Als Mensch ohne IT Kenntnis hat man von FOSS praktisch keine Ahnung. Programme, wie Browser oder Kommunikationsapplikationen („Messanger-Dienste“) sind „kostenlos“. Der Unterschied zwischen einem Chrome und Firefox Browser aus freiheitlicher Sicht ist unbekannt. Ebenso unbekannt ist die Relevanz von Standards und Pfadabhängigkeiten durch proprietäre Software.
Durch das mangelnde Verständnis hat FOSS einen recht schlechten Ruf in der durch große Medien transportiere Öffentlichkeit. Insbesondere durch öffentliche Strukturen die auf FOSS umstellen, mit Konzepten aus der proprietären Welt. Das Beispiel heute: Die Umstellung der österreichischen Justiz auf FOSS.
In der Regel geht das in drei Akten voran:
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Es werden Programme aus dem Microsoft Ökosystem durch FOSS Alternativen ausgetauscht.
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Arbeitsprozesse brechen, da kein neues Ökosystem aufgebaut wird.
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Personal beschwert sich über neue Software, da diese nicht funktioniert.
Bei der Berichterstattung geht es dann genauso weiter; Journalisten beziehen sich hauptsächlich auf den Aspekt der fehlenden Anschaffungskosten für FOSS und neuerdings: Souveränität.
Bei Letzterem geht es um die Sorge, dass durch die Entscheidungen der amerikanischen Regierung ganze staatliche Strukturen lahmgelegt werden könnten. Durch die Wahl des jetzigen Präsidenten wird die Loyalität der Hersteller deutlich.
Aktuell diskutiert ist die geplante Umstellung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf das openDesk Ökosystem (Sorge vor US-Sanktionen: Internationaler Strafgerichtshof kickt Microsoft aus seiner Verwaltung). Die vom Zentrum für Digitale Souveränität entwickelte freie Software-Suite ist ein äquivalent zu der Microsoft Office Welt. Ob und wie der Prozess ablaufen wird, wird die Zeit zeigen. Es hängt maßgeblich von der Kompetenz der Verantwortlichen ab, dies als Beispiel für weitere öffentliche Strukturen zu nehmen ist verfrüht. Sollte der IStGH scheitern, wird dieser genüsslich öffentlich zerlegt und damit wieder als Beleg für das Versagen des Staates & der unzureichenden Tauglichkeit von FOSS herangezogen.
Wir sehen das aktuell bei der österreichischen Umstellung der Infrastruktur der Justiz, um Kosten zu verringern und Souveränität zu steigern. Die Primärquelle dazu ist von der österreichischen Justiz herausgegebene Zustandsbericht für Januar 2025. Leider ist dieser zu oberflächlich, um die Probleme abzusehen welche die großen Zeitungen Standard.at und profil.at berichten.
Bei den folgenden beiden Zeitungen handelt es sich um Blätter mit Reputation. Der Fall ist exemplarisch und so überzeichnet, dass es sich perfekt zur Beschreibung der problematischen Arbeit der Medienlandschaft eignet.
Kurz zusammengefasst:
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Die österreichische Justiz hat ihr Dokumentenverwaltungssystem rund um das Microsoft Ökosystem aufgebaut.
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In der aktuellen Reform bauen sie die Infrastruktur nach und nach um, bei einer Behörde, die chronisch unterbesetzt und überarbeitet ist.
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Der Umbau ist der Dritte innerhalb weniger Jahre.
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Die Umstellung erzeugt massive Verzögerungen und Mehraufwand im Betrieb, der durch das bestehende Personal mit gestemmt werden muss.
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Auf Antrag und mit Begründung kann man sich der Umstellung entziehen (Doppelstrukturen).
Die Autorinnen beider Artikel sind fachfremd und äußern sich nie bis selten zu dieser Art Themen. Der Artikel des Standards wird dem Bereich Wirtschaft zugeordnet, während der Artikel der Profil aus der Morgenpost stammt, die die Themen des Tages rezipiert.
Der Artikel des Standards berichtet über Probleme der Umstellung die maßgeblich auf schlechte Planung und fehlendes Verständnis der Arbeitsprozesse der Richter zurück zu führen sind. Kommuniziert hat die Autorin mit Personal der Justiz und deren Sprecher, es wird viel über die täglichen Probleme der Umstellung berichtet. Die noch folgenden Probleme des Aufbaus von Doppelstrukturen durch den geplanten Betrieb bestimmter Abteilungen mit MS Software wird überhaupt nicht beleuchtet. Ebenso das der Informationsaustausch scheinbar weiterhin auf proprietären Datenformaten basiert und das Konzept zum informationellen Austausch nicht einmal beschrieben wird, zeigt die fehlende Kompetenz der Autorin.
Während die Autorin des „Standards“ neutral zu dem Thema berichtet, ist der Beitrag der Zeitschrift „Profil“ höchstens als Trollpost anzuerkennen. LibreOffice wird als „Gratissoftware“, „Mickey‑Mouse‑Office-Version“ bezeichnet und der Office Suite von Microsoft als „Premiumpaket“, „Moderne Software“ entgegengestellt. Das LibreOffice Probleme hat das proprietäre Format zu öffnen und korrekt darzustellen wird der Software angelastet und nicht als fehlerhafte Datenhaltung beschrieben. Der Aspekt der Souveränität fällt komplett unter den Tisch.
Die geneigte Leserin könnte nun meinen der Artikel des "Standards" sei hochwertiger als der der "Profil", doch möchte ich eins deutlich machen:
Beide Autorinnen haben durch die Beleuchtung der Themen, die Fokussierung auf den monetären Aspekt und das Darstellen der dysfunktionalen Arbeit mit FOSS durch fehlerhafte Umstellung die alte Leier der qualitativ minderwertigen "Gratissoftware" gespielt.
Als Leser spüre ich nur den Klumpen Frust in meinem Bauch über den unfähigen Staat, als Redakteur für GNU/Linux.ch die Fremdscham, dass das die professionellen Kolleginnen sind. Es zeigt: wenn schon keine Expertise bei den Großen, dann doch zumindest bei uns.
Hauptbild: https://pixabay.com/illustrations/man-office-worker-desk-cartoon-9481358/
