Quad9 gewinnt gegen Sony

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten

Erfolg gegen Netzsperren: OLG Dresden gibt Klage von GFF und Quad9 statt.

quad9 gewinnt gegen sony

Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat der von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützten Berufung des DNS-Dienstes Quad9 im Verfahren gegen die Pflicht zur Einrichtung von Netzsperren stattgegeben. Die Entscheidung wurde heute veröffentlicht. Das Gericht hebt damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Leipzig auf.

Auf eine Klage der Sony Music Entertainment Germany GmbH hatte das Landgericht Quad9 als Täterin vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen Dritter verurteilt. Zugleich hebt das OLG die ebenfalls auf Antrag der Sony Music Entertainment Germany GmbH verhängte einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg aus dem Jahr 2021 auf. Diese Verfügung verpflichtete den gemeinnützigen Dienst, den Zugang zu einer Webseite zu sperren, auf der Links zu mutmaßlich urheberrechtsverletzenden Inhalten auf einer anderen Webseite gespeichert seien. Damit wurde Quad9 für Urheberrechtsverletzungen Dritter verantwortlich gemacht. Das Landgericht Leipzig ging noch über die einstweilige Verfügung hinaus und behandelte den gemeinnützigen Dienst so, als habe er selbst eine Urheberrechtsverletzung begangen. Das OLG Dresden hob die Entscheidungen der Landgerichte Hamburg und Leipzig heute auf.

Aus Sicht der GFF bedeutet das Urteil einen wichtigen Erfolg für die Informationsfreiheit im Netz und begrenzt die Haftungsrisiken für neutrale Internetdienste.

„Jetzt zahlt sich aus, dass Quad9 dem Druck von Sony Music auch nach zweieinhalb Jahren Rechtsstreit nicht nachgegeben hat. Das Oberlandesgericht korrigiert den gefährlichen Kurs des Landgerichts Leipzig, neutrale Internetdienste den Täter*innen einer Urheberrechtsverletzung gleichzustellen. Jetzt gibt es endlich Rechtssicherheit für DNS-Resolver", sagt Joschka Selinger, Rechtsanwalt und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Der gemeinnützige DNS-Resolver Anbieter Quad9 hat keine Kenntnis über die Inhalte, die Nutzer*innen mit seiner Hilfe aufrufen. Der datenschutzfreundliche Dienst übersetzt lediglich Domain-Namen in numerische IP-Adressen, damit sich Menschen Internetseiten aufrufen können, ohne sich IP-Adressen zu merken. Dementsprechend fällt der DNS-Resolver weder unter die Störerhaftung noch ist er als Täterin für Urheberrechtsverletzungen auf fremden Seiten verantwortlich zu machen.

Das OLG Dresden bestätigt diese Argumentation. Das OLG stellt klar, dass DNS-Resolver-Dienste nicht so behandelt werden dürfen, als würden sie durch die Übersetzung der Domain-Namen in IP-Adressen selbst Urheberrechtsverletzungen begehen. Zudem entschied das OLG, dass die Haftungsprivilegierung für Zugangsvermittler aus dem Telemediengesetz für DNS-Resolver-Dienste gilt. Damit entfällt auch eine Störerhaftung dieser Dienste. Schließlich sei Quad9 im konkreten Fall auch nicht zur Einrichtung einer Netzsperre verpflichtet, da Sony Music sich zuvor nicht ausreichend bemüht hat, gegen den Host-Provider der vermeintlich urheberrechtsverletzenden Webseite vorzugehen.

„Das Urteil nimmt die Rechteinhaber in die Pflicht. Sie müssen künftig mehr unternehmen, um Urheberrechtsverletzungen gezielt aus der Welt zu schaffen, bevor sie unbeteiligte Dritte in Anspruch nehmen. Wenn Urheberrechtsverletzungen gezielt beseitigt werden, statt das ganze Webseiten auf Zuruf gesperrt werden, profitieren davon Internetnutzer*innen und Rechteinhaber“, sagt Selinger.

Das Urteil stärkt die Informationsfreiheit der Internetnutzer*innen, da Netzsperren stets den gesamten Inhalt einer Domain betreffen und damit auch legale Inhalte gesperrt werden. Das Urteil dürfte auch Auswirkungen auf die Praxis deutscher Internetzugangsanbieter wie die Telekom, Vodafone und 1 & 1 haben: Diese sperren die streitgegenständliche Webseite derzeit freiwillig wegen einer Vereinbarung mit Verbänden der Unterhaltungsindustrie im Rahmen der „Clearingstelle Urheberrecht im Internet“ (CUII). Die Praxis der CUII steht nun auf dem Prüfstand, da das OLG klarstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sperrung dieser und anderer Webseiten nicht gegeben sind.

Update

Die Freude währte nicht lange, wurde doch von Anwälten des italienischen Ablegers von Sony sowie Universal Music Italy, Warner Music Italy und des Verbands der italienischen Musikindustrie eine neue Sperrliste bei Quad9 eingereicht. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden verlagern die Musikverlage offensichtlich ihre Verlangen nach Domain-Sperren in ein anderes europäisches Land.

Quellen:

https://freiheitsrechte.org/ueber-die-gff/presse/pressemitteilungen-der-gesellschaft-fur-freiheitsrechte/pm-erfolg-quad9

https://www.heise.de/news/Neue-Sperren-Kurzes-Glueck-ueber-Quad9-Gerichtserfolg-9568233.html

Tags

Quad9, Sony, Netzsperren, GFF

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