Zum Wochenende: Aus betrieblicher Sicht
Fr, 24. Februar 2023, Lioh Möller
Vermutlich hat es jeder von uns bereits einmal gehört:
Aus betrieblicher Sicht ist es sinnvoll, nur noch ...
Es folgt dann meist etwas wie: Windows einzusetzen, über Teams zu telefonieren oder ähnliches. Grundsätzlich handelt es sich dabei in den meisten Fällen, um einen Weg patriarchische Strukturen zu erhalten und den Willen einzelner, ohne den Einbezug aller Beteiligten durchzusetzen. Leider entspricht diese Annahme in den seltensten Fällen der Realität, denn unsere Welt ist vielfältig und die Bedürfnisse sind unterschiedlich.
Freie Software hingegen wird in der Regel im Konsens entwickelt. Das heisst zunächst werden alle Bedürfnisse abgeholt und dann gemeinsam eine demokratische Entscheidung gefällt, bei der jeder Teilnehmer ein gleichwertiges Stimmrecht hat. So zumindest in einer idealen Welt. Tatsächlich herrscht in vielen Projekten eine Meritokratie, bei der Menschen, die mehr leisten, ein höheres Votum erhalten. Auch hier besteht die Gefahr, dass Minderheiten übergangen werden und sich eine sogenannte Oligarchie bildet.
Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit wäre die Entscheidung von Canonical, in Zukunft die als Flavors bezeichneten Derivate der Distribution, standardmässig ohne Flatpak auszuliefern. Der Prozess, welcher dazu geführt hat, ist nicht transparent einsehbar und die Entscheidung wurde hinter verschlossenen Türen ohne Einbezug der Community getroffen. Ein Vorgehen, das Canonical selbst bei anderen immer wieder kritisiert hat und welches beispielsweise Mark Shuttleworth im Zusammenhang mit der Mir Entwicklung verleitet hat, von einer Open Source Tea Party zu sprechen. (Einen Ausrutscher, für den er sich später entschuldigt hat)
Die Entscheidung, Flatpak standardmässig nicht mehr auszuliefern, führt zwangsläufig dazu, dass Betroffene selbst Lösungen entwickeln. In diesem konkreten Beispiel würde ein Anwender bei Bedarf Flatpak manuell über den Paketmanager installieren und das Flathub Repository selbstständig aktivieren. Nun kann man sagen, dass dies ja unproblematisch sei. Ein nachhaltigerer Ansatz wäre jedoch, Flatpak standardmässig zu installieren, das Flathub Repository vorzukonfigurieren, aber zu deaktivieren. Nutzer hätten dann die Möglichkeit, über einen einfachen Schalter in der Softwareverwaltung das Repository bei Bedarf zu aktivieren (Opt-in). Technisch wäre dies bereits heute mit der aktuellen GNOME Softwareverwaltung möglich.
Vorbildlich hingegen lösen Projekte wie Debian GNU/Linux solche Entscheidungsfindungsprozesse. Sofern nicht ohne weiteres ein Konsens gefunden werden kann, besteht die Möglichkeit einen als General Resolution bezeichneten Prozess zu starten. Dabei können zunächst von der Community verschiedene Vorschläge zur Lösung eingebracht werden, über die daraufhin abgestimmt werden kann. Deutlich wurde dies beispielsweise bei der Frage, ob unfreie Firmware mit der Distribution ausgeliefert werden soll.
Argumente, dass sich dieses Vorgehen nicht auf das Geschäftsumfeld adaptieren liesse, sind letztlich Ausreden und führen dazu, dass einige wenige, meist ältere weisse Männer, Entscheidungen treffen, die für eine bunte Kundschaft oder Belegschaft gültig sein sollen. Auch Behauptungen, dass demokratische Prozesse die Innovation unterbinden würden, verkehren sich unter genauerer Betrachtung schnell ins Gegenteil. Ein Beispiel für einen positiven Einbezug der Community im Geschäftsumfeld wäre Nextcloud, eine Software, die so vielfältig ist wie ihre Anwender.
Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/foobarbaz/141522112/ - Mark Shuttleworth am Linuxtag 2006 in Wiesbaden.