Virtuelle Instrumente für DAWs unter Linux

  Daniel Schär   Lesezeit: 8 Minuten

Virtuelle Instrumente gibt es für Windows und macOS wie Sand am Meer. Gibt es solche auch unter Linux und sogar noch Open Source?

virtuelle instrumente für daws unter linux

Professionelle Digital Audio Workstations (DAWs) und Audio-Plugins gibt es mittlerweile zur Genüge auf Linux, leider sind aber die wenigsten Open Source. Die grosse Ausnahme bilden bei den DAWs Ardour, Qtractor und LMMS und bei den Audio-Plugins haben sich vor allem die Calf-Serie und LSP (Linux Studio Plugins) einen gewissen Namen gemacht. Nur mit einer DAW und Audioeffekten entsteht aber noch keine Musik. Wenn nicht auf akustische Instrumente oder Samples zurückgegriffen wird, so verwendet man heutzutage Virtuelle Instrumente. Sie imitieren häufig reale Instrumente, seien das Zupf-, Streich-, Percussions- oder Tasteninstrumente und sind aus der heutigen Musikproduktion kaum mehr wegzudenken - sei es bei elektronischer Musik, einer Pop-Produktion, oder bei Filmsoundtracks. Dabei gibt es unterschiedlichste Ansätze: Einige dieser virtuellen Instrumente bilden den Klang synthetisch nach, andere arbeiten mit Samples oder wiederum andere mit beidem. In einigen Fällen sind es Stand-Alone-Programme (um sie live zu spielen), meistens aber existieren sie - wie die Audio-Effekte auch - nur als Plugins und benötigen eine DAW, in der man sie via MIDI ansteuert. In diese DAW lädt man das Virtuelle Instrument und kann dieses mit einem externen MIDI-Keyboard oder -Controller spielen oder die Noten mit der Maus eingeben bzw. korrigieren.

Es mangelt an virtuellen Instrumenten im Open Source-Bereich

Bei Drum-Machines oder Synthesizer wird man auch im Open Source-Bereich fündig, wenn auch nicht wie Sand am Meer. Zwei grosse Player sind da Helm von Matt Tytel (4.8 von 5 Sternen bei KVR) oder Surge - ursprünglich von Claes Johanson für kommerzielle Zwecke entwickelt (4.7 von 5 Sternen und den Reader's Choice Award 2020 von KVR), - die sich besonders für elektronische Musik eignen. Anders ist es bei den Sample-Playern, die man z.B. mit grossen Orchester-Libraries füttert - für beispielsweise Filmsoundtracks. Diese sind tatsächlich Mangelware, erstens für Linux und zweitens als Open Source. Unter Windows oder Mac finden sich auf KVR hunderte von kommerziellen Virtuellen Instrumenten, die meisten sind aber nur für den Kontakt Player von Native Instrument (nur für Win/macOS, kein Open Source) oder als WindowsVST/AU-Plugin - manchmal vielleicht noch als Standalone für macOS und Windows verfügbar. Die Foren sind voll von bettelnden Usern, die Native Instruments, Vienna Symphonic  oder andere grosse Hersteller zu überzeugen versuchen, mindestens eine unsupported Linux-Version herauszugeben. Die Antwort ist immer ein niederschmetterndes Nein ohne Begründung. Wahrscheinlich lohnt sich das nicht, denn die Nachfrage ist immer noch verschwindend klein. Auch eine Petition auf change.org versuchte sich an dem Thema und fand .... gerade einmal 34 Unterstützer.

Natürlich wird einem nun in jedem Forum geraten, man solle doch entweder Carla oder LMMS (das Carla verwendet) benutzen oder via WINE auf die unfreien WindowsVSTs zurückgreifen, was in der Tat auch gut zu funktionieren scheint (ausser bei iLok und anderweitigem Kopierschutz). Aber wenn das Kriterium Open Source ist und man keine Frickelei will, dann wird es eng. Natürlich: Welche Arbeit hinter solchen Aufnahmen und der Programmierung steckt, kann man sich kaum vorstellen. Wer will das schon frei als Open Source weitergeben? Gott sei Dank gibt es doch einige löbliche Ausnahmen in dieser Hinsicht.

Hört uns denn niemand?

Als Beispiel möchte ich zwei Orchester-Libraries nennen.

Die eine ist das VSCO2 das in der Community Edition als Open Source verfügbar ist. Leider ist die Community Edition limitiert im Vergleich zu den Closed Source Versionen (siehe Tabelle weiter unten). Es handelt sich um ein Set von insgesamt 19 Streich-, Holzblas-, Blechblas- und Tasteninstrumenten mitsamt Percussion, bestehend aus knapp 3000 Samples in den Formaten SFZ und WAV (nebst VSTi, Kontakt 5.5 u.a.). Die Community Edition benötigt ca. 3,2 GB Festplattenspeicher und beinhaltet nur die Basis-Artikulationen. Für das Abspielen von SFZ-Dateien braucht man einen entsprechenden Sample Player.

Dann gibt es noch das Virtual Playing Orchestra, ebenfalls eine freie Orchester-Sample-Library auch im SFZ-Format, die versucht, mehrere Artikulationen der Solo- und Sektionsinstrumente eines vollen Orchesters zu emulieren. Sie verwendet die besten freien Samples von der obigen VSCO2 Community Edition, dem Sonatina Symphonic Orchestra, No Budget Orchestra, der University of Iowa, dem Philharmonia Orchestra und zusätzliche freie Samples. Der Plan von Paul Battersby, der das Virtual Playing Orchestra kompilierte, war, aus den neu verfügbaren Quellen, quasi ein Sonatina Symphonic Orchestra 2.0 zu machen. Seine Motivation war, diese für sich selbst zu verwenden, aber es auch mit jedem zu teilen, der eine solche brauchte.

Test geglückt

Wohlverstanden, die beiden Orchester-Libraries kommen meiner Einschätzung nach klanglich nicht an kommerziellen High-End-Libraries heran. Dennoch kann man, wenn man sie gekonnt einsetzt und mit Effekten bearbeitet, gute Resultate erzielen. Wie flexibel man sie einsetzen kann, hängt auch vom SFZ-Player ab. Ich persönlich verwende als SFZ-Player Sfizz (siehe unten) oder den Multisampler von Waveform Tracktion für Aufnahmen und den Decent Sampler für live. Leider sind die beiden letzten nicht Open Source. Wer kostenlose Alternativen sucht, die Open Source sind, wird aber auch fündig: 

  • Sfizz (aktuell in der Version 1.0.0) der als LV2 und LinuxVST für alle gängigen Distros angeboten wird.
  • LinuxSampler (aktuell in der Version 2.2.0), ist als VSTi (Windows, Mac, Linux), Audio Units (Mac), DSSI (Linux) und LV2 (Linux) verfügbar. Funktionierte in meinem Setting (mit LinuxMint 20.2 und Waveform Tracktion) nicht.
  • Qsampler (aktuell in der Version 0.9.4) baut auf LinuxSampler auf und ist für Qtractor angepasst (als AppImage und RPM-Paket verfügbar)
  • Weitere SFZ-Player: https://sfzformat.com/software/players/

Es bleibt zu hoffen, dass eine grosse Masse an Musikproduzenten auf Linux wechselt, damit Hersteller wie VSCO zumindest eine Basic Version ihrer Virtuellen Instrumente als LinuxPlugin, SFZ oder sogar als Open Source veröffentlichen oder ambitionierte Musikproduzenten eigene SFZ-Samplepacks releasen. Zwei sehr zu empfehlende Ressourcen für kostenlose SFZ-Samplepacks sind

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