Linux Mint - eine Ubuntu- und damit Debian-basierte Distribution - erfreut sich grosser Beliebtheit in der Community. Beim sich selbst verstärkenden Portal Distrowatch, rangiert es seit Jahren in den oberen Rängen. Nicht zu Unrecht, da die Distribution aus dem Team um Clement Lefebvre zwar auf den Schultern von Riesen steht (Debian, Ubuntu), es aber trotzdem geschafft hat, die Marotten von Mark Shuttleworth in ihrer Distribution und ihrer Desktopumgebung Cinnamon, auszubügeln und sich damit mehrere Alleinstellungsmerkmale gesetzt hat.
Die Beta-Version von Vera kann man hier herunterladen. Ich habe die anstehende Version in der VM GNOME-Boxes getestet. Der Installationsprozess verlief - nach Ubuntu-Art - völlig einfach und ohne Auffälligkeiten. Beim ersten Start werden die Anwender:innen von einem Willkommen begrüsst. Darin sieht man nach dem Gruss aus der Küche, Einstellmöglichkeiten als "Erste Schritte", sowie Informationen zur Dokumentation, Hilfe und den Möglichkeiten zum Mitwirken. Das ist sehr gefällig und holt Einsteiger:innen ab.
Insbesondere die "ersten Schritte" sind erwähnenswert. Dort kann zwischen vielen Akzentfarben und einem hellen/dunklem Thema gewählt werden. Die persönliche Auswahl wird direkt angezeigt, sodass man sofort weiss, wie es sich auswirkt. Im Screenshot seht ihr die grüne Akzentfarbe und das dunkle Thema:
Doch damit nicht genug. Weiter geht es mit der Panel-Auswahl, bei der man zwischen einem Dock (Modern) und einer klassischen, GNOME 2 ähnlichen Leiste, wählen kann. Auch bei dieser Auswahl kann man das Ergebnis direkt begutachten. Des Weiteren kann man auswählen, ob jeden Tag mindestens zwei Schnappschüsse automatisch erstellt werden sollen, was auf Btrfs als Dateisystem hinweist.
Weiter geht es mit Einstellungen zur Treiberverwaltung, der Systemaktualisierung, den Systemeinstellungen, der Anwendungsverwaltung und der Option einer Firewall. Ich finde es gut, wenn die Einführung nach dem ersten Start auf die Bedürfnisse der Anwender:in eingeht; eventuell hat Mint hier sogar ein wenig übertrieben. Apropos Systemaktualisierung; die Distribution starten beim Start selbige, um die Pakete auf den neusten Stand zu bringen.
Bisher gefällt mir die Vera sehr gut; alles ist vorbildlich.
Für die Schnappschüsse kommt Timeshift zum Einsatz, wobei entweder rsync oder die btrfs-Funktion ausgewählt werden kann. Bei meinem Test stand nur rsync zur Auswahl, vermutlich weil ich bei der Auswahl des Filesystems während der Installation gepennt habe. Meine Testinstallation läuft auf ext4. Da ich die Installation nicht wiederholen möchte, kann ich nicht abschliessend sagen, ob man btrfs auswählen kann; ich tippe auf: nein, kann man nicht.
Der Cinnamon-Desktop präsentiert sich aufgeräumt und in angenehmen Farben, wobei diese individuell eingestellt werden können. Hier seht ihr das dunkle Thema mit grüner Akzentfarbe:
Im Dock gibt es das Cinnamon-Menü, Dateien (Nemo), Firefox (107 in der Mint-Variante) und das GNOME-Terminal (Bash). Rechts sieht man Benachrichtigungen, Netzwerk, Audio-Einstellungen und Uhr/Kalender.
Bei den Systemeinstellungen hätte ich mehr erwartet. Das sieht aus wie bei GNOME 2, nämlich uralt:
Versteht mich nicht falsch; in den Systemeinstellungen gibt es alles, was man braucht. Die Darbietung sieht aber sehr altbacken aus, vergleicht man sie mit den Einstellungen in anderen modernen Arbeitsumgebungen (GNOME, KDE-Plasma). Hier steht Linux Mint 21.1 hinter dem Anspruch zurück, ein moderneres Benutzungserlebnis zu bieten.
Was sind die Neuerungen bei Vera?
Die Distribution sieht sauberer und moderner aus. Es ist ausserdem besser konfigurierbar und wird mit einer Vielzahl von Themen ausgeliefert. Der Desktop wurde aufgeräumt und zeigt jetzt nur noch die wichtigsten Elemente an: Das Installationssymbol, Objekte, die man auf dem Desktop ablegen, Dateien, die in ~/Desktop abgelegt sind, und verbundene Geräte.
Der Home-Ordner wurde vom Desktop entfernt. Er ist nun am Panel angeheftet und kann über das Hauptmenü oder durch Drücken von Super+E auf der Tastatur geöffnet werden. Computer-, Papierkorb- und Netzwerksymbole wurden ebenfalls entfernt. Sie werden nur gelegentlich verwendet und bleiben im Dateimanager verfügbar. Wem diese Standardeinstellungen nicht gefallen, kann sie in den Einstellungen ändern.
Die neuen Akzentfarben sind lebendiger als zuvor. Sie heben die Stimmung und machen Linux Mint trendiger und schöner. Dazu schreibt das Mint-Team:
Das ist etwas, was wir schon eine Weile machen wollten, aber es war schwierig zu erreichen. Kräftige Farben konkurrieren mit Informationen um Ihre Aufmerksamkeit und erzeugen hohe Kontraste, die zu einem unangenehmen Erlebnis führen können. Wir wollen, dass der Desktop gut aussieht, aber nicht auf Kosten des Komforts.
Um lebendige Akzentfarben zu verwenden, mussten wir weniger Akzente setzen. In der Vergangenheit haben unsere Themes sanfte Farben verwendet, aber diese Farben waren in vielen Widgets und Desktopelementen zu finden. Man sah zwar viel Grün, aber dieses Grün war gedämpft.
Linux Mint bleibt seinem alten Look nicht mehr treu. Die Verwendung von Akzentfarben auf dem Panel und in den Menüs wurden entfernt. Die Farbe für Ordner ist jetzt gelb. Man sieht generell weniger Grün in dieser Version; falls es erscheint, ist es auffälliger. Auch dazu äussert sich das Team:
Wir müssen nicht mehr grün aussehen, um Linux Mint zu sein. Wir sind Linux Mint, egal was es ist, und wir wollen die Farbe verwenden, die von Haus aus am attraktivsten aussieht. Das ist natürlich alles subjektiv. Eines der ersten Dinge, die wir Ihnen bei der Anpassung Ihres Desktops empfehlen, ist, Ihre Lieblingsfarbe zu wählen.
Was sofort auffällt, ist der neue Mauszeiger "Bibata":
Wer mit diesem modernen Zeiger nichts anfangen kann, hat die Möglichkeit zwischen 13 anderen Varianten auszuwählen. Die Systemklänge wurden ebenfalls geändert. Die neuen Sounds stammen aus dem Material Design V2. Sie wirken modern und beruhigend. Um den Benutzern mehr Auswahl zu bieten, verfügt Linux Mint 21.1 über alternative Icon-Themen. Zusätzlich zu den Themen Mint-X, Mint-Y und Mint Legacy sind die folgenden Themen standardmäßig installiert: Breeze, Papirus, Numix und Yaru (Standard-Icon-Theme bei Ubuntu).
Die Anwendungen
Vorinstallierte Anwendungen bei einer Distribution sind nur für Einsteiger:innen von Bedeutung. Schon nach kurzer Zeit mit GNU/Linux hat man Vorlieben für bestimmte Programme entdeckt und kann diese leicht aus den Repositories installieren. Daher haben die App-Vorgaben nur eine geringe Bedeutung, tragen jedoch zum ersten Eindruck bei.
- Dateimanager: Nemo (ein Nautilus-Fork, der besser ist als das Original)
- Webbrowser: Firefox (in der Mint-Edition)
- Office-Suite: LibreOffice
- Bildbetrachter: Xviewer und Pix
- Bildbearbeitung: Drawing
- E-Mail: Thunderbird
- Multimedia: Rhythmbox (Musik), Celluloid (Video), Hypnotix (TV)
- Anwendungsverwaltung: MintInstall
Software-Verwaltung
MintInstall ist die eigene Software-Verwaltung von Linux Mint. Bei jedem Aufruf wird im oberen Teil immer eine andere Anwendung herausgestellt. Die Liste der Anwendungen ist in 12 Kategorien gegliedert. Im unteren Fensterbereich kann man durch das gesamte Angebot scrollen.
Bei der Suche nach Anwendungen, werden oft zwei Pakete angeboten, nämlich das native Format aus den Linux Mint Repositories und die Flatpak-Variante. Die Unterstützung für Flatpaks ist standardmässig vorhanden und kann bei den Anwendungspaketquellen weder ein- noch ausgeschaltet werden. Dafür können dort PPAs als weitere Quellen hinzugefügt werden. Das Snap-Format wird ohne weiteres Zutun nicht unterstützt.
Fazit
Die Beta-Version von Linux Mint 21.1 macht auf mich einen guten und stabilen Eindruck. Die Modernisierung des Cinnamon-Desktops ist gelungen; lediglich bei den Systemeinstellungen gibt es Verbesserungspotential. Im Gegensatz zu Ubuntu setzt Mint bei der Paketverwaltung auf Flatpak statt auf Snap, was innerhalb der Community positiv aufgenommen werden dürfte.
Linux Mint 21.1 ist ein Long Term Support Release welcher bis 2027 unterstützt wird und basiert auf Ubuntu 22.04. Das Erscheinungsdatum der finalen Version ist nicht exakt bekannt, es wird jedoch mit einem Termin um Weihnachten gerechnet.
Seit kurzem wird das Upgrade auf 21.1 nach dem Update der Aktualisierungsverwaltung angeboten. Vera macht soweit einen guten Eindruck und läuft hier absolut stabil.
Über die Anwendungsverwaltung sollte man im Mint-Team nochmal nachdenken. Man bekommt statt einer sortierten Liste, alles ungeordnet in 3er-Spalten vor die Augen geknallt, Flatpak will auch nicht jeder. Fazit: Fast unbrauchbar, mintinstall macht in dieser Form keine gute Figur, nunmehr nutze ich wieder apt.
...und Cinnamon fängt gleich mit Bugs wieder an: Die zweite Leiste z.B. kann man zwar erstellen aber nicht wie bei Xfce mit Applets befüllen oder verschieben. Bei den Ordnern genügte früher, wenn man einmal angab "Listenstil". Heute sucht man nach der Einstellung, wo das gemacht wird.