Die Podcast-Folge "Logbuch Netzpolitik 517" hat mich zu diesem Wochenend-Artikel inspiriert. Darin reden Linus Neumann und Tim Pritlove vortrefflich über die USA-Abhängigkeit und die Notwendigkeit europäischer Souveränität. Es mag an Aluhüte erinnern oder eine falsche Einschätzung der neuen Realitäten sein. Von mir aus könnt ihr mir auch Verschwörungsideen unterstellen. Ich halte die Einordnung von Linus und Tim für zu optimistisch.
Die alten und neuen Autokraten und Diktatoren (Trump und Putin) haben eines gemeinsam; sie haben immer das gemacht, was sie angekündigt haben. Das wollte niemand glauben, weil die Ankündigungen unglaublich waren. Und dennoch haben sie es gemacht. Und dieses Primat des Handelns (erst schiessen, dann fragen) wird nun gerne von anderen Autokraten kopiert, weil es durch die Weltmacht USA legitimiert wurde. Orban, Erdogan, Vučić, Le Pen, Meloni und Weidel reiben sich die Hände, weil jetzt alles geht. Die bisherige Weltordnung wurde in wenigen Wochen vom Genossen Krasnov und seinem Clown eingerissen. (Achtung: Krasnov ist eine Verschwörungserzählung).
Die langsame Einsicht
Die Europäische Union hat die neue Herausforderung (den neuen Feind) erkannt. Die Schuldenbremse wurde gelöst; "Europe first" ist das Gebot der Stunde (oder besser gesagt, der nächsten Jahrzehnte). Emmanuel Macron bietet einen europäischen atomaren Schutzschild an. Die Gefährdeten (Baltikum, Finnland und Polen) hyperventiliere noch. Währenddessen besprechen Putin und sein Genosse Krasnov, wie sie der Welt die Kapitulation der Ukraine als persönliche Siege verkaufen können.
Was niemand für möglich hält
In dieser Situation liegt das Augenmerk auf der kritischen Infrastruktur. Seekabel werden von Schattenflotten zerstört, China kann jetzt Kabel in 4000 Metern Tiefe zerschneiden, die amerikanische und russische Propaganda beherrscht die europäischen Leitmedien. Die USA haben sich in wenigen Wochen zur erratischsten Nation der Erde gewandelt, ohne dass 50 % der demokratischen Bevölkerung einen signifikanten Widerstand zeigen.
Jetzt ist Europa gefragt, weil wir alleine sind. Niemand wird uns helfen. Die USA werden Grönland annektieren. Putin wird die Ukraine vollständig einnehmen und danach das Baltikum überfallen. Europa ist auf vielen Ebenen schwach:
- Es gibt die innere Schwäche in den EU-Staaten. Die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative) ist nicht mehr in der Lage, die Bevölkerung vor den Gesellschaftsfeinden (Afd, FPÖ, SVP) zu bewahren.
- Flintenuschi ist nicht fähig, autokratischen Staaten in Europa die Instrumente zu zeigen: Ungarn, Türkei, Serbien. Können wir diese Länder sich selbst überlassen oder an Putin verkaufen? Jetzt könnte Ursula von der Leyen ihrem Spitznamen endlich gerecht werden.
- Bei den internationalen Beziehungen scheint die EU eine starke Position einnehmen zu wollen. Die Gesetzgebung im digitalen Sektor wird vom Rest der Welt mit Erstaunen zur Kenntnis genommen und kopiert. Bei der Wirtschaft würde ich mir etwas mehr MEGA wünschen (Make Europe Great Again). Und zwar nicht mit einem Clown-Kabinett, sondern mit einer breiten gesellschaftlichen Abstützung. Die dafür notwendige Kompromissbereitschaft sehe ich nicht als Problem, sondern als Notwendigkeit.
Blackout
Wie so oft im Artikel zum Wochenende rede ich ewig um den heissen Brei herum, bringe die Leserschaft gegen mich auf und verzögere das Offensichtliche. Also dann: Kennt ihr das Buch Blackout von Marc Elsberg? Der in der Gegenwart spielende Roman erzählt über einen Zeitraum von zwei Wochen die katastrophalen Auswirkungen eines grossflächigen Stromausfalls in Europa.
Könnte das auch mit digitaler Infrastruktur passieren? Hören wir uns an, was Donald Trump dazu sagt:
Hinweis: Das ist natürlich ein KI-Fake. Mir ist es leider nicht gelungen, Trumps Stimme korrekt zu generieren. Für die guten Generatoren wollte ich nicht eure Spendengelder verschleudern.
Wenn wir dem Logbuch Netzpolitik glauben, ist dieses Ereignis unwahrscheinlich. Wenn wir dem gesunden Menschenverstand und der Geschichte vertrauen, ist dieses Ereignis unwahrscheinlich. Wer auf die internationalen Geldflüsse schaut, hält es für unwahrscheinlich, dass so etwas geschieht. Wer die Zeitenwende ernst nimmt, kann sich dieses Ereignis vorstellen.
Klopf, klopf, aufwachen, liebe Leser und Leserinnen. Wenn Elon die Sicherheit des Signal-Messengers wiederherstellen soll, wenn die Trump-Regierung unter anderem diese Wörter in offiziellen Dokumenten verbietet:
- Frauen → verboten
- zugänglich → verboten
- Barrieren → verboten
- saubere Energie → verboten
- Klimawissenschaft → verboten
- Gleichheit → verboten
- gerecht → verboten
- weiblich → verboten
- historisch → verboten
- Pronomen → verboten
- und ca. 200 weitere Worte
... dann ist auch ein Microsoft-Bann für Europa möglich.
Ohne Microsoft
Wie ihr in meiner gefälschten Aufnahme gehört habt, wird die US-Regierung früher oder später die Verwendung von Microsoft-, Apple- und Amazon-Diensten in Europa verbieten. Wer die Verwendung des Wortes "Frauen" in Dokumenten der öffentlichen Verwaltung verbietet, wird euch auch die Verwendung von Microsoft-Office verbieten. Ich sehe eure Kommentare vor meinen Augen, dass ich jetzt völlig ausgeflippt bin und mich in Betreuung begeben soll. Was weiss ich?
Doch angenommen, es kommt so. Was macht ihr dann, bzw. euer Arbeitgeber?
Wer bei IBM, Oracle oder Microsoft einkauft, wurde noch nie entlassen!
Falls dieses Szenario eintritt (Elon befiehlt Trump, MS365 für Europa abzuschalten), stehen fast alle dumm da. Dann läuft in eurer Schule, Uni, Organisation, Verwaltung, Firma nichts mehr. Ausser, ihr habt frühzeitig einen Exit-Plan erarbeitet. Dazu später mehr. Wie sieht es eigentlich mit der Verantwortung und der Haftung in diesem Fall aus?
In Deutschland werden Klima-Aktivisten als kriminelle Vereinigung angeklagt. Wann wurden IT-Leiter als Risiko für die nationale Sicherheit verurteilt? Noch nie! Also bemühe ich noch einmal die KI, um einen Aufruf an IT-Leiter zu formulieren, die auf Microsoft vertrauen. Die ausführliche Begründung von Perplexity habe ich weggelassen; hier ist nur das Fazit:
Europäische IT-Leiter sollten ihre Strategie überdenken und eine diversifizierte IT-Landschaft fördern, um die digitale Souveränität zu sichern. Die ausschließliche Nutzung von Microsoft-Produkten gefährdet nicht nur die wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern auch die nationale Sicherheit Europas. Ein Umdenken hin zu offenen und europäischen Technologien ist dringend erforderlich.
Habt ihr eine Exit-Strategie?
Butter bei die Fische! Hat euer Arbeitgeber eine Exit-Strategie oder bleibt ihr im Bett liegen, wenn nichts mehr geht? Fragt eure IT-Chefin doch einmal, was sie macht, wenn ihr der Teppich unter den Füssen weggezogen wird. Ich könnte eine solche Exit-Strategie in diesem Artikel grob skizzieren, wozu ich keine Lust habe (der Artikel würde auch zu lang).
Viel wichtiger ist mir die Erwartung der Betroffenen:
- Herr Meier sagt: "Wenn mein Excel nicht mehr aussieht wie mein Excel, kann ich nicht mehr arbeiten."
- Frau Müller meint: "Ich kann nur Adobe Creative Cloud. Wenn ich etwas anderes verwenden soll, verlange ich eine Umschulung."
- Schmidt weigert sich, ein anderes Betriebssystem zu verwenden: "Das steht nicht in meinem Arbeitsvertrag."
Wenn es zu einem harten Exit kommt, reden wir nicht über Befindlichkeiten der Belegschaft, sondern über das Überleben des Unternehmens. Ein Verschwinden der gewohnten Anwendungen schaltet eine Organisation in den Krisenmodus. Mein alter Chef bei der UBS hat einmal gesagt: "Im Frieden wird partizipiert; im Krieg wird befohlen."
Ja, was denn?
Wie geschrieben, persönliche Wünsche und Gewohnheiten sind in einer solchen Situation nicht angebracht. Hoffentlich laufen eure Fachanwendungen im Web und nicht als 90er-Jahre Client-Server-Lösungen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, der noch alle Tasten im Schrank hat, kommt mit einem Linux-Desktop mindestens genauso gut zurecht wie mit MS Windows. Bei den Applikationen, die zwingend lokal installiert werden müssen, würde ich massive Schulungen anbieten. Wer dabei mit Mimimi kommt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden und kann sich für den goldenen Fallschirm entscheiden (oder auch nicht).
Titelbild: https://pixabay.com/illustrations/blackout-power-failure-energy-7515843/
Quellen:
Bitte mehr Linux wagen (träum)!
Mein Arbeitgeber aka Schule ist komplett abhängig von US-Firmen, weil deren Produkte ja zuverlässig sind und Excel "Standard", den man ja nicht ersetzen könne. 🤦♂️
Aber dadurch habe ich den Vorteil, dass ich normal weiter unterrichten kann, wenn Microsoft & Co. wegfallen, da ich alles auf Linux lokal oder auf eine Nextcloud in Deutschland habe. Ich schließe meinen Laptop an, Grafiktablett dazu und fertig. 🤷♂️
Eine große Konsequenz hätte es allerdings: ich käme aus dem Lachen aus Schadenfreude nicht mehr raus, weil ich seit Jahren empfehle, Alternativen zu prüfen, wenn man sie schon nicht einsetzt: "ich hatte dahingehend informiert."
Oh ich mag solche "Verschwörungs-Theorien". 😁 Doch leider ist mehr dran als man meint. Ich sehe für ganz viele Firmen, Schulen und andere Behörden sehr schwarz. 🙈 Aber Angst habe ich keine. Die ganze Strasse mag dunkel sein, aber bei mir brennt noch Licht! 😂 So wie bei "Warlock" aus "Die Hard 4". 😁
Ich teile Deine Befürchtungen bzgl. Microsoft, Apple und Amazon und halte diese Szenarien nicht für unwahrscheinlich.
Aber m.E. bestehen auch erhebliche Gefahren für das Open-Source-Ökosystem durch die Wahnsinnigen im Weißen Haus.
Und es geht ja schon los:
https://www.heise.de/news/Nach-Trump-Dekret-Kampf-um-US-Foerdermittel-fuer-Tor-F-Droid-und-Let-s-Encrypt-10328226.html
usw ...
Wahrscheinlich wird man da schneller Ausweichmöglichkeiten finden, als wenn MS365, Microsoft Azure oder Amazon AWS für Europa abgschaltet werden ... aber trotzdem .... ein ungutes Gefühl verbleibt, zumindest bei mir ...
Ich bin immer wieder überrascht, daß der Adobe/Trump/Venezuela Fall so schnell in Vergessenheit geraten ist und heute kaum jemanden wirklich zu interessieren scheint. Er fehlt auch oft in diesen Auflistungen negativer Beispiele https://www.heise.de/news/Adobe-schaltet-seine-Creative-Cloud-in-Venezuela-doch-nicht-ab-4563862.html
Privat ist hier die letzte Windows Partition so um ca. 2010 herum in die Ewigen Jagdgründe eingegangen. In der Firma haben wir allerdings (noch) W10. Die "Fachanwendungen" laufen auf einem virtualisierten Unix, und dieses wiederum auf einem physischen Linuxserver. MSOffice haben wir -glaube ich- (k.A. welche Version, aber manchmal wird Excel angeworfen).
Bedauerlicherweise darf ("zur Sicherheit!") neuerdings nichts mehr installiert werden, so dass im Ergebnis die guten OS Tools halt zunehmend vor sich hin bröseln, was mir aber herzlich egal ist. Mehrfach hatte darauf hingewiesen, und bis zum "Herbst" von W10, in dem bekanntlich neu gewürfelt wird, oder evtl. auch nicht, können die mich ...und alles andere 😇️
Wow was für ein Szenario. Das sollte mal jemand Herrn Elsberg pitchen. Könnten die Unternehmen einen selbstständigen EU Ableger gründen und hier weitermachen?
Zugegeben, ich hab besagten Podcast nicht gehört. Aber ich sehe nicht, warum ausgerechnet Trump einem US-Unternehmen die Geschäfte verbieten soll. Wir sind in so vielen Bereichen von anderen Ländern abhängig. Wenn China seine Rohstoffexporte einstellen würde, wäre es bei uns subito vorbei mit Chips für allerlei oder erneuerbarer Energieerzeugung. Wenn die Petrostaaten wollen, bricht unser Gesellschaftssystem wegen fehlender Treibstoffe zusammen. Und es gibt bestimmt dutzende oder hunderte weitere Beispiele. Wir müssen nur hoffen dass das nicht passiert, weil sich diese Länder mit solchen Entscheiden selbst schaden würden. Das darf aber natürlich nicht heissen, dass es uns egal sein sollte. Gerade Software lässt sich ja verhältnismässig einfach selbst entwickeln und betreiben. Nur glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass das in absehbarer Zeit passieren wird. Die EU ist primär mit sich selbst beschäftigt, und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Deutschland zumindest einen substanziellen Teil der neuen Schulden zur Bekämpfung der Inflation verwenden wird, die die Schulden auslösen werden. Wenn überhaupt, wird das wohl eher ein langsamer, sukzessiver Prozess werden. Aber auch das wäre ja schon mal etwas.
In diesem Szenario zeigen sich die unschönen Auswirkungen der heute üblichen Distribution via Abo-Modell. Wie schön war es dagegen (ja, "Opa erzählt vom Krieg") als es noch so Dinge gab, wie käuflich zu erwerbende (und somit "zu besitzende") Installationsmedien (zunächst Disketten, später Silberlinge).
Auch hier zeigt sich der unmittelbare Vorteil von Open Source-Software (also dass, was Steve Ballmer mal als "Krebsgeschwür" beschimpft hatte) gegenüber dem vernagelten Mist: Sollte der Bananenstaat X, um etwas gegen den "Software-Terror" zu tun, den lokalen Mirror abschalten, dann nehmen wir in einem demokratischen Land eben einen anderen Mirror als Installationsquelle. Und wenn man das will, dann kann man sich sogar das gesamte Repo z.B. via apt-mirror auf einer lokalen Festplatte spiegeln, um hieraus ein Offline-System ganz ohne Internetverbindung zu installieren. Mit proprietären "Betrübssystemen" dürfte so etwas heutzutage eher schwierig werden.
Vermutlich nur auf deutsch funktioniert der Kalauer: "Tu's in die Cloud. Dann wird es dir geklaut."
Was den "Standard" angeht, finde ich solche Diskussionen stets erheiternd. Als das Format von OpenOffice 2008 zum ISO-Standard wurde, konnte Microsoft dies natürlich nicht auf sich sitzen lassen und hat mittels seiner Beziehungsmuskeln die eigene ISO-Zertifizierung durchgedrückt. Obwohl deren Format (nicht nur rein praktisch) inkompatibel zu sich selbst ist. Was hieran also ist ein "Standard"?
Moin,
och, abschalten? Erstmal an der Preisschraube drehen
Ich glaube nicht, dass die USA uns ihre IT-Dienste abklemmen, weil sie uns damit in die digitale Souveränität entlassen würden. Wie will man sonst Daten und Geld abschnorcheln und Wahlen beeinflussen? Man wird die digitale Kolonisierung Europas eher vorantreiben als beenden. Letzteres müssen wir schon selbst machen.
Moin
Ziemlich viele Verschwörungstheorien hier – und sehr, sehr klare Feindbilder. Es bleibt ein Rätsel, warum ausgerechnet die EU demokratischer sein sollte als die USA oder mit welchem Recht die EU einem Land wie Ungarn mit irgendwelchen Instrumenten etwas über Demokratie erzählen will. Alles sehr inkonsistent und – sorry – ziemlich verschwurbelt. Aber gut …
Ich teile seit vielen Jahren die Besorgnis über die massive Abhängigkeit Europas von den USA. Vielleicht kann dieser Verschwörungswahn ja tatsächlich zu etwas mehr europäischer Souveränität führen. Dann hätte das ganze Verschwörungsgeschwurbel zumindest einen positiven Nebeneffekt.
Beste Grüße
Peridot, das ist ein Wochenend-Artikel und die Verschwörungserzählungen erfolgten mit Ansage. Zumindest ist die Gewaltenteilung in den meisten EU-Ländern noch intakt; man hält sich an Gerichtsurteile. Das sehe ich in den USA nicht mehr.
Tor, openVPN und Frdoid werden (wurden) von der US Regierung finanziert? ich halte eher das für ein Problem und ist in Anbetracht der Vermögen die wikipedia und Mozilla mit Geld aus der Industrie angehäuft haben, eine Lachnummer der open source community.
witzig ist aber, dass das www.whitehouse.gov Zertifikat von Let's encrypt stammt und gerade erneuert wurde