Die meisten kennen LibreOffice als Produktivitätslösung für Office-Arbeiten. Das kommt nicht von ungefähr, sondern liegt daran, dass es diese Office-Suite schon seit Ewigkeiten gibt, von den meisten Distributionen vorinstalliert wird und auf eine lange Geschichte zurückblickt. Der Urahn von LibreOffice ist das Hamburger StarOffice, welches bereits 1984 das Licht der Welt erblickte. Doch die Zeit steht nicht still und weitere Office-Suiten bieten sich der GNU/Linux-Anwender:in an, wie ONLYOFFICE.
ONLYOFFICE kommt von der Firma Ascensio System SIA und wird sowohl kommerziell als auch als freie Software unter der GNU AGPL v3 Lizenz angeboten. Es werden Preispläne für die Cloud-Lösung, das Selfhosting und den freien und kostenlosen Betrieb auf dem Desktop angeboten.
Die Office-Suite enthält alle bekannten Funktionen gängiger Desktop-Anwendungen und bietet sämtliche Vorteile der Online-Kollaboration: Zugriff von überall und von jedem Gerät aus, schnelle Dateifreigaben und Zusammenarbeit in Echtzeit – auch direkt auf eigenen Servern. Mit ONLYOFFICE Docs lassen sich Dokumente, Tabellenkalkulationen und Präsentationen aller gängigen Formate in Echtzeit kollaborativ bearbeiten. Ausserdem kann man digitale Formulare erstellen und ausfüllen sowie mit PDF-Dateien arbeiten.
Die Anwendung ist mit MS Office-Dateien kompatibel (.docx, .xlsx, .pptx werden als Standardformate verwendet) sowie mit anderen gängigen Dateiformaten: ODT, RTF, TXT, PDF, HTML, XPS, XLS, ODS, CSV, PPT, ODP usw.
Für eine Vielzahl der Open-Source-Lösungen bietet ONLYOFFICE bereits fertig entwickelte Konnektoren für reibungslose Integration an: Die Software ist kompatibel mit Applikationen wie Nextcloud, WordPress, Drupal, ownCloud, Moodle, Liferay, HumHub, Plone und vielen weiteren, was insbesondere für den Betrieb in Unternehmen interessant ist.
Doch wie schlägt sich ONLYOFFICE auf dem lokalen Desktop?
Ich habe mir ONLYOFFICE (OO) in einer virtuellen Maschine (GNOME Boxes) auf GNOME OS Nightly in der aktuellen Version 7.3 angesehen. Daher werde ich nichts zur Performance sagen. Die Anwendung ist als Flatpak schnell installiert und präsentiert sich beim Start, wie es im Titelbild teilweise zu sehen ist. Dort hat man auch Zugriff auf die zuletzt geöffneten Dateien, lokale Dateien, die Verbindung zur Cloud und zu den Einstellungen.
Standardmässig öffnet sich OO im hellen Design und in englischer Sprache. In den übersichtlich gestalteten Einstellungen habe ich auf Deutsch und auf ein dunkles Thema umgeschaltet.
Dokumente
Die Textverarbeitung öffnet sich mit allen Bedienmenüs, die auf dem Bildschirm Platz finden: oben, unten, rechts und links. Selbstverständlich kann der Ribbon-Bar, das rechte Panel und die weiteren Bedienelemente über das Menü Ansicht sehr einfach und verständlich an- und ausgeschaltet werden.
Die Funktionen der freien Version ONLYOFFICE Desktop Editors sind umfassend und für 90 Prozent des privaten Gebrauchs ausreichend. Einen Serienbrief kann man jedoch mit dieser Version nicht erstellen; dafür benötigt man eine Version, die für Firmenkunden gedacht ist.
Tabellen
Funktional gibt es bei der Tabellenkalkulation auch nichts auszusetzen. Es werden fortgeschrittene Arbeiten mit Pivot-Tabellen und die bedingte Formatierung unterstützt. Seltsam finde ich die Namensgebung: Tabellen werden über den Menüeintrag Arbeitsmappe geöffnet; die Datei heisst Buch1.xlsx. Hier hat man sich wohl etwas zu stark an Microsoft Office angelegt.
Wie ihr seht, werden die verschiedenen Office-Dokumente als Tabs in OO dargestellt. Auch hier gilt, die Funktionalität ist ausreichend und deckt den Hauptteil der Anwendungsfälle ab. Was mir gut gefällt, sind die aufgeräumten und logisch sinnvollen Menüs. Das sieht man auch bei der Auswahl der Funktionen:
Präsentationen
Auch bei den Präsentationen gibt es nichts zu meckern. Nun gut, die Anzahl der Design-Vorlagen fällt mit 8 Templates etwas mager aus. Auch die Tatsache, dass man in der Folien-Vorschau nicht mit der Maus scrollen kann, gefällt mir nicht (kann LibreOffice-Impress auch nicht). Ansonsten ist die OO-Folien-App intuitiv bedienbar und bietet alles, was man benötigt.
Doch dann ist mir ONLYOFFICE doch noch um die Ohren geflogen. Während des Tests der Präsentationen verschwanden plötzlich die Tabs mit den anderen offenen Dokumenten, die Präsentation liess sich nicht speichern und OO konnte ich nicht mehr schliessen. Ich musste OO mit kill pid abschiessen.
Zumindest wurden danach die Dokumente für die Wiederherstellung angeboten, was auch funktioniert hat.
Hm, dieser Zwischenfall hat meinen bisher guten Eindruck getrübt.
Formulare
ONLYOFFICE bietet einen Formular-Editor, den man von LibreOffice nicht kennt. Zwar kann man in LO auch Formulare erstellen, allerdings ist das wesentlich schwieriger als in OO. Dort werden Fomulare als editierbare OFORM-Dateien oder als ausfüllbare PDF-Formulare gespeichert. OO kann sowohl PDFs anzeigen, als auch die OFORM-Dateien nachträglich editieren.
Das Erstellen der Formulare geht leicht von der Hand, auch wenn man das noch nie gemacht hat. Man kann zwischen einem Editor- und Ausfüll-Modus umschalten, sodass sich die Formulare sofort testen lassen. Im Screenshot seht ihr die vielen Feldtypen, die zur Verfügung stehen. Diese Funktion ist ein echtes Unterscheidungsmerkmal gegenüber LibreOffice.
Vergleich
LibreOffice (LO) bietet mehr Funktionalität und zusätzliche Anwendungen (Datenbank, Formel-Editor, Vektor-Zeichenprogramm) als ONLYOFFICE. Meinen Absturz in OO möchte ich nicht der Office-Suite anlasten, sondern schiebe die Verantwortung auf GNOME OS Nightly. Der grössere Funktionsumfang von LO geht einher mit einer etwas schwierigeren Bedienung. Dafür findet man bessere Unterstützung im Internet, falls Fragen zu LO auftreten. Die Dokumentation von OO ist nicht so umfangreich, aber dennoch gut.
Performance
Obwohl ich nichts zu diesem Thema schreiben wollte, kann ich diesbezüglich bei ONLYOFFICE keine Schwächen erkennen. Trotz der virtuellen Maschine startet OO schnell und die Bedienung ist flüssig. Der OO Start in GNOME OS dauert ca. 1.5 Sekunden. Genauso lange benötigt LO auf bare metal.
Look and Feel
Das Erscheinungsbild und die Bedienung spricht Personen an, die bisher mit Microsoft Office gearbeitet haben. Hier fühlen sich Freunde der Ribbon-Bar zu Hause. Die Menüs sind nicht überfrachtet, weshalb sie auch von Einsteigern leicht zu bedienen sind. Das gesamte Design von ONLYOFFICE empfinde ich als freundlich, einfach und aufgeräumt. Alles wirkt ein wenig einfacher und stylisher als in LibreOffice, obwohl nur Nuancen dazwischenliegen.
Ausprobieren
Ich kann euch hier viel erzählen, wenn der Abend lang ist. Statt ONLYOFFICE selbst zu installieren, bietet euch der Hersteller eine noch einfachere Testmöglichkeit. Auf dieser Seite könnt ihr alle OO-Anwendungen im Webbrowser ausprobieren. Die Demo-Anwendungen sind bereits mit Inhalten geladen, wodurch ihr nicht erst eigene Daten eingeben müsst. Sogar das kollaborative Arbeiten wird in der Demo simuliert.
Empfehlung
ONLYOFFICE Desktop Editors ist eine gute Office-Suite für den GNU/Linux-Desktop. Das Paket muss sich nicht hinter dem Platzhirsch LibreOffice verstecken, sondern wirkt in manchen Bereichen einfacher und aufgeräumter. Zwar reicht OO nicht an den Funktionsumfang von LO heran; für die meisten Anwender:innen reichen die Möglichkeiten aber vollkommen aus.
Nachtrag
Aufgrund eines Kommentars von mgm (siehe unten) bin ich der Frage nachgegangen, wer denn hinter ONLYOFFICE steckt. Die Software wird von der Firma Ascensio System SIA entwickelt, die ihren Hauptsitz in Riga, Lettland hat. Sie ist ein Tochterunternehmen der russischen Firma New Communication Technologies, die 2021 in P7-Office umbenannt wurde und hat ihren Sitz in Nizhny Novgorod.
Bei der Firma Soft Xpansion habe ich noch das hier gefunden:
Der Sicherheitsdienst von soft Xpansion hat das Unternehmen Ascensio System SIA (Entwickler des Softwareprodukts OnlyOffice) analysiert. Trotz der Registrierung von Ascensio System SIA in Lettland hat das Unternehmen russische Wurzeln und hat keine spezifische Position zur Verurteilung der russischen Aggression gegen die Ukraine geäussert. Darüber hinaus hat soft Xpansion keine Antwort von Ascensio System SIA auf eine offizielle Anfrage nach der Haltung von Ascensio System SIA zum Krieg in der Ukraine erhalten.
Ausserdem habe ich gesehen, dass Ascensio Systems SIA ein Mitglied der Open Source Business Alliance ist.
Ich möchte das nicht werten, sondern nur wiedergeben.
Quellen:
https://osb-alliance.de/news/vendor-lock-in-stoppen-mehr-freiheit-bei-der-dokumentenbearbeitung-mit-onlyoffice
https://flathub.org/apps/details/org.onlyoffice.desktopeditors
https://www.onlyoffice.com/de/
https://www.onlyoffice.com/de/see-it-in-action.aspx?from=default
Also ich nutze onlyOffice privat (Manjaro Plasma) schon seit Jahren ohne Probleme. Und in der Zwischenzeit auch auf dem Firmen Laptop mit Win10, obwohl dort eigentlich M365 vorgesehen ist.(hat seine Vorteile in der IT zu arbeiten)
Bis jetzt ist noch keinem aufgefallen, das meine Dokumente nicht mit MSO erstellt werden. ;-)
OnlyOffice bietet sehr wohl eine sehr umfassende, multilinguale Benutzeranleitung: https://helpcenter.onlyoffice.com/de/userguides/docs-de.aspx Die jeweiligen Links anklicken von:
Dokumenteneditor... Tabellenkalkulation... Präsentationseditor...
Ich wollte es vor ein paar Jahren mal nutzen, aber da fehlte die Druckvorschau. Und auf gut Glück wollte ich nicht drucken.
In den meisten Fällen reichen die alternativen Offices aus, aber wer ein bisschen mehr machen will steht dann doof da.
Ist OO nicht russischem Ursprung? Wie lässt sich die DSGVO auf deren Datenschutzerklärung abbilden? /e/OS hat es Mittlerweile auch in deren NextCloud Angebot integriert.
...Weil Sitz in Lettland (EU-Mitglied). Zudem quelloffen und Open Source.
Siehe Nachtrag am Ende des Artikels.
Mein Gott, was hat denn Produktiv Software mit Politik zu tun. Warum ist wichtig, wer die "richtige" Haltung einnimmt. Es ist erschreckend festzstellen wie sehr alles auf das reduziert werden soll, was gewisse Kreise gerne vorschreiben. (Achtung, nicht gegen den Autor gerichtet!)
Stimmt und endlich hat man die Erguesse dieses hetzers entfernt. Genau den selben Scheiss laesst er bei Linuxnews los, auch da musste geloescht werden. Selbst nach der Loeschung hoert er nicht auf unterschwellig zu hetzen.