Politischer Widerstand gegen die Chatkontrolle

  Ralf Hersel   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 1 Kommentar

Ministerien äussern vermehrt Bedenken gegen die Initiative der EU-Kommission.

politischer widerstand gegen die chatkontrolle

Gegen den Vorschlag der EU-Kommission, eine verdachtlose Massenüberwachung aller online Kommunikationskanäle einzuführen, formiert sich nun auch in der Politik Widerstand. Wir berichteten in der vergangenen Woche über die Causa Chatcontrol. Der Kampagne, um diesen Unsinn zu stoppen, haben sich mittlerweile mehr als 137'000 Unterzeichner:innen angeschlossen. Wer sich über die Hintergründe informieren möchte, dem sei diese Seite des Europaabgeordneten Patrick Breyer empfohlen.

Zensursula schlägt wieder zu

Wer das Thema lieber als Podcast hören möchte, kann sich die letzte Folge von Logbuch-Netzpolitik anhören. Der deutsche Justizminister Marco Buschmann äusserte sich im Magazin "Der Spiegel" dazu:

"Ich bin sehr skeptisch, was diesen neuen Entwurf angeht - sowohl rechtlich, aber gerade auch politisch. Digitale Bürgerrechte sind keine Bürgerrechte zweiter Klasse. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder die strenge Verhältnismäßigkeit heimlicher Ermittlungsmaßnahmen vor dem Hintergrund des besonders geschützten Brief- und Fernmeldegeheimnisses angemahnt." Sein Haus lehne "generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahmen privater Korrespondenz gerade auch im digitalen Raum ab".

Des Weiteren liess er verlauten: 

"Die Chatkontrolle auch nicht mit dem Koalitionsvertrag vereinbar". Denn das geplante Recht auf Verschlüsselung "müsste wohl für die Chatkontrolle umgangen werden". Man setze im Kampf gegen Kindesmisshandlung lieber auf "gut ausgestattete Strafverfolgungsbehörden, zeitgemäße und präzise Instrumente und auf Prävention".

Eine ähnliche Position vertritt der deutsche Minister für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing:

"Der Schutz von Kindern vor Missbrauch hat für mich höchste Priorität. Gleichzeitig müssen wir digitale Bürgerrechte schützen, dazu gehört ein Recht auf Verschlüsselung. Allgemeine Chatkontrollen sind nicht hinnehmbar. Wir brauchen einen geschützten Raum privater Kommunikation."

Obwohl sich der deutsche Kinderschutzbund (sic) zum EU-Entwurf bisher nicht klar geäussert hat, spricht doch diese Pressemitteilung der Schutzorganisation klare Worte und zeigt den richtigen Weg auf:

"Mit Fassungslosigkeit haben wir davon erfahren, dass das Bundeskriminalamt (BKA) es offenbar unterlässt, Bildmaterial von Kindesmissbrauch systematisch aus dem Internet löschen zu lassen."

Bislang gibt es innerhalb der deutschen Ampelkoalition nur wenig Unterstützung für die Pläne. Diese kommt vor allem aus dem von Nancy Faeser (SPD) geführten Innenministerium:

"Mit klaren Rechtsgrundlagen, verbindlichen Meldewegen und einem neuen EU-Zentrum können wir Prävention und Strafverfolgung EU-weit sehr deutlich stärken."

Während ich diesen Artikel schreibe, kommt gerade ein Update über Heise herein. Nancy Faeser hat es sich anders überlegt. Die mit der Initiative der Kommission verbundene Chatkontrolle lehne sie ab.

"Wir dürfen nicht in verschlüsselte private Kommunikation eingreifen und damit viele Menschen treffen, die mit diesen Taten überhaupt nichts zu tun haben."

Es gibt genügend Mittel, um dokumentierten Kindesmissbrauch zu unterbinden. Der Entwurf der EU-Kommission gehört nicht dazu. Er verwendet den Kampf gegen dokumentierten Kindesmissbrauch als Vorwand, um breitere Überwachungsziele durchzusetzen. Wahrscheinlich ist dies den federführenden Politiker:innen nicht einmal bewusst. Jede Politikerin, die sich von Fachleuten aus den Bereichen Kinderschutz und Netzpolitik in dieser Sache ernsthaft beraten lässt, kann zu keinem anderen Schluss kommen, als den Entwurf in Bausch und Bogen abzulehnen.

Auch in Österreich gibt es Gegenstimmen zum Entwurf. Lukas Mandl, ÖVP-Sprecher für Justiz und Sicherheit im Europaparlament, signalisierte zwar Zustimmung, warnte aber ebenfalls vor einer "Orwell'schen Welt."

Ich könnte diesen Beitrag noch mit hunderten weiteren Zitaten spicken. Was wirklich hilft, ist eurer Handeln gegen diesen gefährlichen Gesetzesvorschlag. Vor zehn Jahren haben wir es gemeinsam geschafft, Ursula von der Leyens Zensurgelüste zu verhindern; heute schaffen wir das erneut. Bitte unterzeichnet die Campact-Unterschriftensammlung:

Quelle: https://aktion.campact.de/datenschutz/chatkontrolle-stoppen/teilnehmen

Bildquelle: https://taz.de/!5106258/