den Desktop, und damit für die Einzelnutzung eher selten findet.

In diesem Artikel möchte ich euch zwei Anwendungen für den Desktop vorstellen, nämlich Progress und Lonewolf. Beide stehen unter einer freien Lizenz (MIT, GPL3) und sind als Flatpaks verfügbar. Progress ist in C++ und Lonewolf in Rust geschrieben. Beide sind junge Projekte, die aktiv entwickelt werden. Ich habe die Flatpaks installiert und für euch ausprobiert.

Progress

Die Anwendung ist grafisch einfach und ansprechend gestaltet. Sie erlaubt es, mehrere Kanban-Boards anzulegen und diese mit einer Hintergrundfarbe oder einem Bild unterscheidbar zu machen.

Durch einen Klick auf ein Board wird dieses geöffnet und präsentiert sich so:

Viel mehr gibt es zu Progress nicht zu schreiben. Selbstverständlich lassen sich weitere Spalten anlegen bzw. umbenennen. Gleiches gilt für die Karten innerhalb der Spalten. Sie haben lediglich einen Namen und keine weiteren Attribute. Die Reihenfolge der Karten kann mit der Maus verändert werden, wobei das Drag&Drop Verhalten etwas erratisch wirkt. Ausserdem kann eine Karte mit der Maus in eine andere Spalte gezogen werden.

Progress kümmert sich selbst um das Speichern; eine Dateiverwaltung gibt es nicht. Leider vergisst die Anwendung beim Öffnen ihre letzte Grösse, sodass man die Fensterdimensionen jedes Mal neu einstellen muss. Ansonsten halte ich Progress für eine kleine Kanban-Anwendung, die sich z. B. für das Führen von To-do-Listen eignet. Eigentliche Projekte würde ich damit nicht planen; dafür fehlen zu viele Funktionen.

Lonewolf

Bei Lonewolf sieht die Sache anders aus. Die Anwendung arbeitet auf einzelnen Dateien pro Board. Eine Übersicht gibt es nicht; man sieht immer den Inhalt des geöffneten Boards.

Sowohl die Reihenfolge der Spalten, als auch jene der Karten in einer Spalte kann geändert werden. Natürlich lassen sich Karten mit der Maus von einer Spalte in eine andere ziehen. Rechts oben wird die Anzahl der offenen Karten angezeigt; für eine Spalte kann man definieren, ob die darin enthalten Karten als geschlossen gelten. Der Zähler neben dem Spaltentitel gibt die Anzahl der Karten in der jeweiligen Spalte an. Das Ausrufezeichen links oben gibt an, ob man ungespeicherte Inhalte hat.

Ausser dem Namen gibt es für jede Karte weitere Attribute. Es können farbige Labels zugewiesen werden, die auch in der Board-Ansicht zu sehen sind. Gleiches gilt für das Ende-Datum der Karte. Zudem kann eine Beschreibung, Dateien und Kommentare hinzugefügt werden. Auf Wunsch wird die Änderungshistorie der Karte eingeblendet.

Wie ihr seht, bietet Lonewolf deutlich mehr an Funktionalität als Progress. Auch die Bedienung der Anwendung ist angenehmer. Somit empfiehlt sich Lonewolf auch für das Verwalten von Projekten.

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kanban
https://de.wikipedia.org/wiki/Scrum
https://wekan.github.io/
https://kanboard.org/
https://apps.nextcloud.com/apps/deck
https://flathub.org/apps/io.github.smolblackcat.Progress
https://flathub.org/apps/site.someones.Lonewolf

Tags

Kanban, Projektmanagement, Aufgabenverwaltung, Progress, Lonewolf

Christian Tietze
Geschrieben von Christian Tietze am 6. Juni 2024 um 10:16

Ich war neugierig und stelle enttäuscht fest: Lonewolf hat 1% Rust, der Rest ist Vue mit Typescript. "Mit Rust geschrieben" ist hier etwas großzügig. :)

Robert
Geschrieben von Robert am 6. Juni 2024 um 22:16

Eine einfache (z. B. nur 1 Board möglich) Alternative, die zwar im Webbrowser läuft, aber ohne Webserver auskommt, ist https://github.com/nishantpainter/personal-kanban -- Es handelt sich um eine Progressive Web App, welche die Daten im Browser ablegt. Leider wird die App schon seit >3 Jahren nicht mehr weiterentwickelt. Dennoch nutze ich sie privat für mein Computerhobby.

mw
Geschrieben von mw am 7. Juni 2024 um 09:16

Beides sind halbwegs unbrauchbare Programme, deren Design so gräßlich ist, daß man das nicht nutzen will. Ich nutze seit vielen Jahren Portable kanban von Dimity Ivanov. Leider nur in Windows verfügbar, aber mit Wine sollte das kein Problem sein.