Thunar erweitern

  Christoph   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 4 Kommentare

Drei Dinge, um den graphischen Dateimanager Thunar unter XFCE4 für mich besser zu machen.

thunar erweitern

TLDR;
    • Die verborgene Funktionalität «Shelldateien durch Doppelklick öffnen» reaktivieren,
    • die benutzerdefinierte Aktion: «Terminal hier öffnen» benutzen und ein Tastaturkürzel dafür festlegen sowie
    • die benutzerdefinierte Aktion «Pfad und Namen von markierten Dateien in die Zwischenablage kopieren» einrichten.

Kleine Vorgeschichte: Unter Windows habe ich gerne das Shareware-Programm «Windows Commander» als Dateimanager verwendet (Wenn ich mich richtig erinnere, wurde es im Zuge einer Kampagne der Firma Microsoft, ihren Markennamen zu schützen, in «Total Commander» umbenannt. Das muss zur selben Zeit gewesen sein, als WxWindows nach einer «freundlichen Aufforderung» in «WxWidgets» umbenannt wurden, also ca. 2004. Es gibt dazu eine Meldung auf Heise).

Als ich auf Linux umgestiegen bin, wollte ich etwas Ähnliches haben und da ich unter SUSE und KDE unterwegs war, fiel die Wahl auf Krusader, ein sehr schönes und ziemlich großes, funktionsreiches Programm. Als ich vor einiger Zeit auf XFCE4 umsattelte, nahm ich Krusader mit. Nach einiger Zeit haben mich aber die zahllosen, sonst nicht benötigten Bibliotheksabhängigkeiten von Krusader zum KDE-Desktop gestört. Dabei fiel mir dann auf, dass ich tatsächlich nur einen geringen Teil der Funktionalität von Krusader im Alltag verwendet und viel mehr mit der Maus gemacht habe, als es der betont tastaturzentrierten Benutzungsphilosophie von sogenannten «orthodoxen» Dateimanagern wie Krusader entspricht. Also habe ich den bei XFCE4 eingebauten Standard-Dateimanager Thunar ernsthaft ausprobiert. Es stellte sich heraus, dass er alles kann, was ich tatsächlich täglich brauche, bis auf:

  1. Shelldateien mit Doppelklick ausführen. Thunar öffnet stattdessen grundsätzlich einen Editor und bietet die Option «Ausführen» auch nicht in der Auswahl für die markierte Datei im Kontextmenu an.
  2. Mit einem Tastaturkürzel ein Terminal im aktuellen Verzeichnis öffnen und
  3. Pfad und Namen von markierten Dateien in die Zwischenablage kopieren.

Nun lassen sich aber alle drei Funktionen leicht nachrüsten und das diesem Umstand zugrundeliegende benutzungsorientierte Softwaredesign sagt mir sehr zu:

(1) Ausführen von Shelldateien auf Doppelklick war tatsächlich mal Bestandteil von Thunar, wurde aber aus Sicherheitsgründen defaultmäßig abgestellt. In den allgemeinen Optionen kann dieses Feature nicht wieder reaktiviert werden. Die Möglichkeit dazu wurde aber nicht einfach komplett entfernt, sondern das Feature kann immer noch über verborgene Einstellungen zurückgeholt werden, die hier beschrieben sind. Der Befehl dafür auf der Kommandozeile lautet:

$xfconf-query --channel thunar --property /misc-exec-shell-scripts-by-default --create --type bool --set true

Das sollte die Ausführungen von Shelldateien mit Doppelklick oder via Kontextmenü wieder ermöglichen. Damit keine Missverständnisse entstehen: natürlich müssen die entsprechenden Dateien das Attribut «ausführbar» haben.

(2) Thunar hat im Edit-Menu, die Möglichkeit benutzerdefinierte Aktionen festzulegen. Eine bereits vordefinierte Aktion ist es, die Shell in einem grafischen Terminal mit dem aktuellen Verzeichnis des Dateimanagers als Startverzeichnis zu öffnen. Das ist natürlich praktisch. Der Befehl dafür ist schon eingetragen; er lautet:

exo-open --working-directory %f --launch TerminalEmulator

Was die Sache noch praktischer macht, ist, dass man ein eigenes Tastenkürzel und sogar ein Icon festlegen kann, wie in der Abbildung beispielshalber gezeigt (hier in der englischen Version, die Entsprechung in der deutschsprachigen Lokalisierung sollte aber nicht schwer zu finden sein).


(3) Mit demselben Mechanismus lassen sich auch Pfadnamen in die Zwischenablage kopieren. Dafür muss das Konsolenprogramm xsel installiert sein. Der Befehl in «benutzerdefinierte Aktionen» bei Thunar dafür lautet dann:

echo %F | xsel -b

Auch hier lassen sich natürlich Icon und Tastenkürzel vergeben. Wichtig ist noch, im Tab «Appearance Conditions» sämtliche Dateitypen zu markieren, damit es tatsächlich funktioniert. Das ist alles.

Moral von der Geschichte: Übersichtliche Applikationen mit einfacher, benutzerfreundlicher und dennoch nicht zu knapper Funktionalität, die sich leicht für speziellere Bedürfnisse erweitern lassen, sind super. Mehr davon! Umgekehrt: Apps, die sich nicht erweitern lassen, tendieren dazu, einige Benutzer und Benutzerinnen zu enttäuschen und von Anwendungen, die im Prinzip zwar alles können, aber steile Lernkurven haben und «life-long learning» in Anspruch nehmen, wie Vim und Emacs, kann man realistischerweise nur einige wenige einigermaßen beherrschen lernen, weil in der Praxis die Zeit, die dafür zur Verfügung steht, begrenzt ist.

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Thunar, Dateimanager, Erweiterungen

Olaf
Geschrieben von Olaf am 22. August 2022 um 11:41

Ja, das find ich mal nen richtig coolen Beitrag! Danke für diese Tipps!

Michelle
Geschrieben von Michelle am 22. August 2022 um 11:53

Sehr cool und praktisch :-)

Micha
Geschrieben von Micha am 22. August 2022 um 18:23

Danke für die Infos. Der Dateimanager xfe hat mir den Umstieg auf xfce erleichtert.

Nitus
Geschrieben von Nitus am 22. August 2022 um 20:47

Vielen Dank für den Anstupser. Ich habe von MX Linux nach siduction gewechselt. Dabei habe ich die Thunar-Konfiguration mitgenommen. MX Linux (oder Thunar?) hatten viele Befehle integriert. Einige haben nach dem Umzug nicht mehr funktioniert. Dank deines Beitrags habe ich mich jetzt mal damit befasst und die fehlenden Programme nachinstalliert. Jetzt geht alles wieder.