Hinweis: Das ist ein Meinungsartikel.
Wer vom Titel verwirrt ist, sei auf die Wikipedia zum Begriff "Wolkenkuckucksheim" hingewiesen. Unter diesem Begriff versteht man eine Utopie ohne Bodenhaftung und Realitätssinn. Worum geht es? Die Firma Microsoft hat im Rahmen eines Verfahrens der US-Federal Trade Commission, in dem es um Microsofts Gaming-Strategie geht, bekannt gegeben, dass als langfristiges und wichtiges Ziel die Überführung von Windows 11 in die Cloud geplant ist.
Damit möchte man der bisherigen Praxis folgen, mit der die Office-Anwendungen (Windows 365) in die Cloud verlagert wurden. Diese Verlagerung soll genutzt werden, um KI-gestützte Dienste überall zu ermöglichen. Das soll insbesondere für Firmenkunden gelten.
In diesem Wochenend-Beitrag versuche ich, diese Ankündigung einzuordnen.
Ich kann mir vorstellen, dass diese Absichtserklärung von Unternehmenskunden positiv aufgenommen wird. Immerhin verwenden über 90 % der Unternehmen weltweit das Microsoft Betriebssystem im Endanwender-Bereich. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, das Betriebssystem in die MS-Cloud zu verlagern, sagt Microsoft:
- Geringer Ressourcenverbrauch bei den Endgeräten (Chip-Krise, keine teure Hardware)
- Grosse Flexibilität bei der gemeinsamen Nutzung von Endgeräten
- Bessere Planbarkeit durch das Abo-Modell
- Erhöhte Sicherheit durch den Wegfall von dezentralen Komponenten
- Niedrigere IT-Gesamtkosten
- Schnelleres Onboarding neuer Mitarbeitender
Die IT-Leitung der meisten Unternehmen liegt in den Händen älterer Herren. Diese sind darauf bedacht, den Laden am Laufen zu halten, ohne grosse Risiken einzugehen. Wenn sie den operativen Betrieb des Client-Betriebssystems an eine Firma abgeben können, kommt ihnen das entgegen. Anstatt Alternativen zu suchen, schwimmt man lieber im Mainstream mit.
Nobody is getting fired vor buying Microsoft!
Ich habe in meinen Berufsjahren schon viele IT-Verantwortliche erlebt; gute und schlechte. Alle hatten bezüglich der Technologie eine konservative Einstellung. Das hatte nichts mit ihrer politischen oder gesellschaftlichen Denkweise zu tun, sondern lag an ihrer Einordnung und Verantwortung innerhalb der Unternehmensstruktur (Hierarchie). Selbst bei Startup-Firmen sehe ich selten innovative Ideen, wenn es um Basiselemente der IT-Infrastruktur geht. Dort gilt es, die frischen Kernziele des Start-ups auf eine erprobte und solide Betriebssystem-Basis aufzubauen. Man hat bereits genügend Probleme, das eigene Produkt im Markt zu etablieren. IT-Wagnisse sind unerwünscht.
Falls Microsoft seine Ziele weiterverfolgt und ihr Cloud-PC Angebot ausbaut, könnte sich die Meinung von IT-Leiter:innen ändern. Um aufzuzeigen, welche Gefahren mit der "Cloud-isierung" eines Betriebssystem einhergehen, habe ich viele Artikel gelesen und Argument gesammelt. Hier sind sie:
- Das meistgehörte Argument betrifft die Internet-Bandbreite. In vielen Ländern reicht die Bandbreite nicht aus, um ein Betriebssystem ausschliesslich über das Internet laufen zu lassen.
- An zweiter Stelle stand die Sorge, dass man bei einem Ausfall der Internetverbindung, gar nicht mehr arbeiten könne, da es kein lokal verfügbares Betriebssystem mehr gibt. Dem kann man entgegenhalten, dass eine Unternehmens-IT ohne Internetverbindung ohnehin kaum mehr funktionieren wird.
- In eine ähnliche Richtung geht die Gefahr der Zentralisierung. Falls zentrale Elemente des Cloud-Servers ausfallen, würde das ganze Volkswirtschaften betreffen. Die Betriebssysteme in der Cloud würden damit zur kritischen Infrastruktur und zentralem Angriffspunkt.
- Dann gibt es das Argument der politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit. Wenn man einen zukünftigen politischen Zwist zwischen den USA und den europäischen Ländern antizipiert, könnten daraus wirtschaftliche Sanktionen erwachsen, die den Zugriff auf das Betriebssystem aus gesetzlichen oder politischen Gründen verunmöglichen.
- Und natürlich das Datenschutz- und Privacy-Argument. Wenn das Betriebssystem in der Microsoft-Cloud läuft, kann der (technische) Zugriff auf Daten und Handlungen nicht mehr kontrolliert werden, selbst wenn dies rechtlich untersagt ist.
Aus der Sicht von Microsoft ist diese Idee nachvollziehbar und die Weiterentwicklung dessen, was mit Windows 365 im Bereich der Office- und Kollaborationsanwendungen erfolgreich eingeführt wurde. Ausserdem lässt sich die totale Kontrolle über alle Daten und Handlungen der Anwender weitergehend vermarkten, sei es auch nur für das Training der KI-Modelle.
Das bisherige Angebot (Windows 365 Cloud-PC) richtet sich an Unternehmen, unterteilt in KMU und Grossunternehmen. Durch die Zentralisierung des Nutzerprofils, soll es damit keine Rolle mehr spielen, an welchem Endgerät man arbeitet; alle Apps, Daten, Inhalte und Einstellungen werden aus der Cloud auf den Thin-Client gestreamt. Die Preise für das Abonnement (Benutzer pro Monat) seht ihr hier:
Für Private gibt es noch kein Angebot. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Abo-Preise dafür niedriger sein werden, insbesondere wenn man der teilweisen oder vollständigen Weiterverwendung seiner Daten und seines Anwenderverhaltens zustimmt.
Die vielen Kommentare in der Fachpresse zum Cloud-Betriebssystem waren überwiegend negativ. Manche sahen sogar wieder das "Jahr des Linux Desktop" am Horizont erscheinen.
Quelle: https://www.theverge.com/2023/6/27/23775117/microsoft-windows-11-cloud-consumer-strategy
Das erinnert mich doch sehr an Großrechner mit Terminals. Ist Microsoft nicht ursprünglich dadurch groß geworden, dass die ganzen Terminals durch leistungsfähige Desktopsysteme, sprich PCs, ersetzt wurden, die so gut wie alle mit einem Microsoft OS ausgerüstet waren, erst DOS, später Windows. Lustig. Ralf hat den Linux-Desktop angesprochen. Das wäre doch jetzt die Gelegenheit für eine Retourkutsche von IBM an die Adresse von MS, oder nicht? Unter dem Gesichtspunkt bekommen die jüngsten Ankündigungen von RedHat gleich eine ganz andere Bedeutung. Wissen IBM und RedHat da mehr als wir?
Mich erinnert das an die Zeit um 1999/2000. Da versuchte Microsoft schon mal das Windows 2000 einzuführen. Dieses verstieß zu diesem Zeitpunkt gegen relativ schwache Datenschutzvorschriften, so daß damals den Behörden die Einführung von Windows 2000 verboten wurde. Hoffentlich reagieren heute die Behörden genauso.
„Nobody is getting fired vor buying Microsoft!“ oder
„Nobody is getting fired for buying Microsoft!“?
"Die IT-Leitung der meisten Unternehmen liegt in den Händen älterer Herren. Diese sind darauf bedacht, den Laden am Laufen zu halten, ohne grosse Risiken einzugehen. Wenn sie den operativen Betrieb des Client-Betriebssystems an eine Firma abgeben können, kommt ihnen das entgegen. Anstatt Alternativen zu suchen, schwimmt man lieber im Mainstream mit."
So läuft es haargenau bei uns in der Firma ab und es sind nicht nur die "Alten", die sich so verhalten....
Alles in die Cloud? Alles bei Unternehmen aus USA? Mir fällt dazu nur ein Wort ein: „Wirtschaftsspionage“!
Die Zeit wird zeigen in welche Richtung es geht. Aber aus Erfahrung weiss ich das MS damit durchkommen wird. Die User und Admins schimpfen zwar jedes mal darüber, finden sich am Ende dann aber trotzdem damit ab. Das ganze erinnert mich jeweils an eine Sekte. Obwohl man weiss das irgend etwas nicht stimmt läuft man trotzdem blind hinterher und manchmal sogar bis ins verderben.🙈 Ich rate immer von MS ab, aber irgend wann lasse ich es dann sein. Ich will schliesslich kein Missionar sein der jemand zu etwas überredet oder gar zwingt. 🤷 Ich hoffe sie merken es früh genug selber. 😎 Für mich war schon vor gut 10 Jahren schluss und ich habe es nie bereut.👍
Yo, genau wie damals in den 80ern die Mainframe-Rechner (VT100 lässt grüssen) oder heutzutage CITRIX. Im Grunde genommen baut Kleinweich damit ein "Windows on Demand", also fast so etwas wie ein Netflix-Abo :-D
Ich habe mal ein wunderbares Buch gelesen, wo die IT mit Maschinen während der Industrialisierung verglichen wurde. Zuerst benötigt jeder Betrieb eine eigene Dampfmaschine (Großrechner), welche über Riemen die ganze Firma versorgt. Dann wird es immer kleiner und Elektrizität hilft, dass die Bänder abgeschafft werden können, versorgt durch den firmeneigenen Generator. (Da sind wir jetzt bald durch, lokal arbeitende Rechner) Als nächtes kommen die großen Elektrizität erzeugenden Kraftwerke. Also eine große Zentralisierung.
Das heißt, dass das, was da geplant wird erstens ja nicht neu ist (bspw. Chromebooks) und zweitens es der logische Schritt auf einer Entwicklungslinie ist.
Schade eigentlich, dass mir der Titel des Buchs gerade nicht einfällt.
Und schade, dass - wie immer - Idealismus nichts entscheiden wird. Wenn sich die Cloudversion finanziell lohnt, wird sie sich durchsetzen.