Serie: Musik-Streamer - Payday

  Ralf Hersel   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 7 Kommentare

Die Art und Weise, wie Streaming-Firmen die Künstler vergüten, ist undurchsichtig und schlecht vergleichbar. Dennoch gibt es hier einen Vergleich.

serie: musik-streamer - payday

Wer Musik-Streamer verwendet, ohne sich als asozial zu outen, ist daran interessiert, wie viel von eurem Monatsbeitrag an die Streaming-Anbieter bei den Künstlern ankommt. Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Zum einen ändern sich die Zahlen häufig, falls man sie überhaupt erfährt; zum anderen sind die Berechnungsmethoden der Firmen ziemlich unterschiedlich.

Zum Thema der Künstlerbezahlung habe ich bereits im Dezember einen Beitrag geschrieben. Doch die Serie über Musik-Streamer wäre unvollständig, ohne einen tieferen Blick in die Vergütungsmethoden der Streaming-Firmen zu liefern.

Bei headphonesty findet man ausführliche Berichte über die Vergütung der Künstler:innen (siehe Quellen). Ich habe aus diesen Recherchen eine Liste zusammengestellt:

Lesebeispiel: Qobuz zahlt für jedes gehörte Lied 0.043 $ an die Künstlerin aus (Stream pro User). Damit der Künstler 1000 $ verdient, müssen 23'255 Streams eines Titels von euch angehört werden. Die Tabelle habe ich auch als Säulendiagramm aufbereitet, weil man darin die Unterschiede deutlicher sieht:

Diese Zahlen sind mit grosser Skepsis zu betrachten. Zwar werden die beiden Indikatoren Pro Stream und wie viele Streams, um 1000 $ zu verdienen, oft verwendet, jedoch sind die Berechnungsmethoden der Musikstreamer unterschiedlich und ändern sich häufig. Um ein wenig Sicherheit in diesen Artikel zu bringen, habe ich weitere Statistiken gesucht:

Quelle: https://producerhive.com/music-marketing-tips/streaming-royalties-breakdown/

Beide Statistiken stammen aus dem Jahr 2023 und unterscheiden sich voneinander. Die Reihenfolge ist jedoch unverändert. Man darf nicht vergessen, dass das Auszahlen eines Betrags, von einem Mindeststreaming abhängt. Wenn du Künstler bist und dein Song nur einmal im Monat gestreamt wird, bekommst du gar nichts. Dafür sind 5- bis 7-stellige Streamingzahlen nötig. Diese Grafik zeigt es:

Quelle: https://www.soundmaximum.com/music-streaming-rates/

Ich bin zwar kein Journalist; dennoch versuche ich meine Artikel möglichst fundiert zu hinterlegen. Deshalb kommen jetzt noch mehr Zahlen.

Quelle: https://dittomusic.com/en/blog/how-much-do-music-streaming-services-pay-musicians/

Und weil es notwendig ist, habe ich noch mehr Zahlen ausgegraben:

Quelle: https://decibelpeak.com/which-streaming-service-pays-musicians-the-most/

Gemäss diesen Zahlen aus unterschiedlichen und aktuellen Quellen, zeichnet sich ein klares Bild ab. Napster, Qobuz und Tidal zahlen die höchsten Beträge an die Künstler und Künstlerinnen aus. Die Unterschiede sind mit einem Faktor von ca. 10 signifikant. Am unteren Ende der Skala liegen YouTube Music, Amazon Music und Spotify. Das korreliert perfekt mit der Marktmacht dieser Unternehmen.

Fazit

Falls die Bezahlung der Künstler und Künstlerinnen für euch ein wesentlicher Aspekt bei der Auswahl eines Musikstreaming-Dienstes ist, wisst ihr jetzt, woran ihr seid. Dennoch ist die Künstlervergütung nur einer von vielen Faktoren. In der Serie über Musik-Streamer - an der ich seit zwei Wochen arbeite - habe ich diese wesentlichen Kriterien erkannt (ohne Reihenfolge):

  • Bezahlung der Künstler:innen
  • Audio-Qualität
  • Benutzungsfreundlichkeit
  • Musikangebot
  • Konnektivität (inkl. Freier Software)
  • Abo-Preis

Bislang kann ich sagen, dass es keine beste Empfehlung für einen Musik-Streamer geben wird. Es hängt zu sehr von den persönlichen Präferenzen ab. Trotz vieler Kritikpunkte schlägt mein Pegel zurzeit in Richtung Qobuz aus, was sich ändern kann.

Egal, welche Kriterien euch wichtig sind, die Bezahlung der Künstler:innen sollte, unabhängig von euren Vorlieben, eine grosse Rolle spielen. Wenn die Schaffenden nicht ausreichend für ihr Schaffen bezahlt werden, gibt es für euch nichts mehr zu hören, ausser KI-generierter Musik.

Quellen:

https://www.headphonesty.com/2021/11/how-much-does-spotify-pay-per-stream/

https://www.headphonesty.com/2023/04/qobuz-vs-spotify/

https://docs.google.com/spreadsheets/d/1tk18Omjry9v9bjmW9eiQ5dn6VMjFISWBBSB3WcCEUHY/edit#gid=0

https://producerhive.com/music-marketing-tips/streaming-royalties-breakdown/

https://www.soundmaximum.com/music-streaming-rates/

https://dittomusic.com/en/blog/how-much-do-music-streaming-services-pay-musicians/

https://decibelpeak.com/which-streaming-service-pays-musicians-the-most/

Tags

Musik, Musik-Streamer, Künstler, Bezahlung, Vergütung

Christopher
Geschrieben von Christopher am 12. März 2024 um 09:46

Vielen Dank für die Mühen Ralf. Tolle Serie, wen gar ich nicht immer dakor war, aber am Ende passte alles. Mach mal frage ich mich bei all deinen Artikeln die du raus haust, wann du noch arbeitet und Zeit für die Familie findest. Bewundernswert! Ich könnte das aktuell nicht. Danke dafür!

Ralf
Geschrieben von Ralf am 12. März 2024 um 10:00

Hallo, bevor Künstler Geld bekommen, sind die Plattenfirmen vor, und hier vor allen Dingen die großen 3:Warner, Sony und Universal Music. Grüße Ralf

Naja
Geschrieben von Naja am 12. März 2024 um 10:02

Danke für diese aufschlussreiche Recherche, die mich erschreckt hat.

Weil ich schon länger ein schlechtes Gewissen habe, Spotify zu nutzen, kaufe ich immer mal wieder Musik. Ich überlege jetzt wirklich, den Account zu kündigen und das Geld für Musikkäufe zu auszugeben.

Patrick
Geschrieben von Patrick am 12. März 2024 um 23:05

Super Artikel-Reihe, vielen Dank! Ein wenig OT, aber weiß hier jemand, wie es mit der Entlohnung für Künstler aussieht, wenn ich Musik über Bandcamp höre/kaufe?

this.ven
Geschrieben von this.ven am 13. März 2024 um 08:34

Hi,

dieses traurige Bild der kommerziellen Musikindustrie ist anschaulich und faktennah dargestellt. Danke für das Zusammentragen und die Aufbereitung. Eine aktuellere ARD-Dokumentation mit dem Schwerpunkt auf Spotify bietet eine Einführung in das Thema und zeigt weitere Praktiken im Kontext von Musik-Streaming auf: https://www.ardmediathek.de/serie/dirty-little-secrets/staffel-1/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNlcmllcy85N2Q4ZmY0YS0yNDczLTRjYmItOTZhYi02Y2Q2NzQzY2NhMWE/1

Auch aus solchen Gründen ist für mich nie relevant gewesen meine eigene Musik über Big Tech und Co. in die Ohren der Menschen zu bringen und vielleicht können Ansätze wie Funkwhale und das Radio Free Fedi als Teil des Fediverse Künstler:innen dazu verhelfen in diesem Bereich digital souveräner zu sein bzw. zu werden.

Das ganze steht und fällt aber naturlich mit der Bereitschaft der Zuhörer:innen neue Wege zu gehen und respektvoll sowie wertschätzend mit der von Menschen für Menschen gemachten Musik umzugehen. Viele sind (inzwischen) nicht (mehr) bereit einen etwas unbequemeren Weg zum Musikgenuss zu gehen oder sehen digitale Erzeugnisse ohnehin als selbstverständlich und immer verfügbar in ihrem Alltag an.

Diese "Errungenschaften", wenn man es so nennen möchte, bescheren uns nicht zuletzt ständige Beschallung durch Smartphones und die anhaltende Entwertung von Kunstwerken in digitaler Form zu Konsumgütern. Nur die wenigen Puristen und hinterfragenden Streamer:innen mögen hier noch widersprechen. Diese Typen hast Du ja auch schon im Beitrag "Zum Wochenende: Frei und asozial, oder unfrei und sozial" erläutert und ich befürchte, dass es ggf. auch eine Generationenfrage ist, da CD-Player oder -Laufwerke Nieschentechnologie sind mit denen jüngere Menschen insbesondere auf dem Smartphone nicht automatisch in Kontakt kommen.

In diesem Sinn: Spotify, stream me up! -_-

dante
Geschrieben von dante am 18. März 2024 um 10:47

Etwas, was die Auswertung verzerrt, ist die Anzahl der zu erwartenden Streams. So kann das Einkommen für einen Künstler höher sein bei Spotify als bei Tidal, weil die Anzahl Nutzer und demnach die Streams deutlich höher ist. Dies trotz niedrigerem relativen Einkommen pro Stream zu absolut mehr Einkommen führen.

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 18. März 2024 um 10:53

Das ist richtig und steht auch so im Artikel.