Xebian

  Ralf Hersel   Lesezeit: 8 Minuten  🗪 17 Kommentare

Basierend auf Debian Sid und Xfce, liefert das Projekt eine reduzierte und gut abgestimmt Distribution ab.

xebian

Erinnert ihr euch an den Vorschlag für ein Standard-Linux, über den ich neulich berichtet habe? Tädä, hier ist es! Es heisst Xebian und erfüllt meiner Meinung nach viele Kriterien an ein vermeintliches Standard-Linux. Das ist jedoch nicht die Idee des Projektes, sondern wurde ihm von mir angedichtet. Wer den Namen Xebian hört, weiss auch schon, was die Basis und die Desktopumgebung ist. Ich habe es installiert und ausprobiert.

Wer sich für Geschichte interessiert, findet einen kurzen Artikel über Xebian bei uns, den Lioh vor 2 Jahren geschrieben hat. Alle Anderen möchten bestimmt wissen, wie sich das Projekt seitdem entwickelt hat.

Auf der Projektseite von Xebian heisst es: "Das Ziel dieses Projekts ist es, ein auf Xfce basierendes Debian-System zu entwickeln, das Xubuntu sehr ähnlich ist." Für meinen Geschmack hätte das Team etwas mutiger formulieren dürfen. Vielleicht liegt es daran, dass ein Entwickler ein ehemaliges Mitglied des Xubuntu-Projektes war. Xebian gibt es als hybrides ISO-Image für 64- oder 32-Bit-Systeme (x86) mit einer Grösse von 1.5 GB. Damit lässt sich die Distribution als Live-System (Titelbild) starten und installieren. Für die Installation wird Calamares verwendet.

Die Distribution basiert auf Debian Sid, also dem "unstable"-Zweig der Mutterdistro, womit man es mit einem Rolling-Release-Modell zu tun hat. Als Desktopumgebung kommt Xfce 4.18 zum Einsatz, worauf der Name "Xebian" hinweist. Ansonsten ist diese Distro absichtlich spartanisch ausgelegt, wenn es um die Pakete geht. Sie enthält die wichtigsten Werkzeuge, die die meisten Benutzer benötigen, wie z. B. einen Webbrowser, einen Mediaplayer, Bild- und PDF-Betrachter usw. Die Standardeinstellung ist ein sehr einfaches Festplattenlayout, mit einer Root-Partition und einer Swap-Partition und sonst nichts.

Installation

Wie gesagt, das ISO-Image startet in den Live-Modus, in dem man sich einen ersten Überblick verschaffen kann. Nach einem Klick auf das Install-Icon gibt es eine kleine Überraschung:

Egal, "Launch Anyway" startet Calamares. Hier wurde nichts an Xebian angepasst; es läuft die standardmässige Installationsprozedur für Debian 12 ab:

Das geht schnell und ist mit ein paar Klicks, Auswahlen und der Eingabe von Name und Ort erledigt. Die eigentliche Installation dauert ca. 1 Minute, was auch an der reduzierten Menge an Paketen liegt; es sind nur 1244. Bei einem Debian-basierten System kann man das mit diesem Befehl ermitteln: dpkg --list | wc --lines. Der Speicherbedarf nach dem Starten beträgt 870 MB, was ein üblicher Wert bei der Kombination von Debian und Xfce ist. Die Boot-Geschwindigkeit beträgt 15 Sekunden, vom Kaltstart bis zum Login-Dialog in der virtuellen Maschine GNOME-Boxes.

Desktop

Da Xebian bewusst reduziert gebaut wurde, erscheint auch der Xfce-Desktop ohne viel Bling Bling. Wie ihr im Titelbild sehen könnt, gibt es ein oberes Panel mit einem Menü auf der linken Seite und diesen Funktionen auf der rechten Seite: Energieverwaltung, Audio-Regler, Netzverbindungen, Aktualisierungsindikator (Synaptic), Kalender, Workspaces, Arbeitsflächenumschalter.

Bis auf die m. M. überflüssige Energieverwaltung und das zu grosse Icon für die Aktualisierungen gefällt mir alles. Auch gut ist der Ersatz des standardmässigen Xfce-Anwendungsmenüs durch das tolle Whisker-Menü. Dadurch erspart sich Xebian den App-Finder und Shutdown-Icons im Systemtray, weil diese Funktionen in Whisker bereits enthalten sind. Als Desktop-Thema kommt Xubuntus Graybird-Dark Theme zum Einsatz, was mir gut gefällt. Vor allen Dingen, scheinen sich alle Anwendungen an das Thema zu halten.

Anwendungen

Machen wir es kurz: Xebian verwendet einen 6.4er Kernel, Xfce 4.18 und bringt wenige vorinstallierte Anwendungen mit:

  • Büro: keine Office-Suite, nur den PDF-Betrachter Atril
  • Einstellungen: das übliche Xfce-Durcheinander
  • Grafik: den GNOME 44 Dokumenten-Scanner (hält sich nicht ans Theme) und Ristretto als Bildbetrachter
  • Internet: Firefox 116.0
  • System: Synaptic Paketverwaltung, Task-Manager, Thunar Dateiverwaltung
  • Unterhaltungsmedien: Parole Medienplayer, Pulse-Audio Lautstärkeregler, Xfburn CD-Brenner
  • Zubehör: Bildschirmfoto, Catfish-Dateisuche, Engrampa-Archive, MATE-Taschenrechner, Mousepad (Editor), Terminal, Zeichentabelle, Zwischenablage

Tja, das ist es. Ich habe selten eine Distribution mit so wenigen vorinstallierten Anwendung gesehen. Das mag für Fortgeschrittene gut sein, weil sie sowieso die meisten Apps durch ihre eigenen Favoriten ersetzten. Einsteiger vermissen hier den grossen Vorteil von GNU/Linux-Distributionen: batteries included. Es gehört zur Idee von Xebian, die Distribution so schlank wie möglich zu halten.

System

Mit Debian-unstable hat man aktuelle Software zur Verfügung. Der Kernel und die Desktopumgebung sind auf dem neusten Stand und bleiben es auch. Für die Paketverwaltung kommt apt, bzw. Synaptic als grafischer Überbau zum Einsatz. Xebian wird mit allen grundlegenden Debian-Repositories ausgeliefert: main, contrib, non-free-firmware und non-free ohne eigene Extras.

Andere (neue) Paketformate (Flatpak, Snap, AppImage) werden nicht unterstützt, können aber nachinstalliert werden. Auf eine GUI-Paketverwaltung, die vielfältige Formate unterstützt, muss man verzichten. Bei der Konfiguration der Distribution muss man sich auf das Xfce-Sammelsurium von Einzelanwendungen einlassen. Eine zusammenfassende Anwendung für Systemeinstellungen gibt es nicht. Xebian verwendet systemd als erweitertes Init-System, und X.org (X11) als Display-Server; Wayland gibt es nicht.

Fazit

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen; Xebian positioniert sich nicht als die Standard-Distro, das war nur meine Idee für diesen Artikel.

In der Einleitung habe ich Xebian als Kandidatin für die von Jack Wallen vorgeschlagene Idee einer Standard-Linux-Distribution erwogen. Grundsätzlich ist Debian Sid dafür eine gute Basis, weil es ziemlich stabil, Community-gestützt und im Linux Umfeld, der Fels in der Brandung ist. Obwohl ich ein Xfce-Fan bin, halte ich den Desktop für veraltet und nicht genügend volatil. Wer Debian stable als langsam empfindet, muss bei Xfce in den Keller gehen und die Bartwickelmaschine anwerfen. Das ist keine Kritik, sondern ein Lob an die Stabilität und Beständigkeit des Xfce-Projektes.

Meine Wunschvorstellungen für eine "Standard-GNU/Linux-Distribution" wären:

  • Debian Sid basiert
  • KDE-Plasma oder GNOME als Desktop bei der Installation zur Auswahl
  • Live-ISO, damit Anwender:innen ausprobieren und installieren können
  • Ein grafischer Paketmanager, der alle modernen Formate beherrscht
  • Eine gute Vorauswahl von Anwendungen (das ist der unique selling point von Linux-Distros)
  • Gefälliges Theming und viel Gefühl für die Details (ein stimmiger Desktop)

Für wen eignet sich Xebian? Für alle, die es einfach, stabil und rolling mögen, was kein Widerspruch sein muss. Für alle, die ihre eigenen Vorstellungen von der Zusammenstellung ihrer Anwendungen haben und mit einem schlanken System starten möchten. Wenn auch minimalistisch, hat die Distribution eine gute Konfiguration, auf der man aufbauen kann.

Quelle: https://xebian.org/

Tags

Debian, Xebian, Xfce, minimalistisch

Robert
Geschrieben von Robert am 28. August 2023 um 10:52

Danke für die Vorstellung und das Testen dieser Distro, die ich noch nicht kannte. 2 Dinge dazu:

"Xebian ist ein Debian unstable mit Xfce-Desktop. " - Genau, und ich sehe da keinen echten Unterschied zum Orginal (ausser dem Styling des Desktops). Gibt es überhaupt spezifischen Vorteile gegenüber einem Debian mit Xfce, die Xebian dem Benutzer bietet? Habe im Artikel nichts gefunden. Kann es nicht sogar eher Nachteile haben eine so kleine, relativ unbekannte, Distro zu nutzen?

Dann schreiben sie über Xebian selbst "Das Ziel dieses Projekts ist es, ein auf Xfce basierendes Debian-System zu entwickeln, das Xubuntu sehr ähnlich ist."? Debian mit Xfce existiert bereits, wie oben festgestellt. Und wenn man zu Xubuntu "sehr ähnlich" sein möchte, sollte man dann nicht besser gleich direkt Ubuntu und nicht Debian als Basis nehmen. Man nimmt ja auch keinen Mercedes und bastelt dann daraus einen Opel... Ich verstehe den dahinterliegenden Sinn nicht wirklich.

Gast
Geschrieben von Gast am 29. August 2023 um 16:26

Hallo

in "Siduction" funktioniert "Wine", aber in "Xebian" bekomme ich es nicht zum laufen

hat da jemand einen Tip (es ist keine Diskussion über Wine, ich brauche es)

Xebian wäre für Tests sehr schnell und abgespeckt, siehe Text.

Gruß Gast

Gast
Geschrieben von Gast am 31. August 2023 um 10:06

Hallo "WINE" läuft jetzt

Wine ist in jeder Distri "etwas" anders zu installieren, wie ein neues Puzzle. :--)

Das ist ein Problem generell in Linux: es ist immer etwas anders

immer einfach: Setup Install usw, geht nicht :--)

naja dann bleibt das Gehirn aktiv

Gruß Gast

tuxfanmatze
Geschrieben von tuxfanmatze am 28. August 2023 um 13:20

Dann würde ich eher zur Seduction Xfce greifen das hat mehr Unterstützer im Background. Für mich ist nach wie vor Cinnamon der beste Desktop, noch ein Stückchen besser als Xfce, gut für Einsteiger und Fortgeschrittene, sehr produktives, schönes und selbsterklärendes Theme bzw. Desktop-Layout, u.a. sehr gute Menu- und Aktualisierungs App. Was fehlt wäre noch ein neuer AHS oder EDGE Kernel im Angebot, alternativ auch in der Linux Mint Debian Edition, oder eben auf Sid/unstable Basis. vielleicht geht ja bei Siduction da noch was mit dem Cinnamon Desktop. Bei Linux Mint in der Anwendungsverwaltung - Kernel gibt es zwar inzwischen auch die Ubuntu HWE Kernel 5.19 und 6.2. Aber es wäre natürlich hilfreich wenn man diese Kernel direkt beim Booten auswählen könnte damit auch auf neuerer Hardware z.B. das WLAN direkt bei der Installation funktioniert.

Ferdinand
Geschrieben von Ferdinand am 28. August 2023 um 14:29

Shameless Plug: Deine "Standard-GNU/Linux-Distribution" gibt es doch schon: siduction :)

tuxfanmatze
Geschrieben von tuxfanmatze am 28. August 2023 um 15:44

genau ,:-)

tuxfanmatze
Geschrieben von tuxfanmatze am 28. August 2023 um 15:59

Da gabs doch auch gerade den gnulinux.ch Podcast über Debian 😀

DeltaLima
Geschrieben von DeltaLima am 28. August 2023 um 14:56

Bei "Standard-Distro" mit den Eigenschaften "Debian sid" + "KDE" + "Live ISO" + "Gute Vorauswahl an Paketen" musste ich an Kanotix denken. Soweit ich mich daran erinnere (Stand 2007/2008) müsste das doch alle Kriterien erfüllen :D Zumindest damals hatte ich den Eindruck, dass das die streßfreiste Debian Sid Variante war, die man sich installieren konnte. Was ist aus Kanotix eigentlich geworden? Gibt's das noch?

Uwe
Geschrieben von Uwe am 29. August 2023 um 09:36
Uwe
Geschrieben von Uwe am 28. August 2023 um 14:59

Als Standard/Basis-Distribution finde ich "Debian-LXDE "pur oder die hier im Blog vorgestellte "LXDE Spacefun" Distribution besser. Die laufen auf fast jeder PCmöhre und können bei Bedarf Schritt für Schritt angepasst werden.

Wer das "Feeling" der W98se ähnlichen und damit einfachen GUI zu schätzen weiß, kommt auch problemlos damit klar.

Spare
Geschrieben von Spare am 28. August 2023 um 15:55

Meiner Meinung nach sollte jedes Betriebssystem den Ressourcenverbrauch so gering wie möglich halten. Desto mehr ist für die tägliche Arbeit zur Verfügung. Auch wenn es Gigabyte an Speicher in Hülle und Fülle und günstig gibt, so muss es nicht sein, dass man das kauft. Daher ist der Ansatz der richtige Weg.

Debian mit XFCE läuft noch auf einem Intel Core2Duo mit 4 GB RAM (BJ 2007) flüssig!

Spare
Geschrieben von Spare am 28. August 2023 um 15:56

Meiner Meinung nach sollte jedes Betriebssystem den Ressourcenverbrauch so gering wie möglich halten. Desto mehr ist für die tägliche Arbeit zur Verfügung. Auch wenn es Gigabyte an Speicher in Hülle und Fülle und günstig gibt, so muss es nicht sein, dass man das kauft. Daher ist der Ansatz der richtige Weg.

Debian mit XFCE läuft noch auf einem Intel Core2Duo mit 4 GB RAM (BJ 2007) flüssig!

s3nnet
Geschrieben von s3nnet am 28. August 2023 um 17:13

Allein die Tatsache, dass Unternehmen stabile Distros bevorzugen, zeigt schon, dass die Einheitsdistro Wunschdenken ist.

tux0r
Geschrieben von tux0r am 28. August 2023 um 18:57

Problem dabei: Die Linux Standard Base definiert RPM als Standardformat für Pakete. dpkg ist damit das genaue Gegenteil eines Standards. :-p

user
Geschrieben von user am 28. August 2023 um 19:18

Schade, ein gut vorkoniguriertes Debian mit xfce, das wirklich an Xubuntu erinnert, hätte mich interessiert. aber ein naktes Xfce und dazu noch debian sid als Basis ist nicht für mich. Die Aussage "Grundsätzlich ist Debian Sid dafür eine gute Basis, weil es ziemlich stabil" finde ich auch ziemlich absurd. Ja, man erleidet mit Debia Sid nicht ständig Schiffbruch, aber stabil ist nun eben nicht, ist ja nicht umsonst der unstable zweig von Debian, das heißt da kommen ständig neue Programmversione rein. Daran ändert auch ein Desktop, der seit 10 Jahren kaum größere Änderungen erfahren hat nichts.

Christian Becker
Geschrieben von Christian Becker am 29. August 2023 um 07:49

Zeugt mich jetzt nicht besonders über. :) Ich finde, der unique selling point für Xebian ist gerade die geringe Auswahl an vorinstallierten Anwendungen und ich fände das bei anderen Distributionen auch schön, wenn da mal ein wenig abgespeckt würde.

Sinnvoll fände ich eher eine kuratierte Liste von Anwendungen, die man bei Bedarf dann dazu installieren kann, also z.B. die Anwendungen, die man üblicherweise in eine Distribution einfach mit einpackt, als html zur Installation via apt-url. So in der Art von Bodhi: https://www.bodhilinux.com/a/ Man könnte sogar die Kategorisierung weglassen und das Ganze als "Empfohlene Programme" oder so einfach auf eine Seite mit entsprechenden Überschriften und Screenshots packen als eine Art Portfolio, das man durchscrollen kann.

Frank. I
Geschrieben von Frank. I am 15. Oktober 2023 um 10:55

Moin,

der Live User will ein Password, nur welches?