Zusammenfassung der Petition:
Der Petent fordert die Europäische Union auf, ein auf Linux basierendes Betriebssystem namens „EU-Linux“ aktiv zu entwickeln und es in den öffentlichen Verwaltungen aller EU-Mitgliedstaaten einzuführen. Ziel dieser Initiative sei es, die Abhängigkeit von Microsoft-Produkten zu verringern, die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sicherzustellen und die Transparenz, die Nachhaltigkeit und die digitale Souveränität in der EU zu fördern. Der Petent erachtet es als wichtig, quelloffene Alternativen zu Microsoft 365 wie LibreOffice und Nextcloud zu nutzen, und schlägt die Einführung des mobilen E/OS-Betriebssystems für staatliche Geräte vor. Außerdem hebt er das durch diese Initiative entstehende Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen im IT-Sektor hervor.
Die Ausgaben für proprietäre Software-Lizenzen sind in der deutschen Bundesverwaltung in den letzten Jahren steil angestiegen. Obwohl der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dieses Jahr die Bekanntgabe der Zahlen verhindern wollte, kamen sie doch heraus. Die Ausgaben für Lizenzen für Computerprogramme und IT-Services sind im Jahr 2022 von 771 Millionen Euro auf über 1,2 Milliarden im Jahr 2023 gestiegen. Das entspricht einer Zunahme von 57 Prozent. Rechnet man das auf das Jahr 2024 hoch, ergeben sich Kosten von knapp 1,9 Mrd. Euro. Gleiche Verhältnisse vorausgesetzt, ergibt das für ganz Europa einen Betrag von ca. 10 Mrd. Euro. Von diesem Betrag erhält die Firma Microsoft ungefähr 200 Mio. Euro (Deutschland), was hochgerechnet gut 1 Mrd. Euro für Europa ergibt.
Von den Gesamtausgaben entfallen laut Netzpolitik.org 99,5 % auf proprietäre Software und 0,5 % auf Freie Software. Diese Zahlen müssen mit Vorsicht betrachtet werden, weil sie von FDP-Ministern (im letzten Beispiel von Volker Wissing) als Verschlusssache deklariert wurden. Wie dem auch sei, zeugen die Zahlen nicht von der im letzten deutschen Koalitionsvertrag geäusserten Absicht, gemäss der man sich zugunsten der digitalen Souveränität von proprietärer Software unabhängig machen und stattdessen vermehrt auf Open-Source-Lösungen setzen wollte.
Nun ja, die aktuelle deutsche Bundesregierung ist Geschichte und wird sehr wahrscheinlich bei den Neuwahlen im nächsten Jahr durch eine CDU-dominierte Regierung abgelöst werden. Ich habe meine Zweifel, ob die 0.5 % für Freie Software noch weiter gedrückt werden können, befürchte es jedoch. Tatsächlich ist die Abhängigkeit von den grossen Tech-Firmen so weit gediehen, dass ich mir keinen mittelfristigen Ausweg daraus vorstellen kann.
Was passiert eigentlich, wenn Deutschland oder Europa beim Trio Trump/Vance/Musk in Ungnade fällt? Sie könnten Exportbeschränkungen für Software gegenüber Europa erlassen. Nicht unbedingt um die heimische Softwarewirtschaft zu fördern (was nicht der Fall wäre), sondern um andere politische Interessen durchzusetzen.
Habt ihr Behörden und Unternehmen in Europa, die Microsoft 365 einsetzen? Wäre doch schade, wenn die von heute auf morgen mit EU-Linux arbeiten müssten. Möchtet ihr nicht lieber die Import-Zölle für US-Waren aufheben?
Abgesehen vom krassen Missverhältnis bei den Software-Ausgaben, welche das Bekenntnis zu Freier Software und digitaler Souveränität zum Lippenbekenntnis machen, ... oh, wait ... ist das vielleicht das Eingeständnis, dass man gar nicht mehr anders kann, weil die Abhängigkeit bereits zu gross geworden ist?
Was ist nun von der Petition zu halten? Ich denke, gar nichts. Was soll denn ein EU-Linux sein? Das
Abilian Innovation Lab sieht folgende Vorteile:
Ein souveränes EU-Linux würde mehrere Vorteile bieten:
- Bereitschaft und Flexibilität: Durch die Nutzung der ausgereiften, anpassungsfähigen Linux-Architektur könnte eine EU-spezifische Distribution auf die besonderen rechtlichen Anforderungen zugeschnitten werden.
- Wirtschaftliche Effizienz: Die Umstellung von kostspieligen proprietären Lizenzen auf Open-Source könnte die Ausgaben senken und die Mittel in Innovation und lokales IT-Wachstum umlenken.
- Erhöhte Sicherheit: Als quelloffenes System bietet Linux Transparenz und Nachvollziehbarkeit, sodass EU-Experten für Cybersicherheit proaktiv Schwachstellen erkennen und beheben können.
- Interoperabilität: Die Kompatibilität von Linux mit offenen Standards würde eine effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Austausch von Daten innerhalb der EU ermöglichen.
- Digitale Souveränität und Datenschutz: Durch die Kontrolle des Betriebssystemcodes könnte die EU die Daten ihrer Bürger besser schützen und die Abhängigkeit von ausländischen Systemen verringern.
Die genannten Gründe sind keine Besonderheit einer EU-Linux-Distribution, sondern treffen generell auf Linux-Distros zu. Man könnte argumentieren, dass der Linux-Kernel, bzw. bestimmte Linux-Distribution nicht frei von staatlicher Einflussnahme sind. Erst kürzlich hatten wir den Fall des Ausschlusses von Maintainern, die für bestimmte russische Firmen arbeiten. Wenn das die Angst ist, könnte man sich auf existierende europäische Distributionen beschränken oder auf solche, die gegen staatliche Einflussnahme immun sind. Falls es die gibt: Hallo Debian, Fedora, Arch, Ubuntu.
In der Petition wird auch die Einführung des mobilen /e/OS-Betriebssystems für staatliche Geräte vorgeschlagen. Hut ab, dass sich überhaupt jemand traut, ein alternatives Betriebssystem für Smartphones vorzuschlagen. Ob /e/OS die richtige Wahl ist, wage ich stark zu bezweifeln. Insbesondere, weil das Murena-Angebot seit einem Monat mit massiven Problemen kämpft. Die Frage nach einem souveränen Smartphone-Betriebssystem halte ich für wesentlich schwieriger als die Frage nach einer europäischen Linux-Distribution.
Die Petition hat zurzeit knapp 1300 Unterstützer, also fast Null. Dennoch werde ich die Petition unterstützen, weil sie in die richtige Richtung zeigt.
Bildquelle: ChatGPT "Erstelle ein Bild mit einem Tux Pinguin auf der EU-Flagge"
Quellen:
https://www.europarl.europa.eu/petitions/de/petition/content/0729%252F2024/html/-
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800
https://lab.abilian.com/Tech/Linux/Sovereign%20OS%20-%20%22EU%20Linux%22/
https://community.e.foundation/t/update-on-murena-io-service-outage/61781
> "Die genannten Gründe sind keine Besonderheit einer EU-Linux-Distribution, sondern treffen generell auf Linux-Distros zu."
Das stimmt schon, aber ich denke dass ein solches Label vertrauenerweckend wäre und auch klar machen würde, worum es geht. Ähnlich wie es bei Scientific Linux war oder bei Edubuntu oder Skolelinux, die ja auch "nur" auf bestehenden Distris aufbau(t)en.
Allerdings... Ob das wirklich kommt, da bin ich nicht sehr optimistisch.
Am besten wäre eine US-Linux-Distro, der es mehr um Ersatzsinn und politische Agenden als um ein rundes Produkt geht. ;) Man sieht ja am Linux-Kernel, wie gut der Firmensitz sich bewährt hat, und an anderen Projekten, was passiert, wenn man sich mit nicht sachbezogenen Agenden selbst zerlegt.
Mein Vorschlag: ein EU-Linux, basierend auf busybox (oder BSD coreutils wie Chimera Linux), musl libc und s6 suite (Laurent Bercot ist ein "grumpy frenchman" und sein s6 ist "systemd done right"). Alternativ dinit, seatd und turnstile. Das würde die Amis schön ärgern!
Es sollte auch von der anderen Seite gedacht werden - meiner Meinung nach. Software sollte möglichst Distributionsunabhängig gestaltet sein. Wer ein Produkt verkauft, muss auch einen Linuxtreiber dabei haben. Oder, falls es die Hardware hergibt, ein Weginterface, dann ist es unabhängig vom OS.
Wenn ich unter Linux meine Software nutzen kann, dann nutze ich auch Linux. Linux als Pflicht und dann gibt es keine Software für, das bringt wenig.
Wäre schön, aber wird nicht kommen, da Big Tech gut dagegen lobbyieren wird, so wie es in München passiert ist. Der Stadtrat von München wollte auch auf Microsoft Produkte verzichten und auf Open Source Projekte setzen. Nach kurzer Zeit ist man wieder zu Microsoft gewechselt und ganz zufälligerweise hat Microsoft dann viel Geld in München investiert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
GrapheneOS oder LineageOS sehe ich persönlich alltagstauglicher als e/os.
GrapheneOS und DivestOS. Laut Kuketz sind das die beiden sichersten. Letzteres für Geräte, auf denen GrapheneOS nicht installiert werden kann.
Red Hat gehört zu IBM.
Wird höchste Zeit, dass sich die EU emanzipiert - auch und gerade IT-technisch.
Das wird bei dieser EU nicht passieren. Warum sollten sie auch?
Get away from your dependence on Microsoft. The state should not be in strategic dependence on a private company. Linux operating systems are secure and functional.
Chancen hat sie vielleicht nicht allzu große, aber zu halten ist von der Petition m. M. n. sehr viel – eine einheitliche Basisinstallation (die dann beliebig ausgestaltet werden kann), mit der Software-Hersteller rechnen und testen können; Förderung gemeinsamer Standards und Software … super. So wie Limux oder lokale spanische Distris oder skolelinux, nur eben nicht jeder für sich. Müsste ja gar nicht krass musl-basiert sein oder so (aber warum nicht? Alpine?), aber auf Debian basierend (skolelinux, Univention), das wäre schon fein!
Das wird nicht und auch wird niemals funktionieren, weil jede staatliche Behörde oder Einrichtung des Öffentlichten Rechts Ihre speziellen Anwendungen benutzt, die nun mal auf MS hingestrickt wurden.
Kann man dann auch für die nächste Version umbauen lassen oder vielleicht klappt es auch mit Wine. Wenn man nicht damit anfängt, wird's aber definitiv nix.
Das wird niemals funktionieren und ist daher auch nicht wirklich wert für eine Unterstützung. Das Problem hierbei ist allein schon die Definition: Was ist denn wirklich "Linux"? Und was wäre dann ein "EU-Linux"? Wenn das verbunden werden würde mit der ebenso notwendigen, kritischen Betrachtung der inkludierten Software-Pakete, wäre vielleicht eine bessere Basis geschaffen. Beispielsweise: Der Kernel selbst. Ein eigener Fork (mit Orientierung upstream, demnach kein sog. "Hard-Fork")? Keine Inklusion von zu vielen Projekten, die nur von Unternehmen nach vorne getrieben werden. Damit wären systemd und Andere bereits auf dem kritischen Prüfstand. Wenn überhaupt schmale, grafische Umgebungen und nicht ebenfalls aufgeblähte Projekte wie Gnome oder KDE. Vielleicht sogar eine Umgebung erstellt ebenso in Eigenregie basierend auf einem Window-Manager mit Erweiterungen, die dann ebenso quelloffen der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden.
In Summe eben: Es gibt sie ja, die Bemühungen. Codeberg beispielsweise zeigt doch, dass es funktioniert zumindest einen Gegenpol zu Github entwickeln zu können. Damit aber allein nicht genug: Das Finanzierungsmodell ist ebenso wichtig. Wenn die EU das nur als Wille später proklamiert, brauchen wir hier gar nicht weiter diskutieren. Es muss dann auch gewährleistet sein, dass Entwickelnde und Beteiligte auch eine finanzielle Basis haben. So sollten sich nicht nur Behörden dann abgeschottet an der Enticklung beteiligen sondern das Ganze muss auch wirklich offen geschehen. Gelebte Demokratie in digitaler Form, zugleich auch damit eine Basis für Vorhaben zum Umweltschutz, weil eben nicht nur die aktuelle Hardware notwendig wird. Gediegen gut definierte Anforderungen mit klaren Abgrenzungen. Wenn das nicht passiert und es bei der pauschalisierten Forderung zu einem "EU-Linux" bleibt, ist das Vorhaben zwar "nett" aber "nicht hilfreich". Es bestehen dann ebenso wieder Abhängigkeiten, die politisch (leider) in der aktuellen Zeit genutzt werden und werden könnten. Ja, das ist bedauerlich und sollte so nicht sein. Aber wir müssen auch diesen Tatbestand einkalkulieren: Linux ist derweil zu fragmentiert und genügend Organisationen haben auch ihr Engagement verfehlt für freie, demokratisch orientierte Software einzutreten. Sie hätte es ihrer Definition nach machen müssen, haben sie aber nicht.
Ein fauler Stamm kann keine süßen Früchte tragen. Wenn also eine neue Linuxdistribution mit zwangsweise eingetriebenen Geldern finanziert werden soll, obwohl es schon vom Markt her finanzierte und verfügbare Alternativen gibt, ist das erst einmal Verschwendung von volkswirtschaftlichen Ressourcen und dann auch noch eine Machtzunahme für die Zentrale. OK - sie werden es sowieso nicht tun und wenn doch dann damit scheiteren, also stellt sich die Frage nicht. Wir brauchen kein GovernmentLinux - und eigentlich auch keine so fette EU (bzw. die glücklichen Schweizer brauchen sie gar nicht - UK auch nicht mehr :-) )
>Gelebte Demokratie in digitaler Form, < Demokratie ist Mitbestimmung - also meine Stimme 1/80Mio - ich will Selbstbestimmung d.h. meine Angelegenheiten selbst entscheiden können. Auf einer gängigen Linuxplattform kann ich das. (Mit dem verbliebenen kumuliert 35-40% Netto weitgehend auch)
Das gesagt, finde ich es wichtig, daß mit öffentlichen (d.h. Steuer) Geldern produzierte Ressourcen öffentlich zugänglich sein sollen. IN den USA ist das so - darum sind die NASA-Bilder vom Mond gemeinfrei genauso wie alles Kartenmaterial der öffentlichen Vermessung. Der Einsatz von quelloffener Software in der öffentlichen Verwaltung ist in hohem Maße sinnvoll und sollte gefördert werden. Aber halt mit einer vernünftigen Fertigungstiefe.
Dein Kommentar impliziert hier bereits schon zu Beginn eine fehlerhafte Implikation: Steuern können zur Disposition gesetzt werden, aber im Großen sind sie notwendig um überhaupt als Gesellschaft handlsungfähig gegenüber der Gemeinschaft zu sein. Sie nur als "zwangsweise eingetriebene Gelder" zu bezeichnen ist Unsinn.
Die verfügbaren vom Markt her finanzierten Alternativen sind dann auch eben nur Projekte, bei denen du als Individuum keinerlei Einfluss hast. Die gängigen Linuxplattformen bieten dazu kaum bis gar keine Möglichkeiten an. Es sei denn du modifizierst diese und genau darüber habe ich initial geschrieben.
Damit dann zum letzten Teil: Wenn also "zwangsweise eingetriebene Gelder" auf der einen Seite "überflüssig" oder deinerseits als "fauler Baum" bildhaft in Szene gesetzt werden, warum willst du dann auf "Markt-regulierte Software" zurückgreifen? Der Markt regelt hier tatsächlich gar nichts. Das Gegenteil ist der Fall: Der "faule Baum, der keine süßen Früchte tragen wird" ist hier schlussendlich bereits existent mit den gängigen Linuxplattformen, die zum Einen viel zu viele fragwürdige Projekte und zum Anderen bereits problembehafteten Abhängigkeiten unterworfen ist - sowohl technisch als auch politisch. Dabei wird ja gerne die Behauptung genutzt All das müsse "politisch neutral" sein. Ist es eben nicht: Weder war es das jemals noch ist das. Es wäre sicherlich eine Debatte wert wie die EU als System weiter funktionieren sollte und wie der politische Spielraum aussehen soll. Die Idee der EU selbst ist es aber wert und als Idee muss sie auch weiter gestaltet werden und nicht wieder den Rückfall in Einzelstaaten, de sich dann nationalistisch früher oder später sogar noch attackieren.
Ein (wirklich) freies, eigenes Systemprojekt, an welchem auch Menschen mitwirken können, offen entwickelt. Genau das habe ich beschrieben. Ansonsten ist die Idee "EU-Linux" nicht viel wert und "gängig Linuxplattformen auf dem Markt" auch nicht. Wie gesagt: Der "Markt" regelt hier gar nichts.
Aus welchem Grund sollte man eine Steigerung von 57 %, die von 2002 bis 2023 entstanden ist, in gleicher Höhe auf das Jahr 2024 hochrechnen können? Irgendwas stimmt da nicht 🤨
Sorry, Tippfehler. Habe ich korrigiert (2022 statt 2002).