Zum Wochenende: Public Money, Public Communication

  Ralf Hersel   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 4 Kommentare

Behörden und steuerfinanzierte Organisationen sollen freie Software, Dienste und Protokolle für die Kommunikationen verwenden.

zum wochenende: public money, public communication

Dieser Artikel stellt die Frage, wofür Steuergelder im Kommunikationsbereich verwendet werden sollen. Viele von euch kennen die FSFE-Kampagne "Public Money, Public Code", bei der es darum geht, steuerfinanzierte Software unter einer Freien Lizenz zu veröffentlichen. In dieselbe Richtung zielen Open Data Initiativen, die von Behörden erhobene Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen wollen. Die gesetzlichen Grundlagen dafür wurden 2021 mit dem Zweiten Open-Data-Gesetz geschaffen.

Bei einer weiteren FSFE-Kampagne sollen Standards gesetzt werden, damit Bürger:innen beim Zugriff auf Dokumente freie und offene Dateiformate verwenden können. Diese Kampagne trägt den Namen Freie PDF-Betrachter. Neben diesen Anstrengungen, um Software, Daten und Formate zu befreien, gibt es einen Bereich, der bisher ausgespart wurde: Freie Kommunikation.

Um das Problem zu verdeutlichen, möchte ich ein paar Beispiele nennen, wie Kommunikation über Social Media und Messenger heute bei den meisten Behörden oder durch Steuern finanzierten Organisationen gehandhabt wird.

Deutschland - Bundesministerium des Innern

Schweiz - Eidgenössisches Departement des Innern

Österreich - Bundesministerium Inneres

Nach diesen Beispielen musste ich nicht suchen. Die drei Innenministerien kamen mir als erste in den Sinn und es waren Volltreffer. Es liessen sich noch hunderte andere Beispiele finden, z.B. die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten, die Landeskirchen und beliebige staatliche Organisationen.

Der Bedarf

Behörden möchten und müssen mit Bürger:innen kommunizieren. Die Legislative, Exekutive und Judikative in demokratischen Staaten handeln im Auftrag ihres Volkes, werden vom Volk finanziert und sind diesem Rechenschaft schuldig. Es ist zu begrüssen und verständlich, dass diese Organisation aktuelle Kommunikationskanäle einsetzen, um die Gesellschaft zu erreichen und zu informieren. Dabei kommen Kanäle zum Einsatz, mit denen ein möglichst breites Publikum erreicht werden kann. Diese sind zurzeit die Plattformen der grossen Technologie Unternehmen (GAFAM).

Das Problem

Der vorherige Satz enthält das Problem. Die Kommunikationsangebote von internationalen Monopolunternehmen zu verwenden, ist keine gute Idee, wenn es um eine souveräne Kommunikation von nationalen Behörden geht. So schlagend das Argument der Reichweite dieser Kanäle ist, so irritierend ist die Abhängigkeit, in die man sich damit begibt.

Es gehört zum Geschäftsmodell der Big-Tech-Player, dass die Kommunikation über deren Dienste monetarisiert werden muss, was über Profilbildung und Verkauf an Werbefirmen geschieht. Hinzu kommt die Zensur und (Nicht-)Moderation, die auf diesen Kanälen stattfindet. Ein weiteres Problem ist die Abhängigkeit von zentralisierten Diensten, in die sich staatliche Organisationen begeben.

Was wäre zum Beispiel, wenn die Firma Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp) die Schweiz zum Schurkenstaat aufgrund ihrer Finanzpolitik erklärt (oder von ihrer Legislative dazu gezwungen wird) und die Kommunikationskanäle kappt?

Vielen Behörden und Organisationen scheint nicht klar zu sein, dass sie mit dem Einsatz der genannten Social Media Plattformen gesetzeswidrig handeln. Der Datenschutzbeauftrage des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, Stefan Brink, hat das in einem Interview mit dem Deutschlandfunk klar zum Ausdruck gebracht:

Die Lösung

Niemand verlangt, dass diese Kommunikationskanäle von heute auf morgen ersetzt werden sollen. Dafür "vertrauen" heute zu viele Menschen auf diese Dienste. Behörden befinden sich zurzeit in einem Konflikt zwischen Reichweite und Souveränität ihrer Kommunikation. Die Lösung liegt in einem zeitlich gestaffelten Übergang von proprietärer zu einer souveränen Informationspolitik der staatlichen Akteure.

Ein Beispiel für den richtigen Ansatz habe ich im Artikel 'Der Bund trötet' beschrieben: Deutsche Behörden nutzen vermehrt Mastodon für ihre Kommunikation. Das Momentum liegt in der Signalwirkung von Behördenhandeln:

Hey cool, ich kann mit meinem Finanzamt über Matrix, Mastodon und das Fediverse kommunizieren! Dann nutze ich das demnächst auch öfter.

Während einer Übergangszeit würden die Facebooks, Twitters und Instagrams um föderierte Dienste ergänzt, bis die Monopolisten mehr und mehr obsolet werden. Das Fediverse bietet genug, um die proprietären und für Behörden illegalen Services, zu ersetzen.

Die Arbeit

Ich denke mir, dass vielen Leser:innen die Argumente dieses Artikels gefallen und deren Zustimmung findet. Nach dem Was, stellt sich die Frage nach dem Wie. Um öffentliche Einrichtungen von den Vorteilen einer wahren 'Public Communication' zu überzeugen, braucht es viel Engagement und Projektarbeit. Ich begrüsse alle herzlich, die sich für dieses Ziel einsetzen möchten.

Souveräne Kommunikation ist ein Baustein für den Erhalt und die Förderung demokratischer Strukturen.

Tags

Behörden, Public, Kommunikation, FSFE-Kampagne, Problem, FSFE, Schweiz, Behörde

Seppi
Geschrieben von Seppi am 26. März 2022 um 08:48

Passend dazu is in meiner timeline gestern auch das interview mit dem bawü landesdatenschutzbeauftragten aufgeschlagen: https://www.deutschlandfunkkultur.de/datenschutzbeauftragter-fordert-behoerden-raus-aus-social-media-dlf-kultur-73465814-100.html

Ralf Hersel
Geschrieben von Ralf Hersel am 26. März 2022 um 21:51

Herzlichen Dank dafür. Ich habe das Interview mit Stefan Brink in den Artikel eingefügt.

Daniel Schär
Geschrieben von Daniel Schär am 26. März 2022 um 11:42

Sehr interessant geschriebener Artikel. Mich würde interessieren, welche Strategie die einzelnen Staaten und Ämter in Österreich und v.a. der Schweiz verfolgen und ob es da auch schon wie in D Vorstösse in die Richtung gibt. Das einzige, was ich auf die Schnelle gefunden habe, war, dass der Bund hierzulande gar nicht auf die Diskussion eingeht, was den Gebrauch von GAFAM-Diensten anbelangt: https://parat.swiss/2021/08/null-antwort-des-bundes-zur-nutzung-fremder-clouds/

Ralf Hersel
Geschrieben von Ralf Hersel am 26. März 2022 um 21:52

Wie aus dem vorherigen Kommentar (und dem mittlerweile eingefügten Interview) hervorgeht, ist das Verhalten der Behörden illegal.