Der Linux-Kumpel

  Lioh Möller   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 11 Kommentare

Was wäre, wenn die Linux Distribution der Wahl ein Mensch wäre? Welche Charaktereigenschaften hätte sie?

der linux-kumpel

Dies ist ein Meinungsartikel aus der Serie 'Spass am Dienstag'

Die Wahl der passenden Linux Distribution erfolgt meist aus unterschiedlichen Gründen, sei es das Paketformat, die mitgelieferte Desktopumgebung, die Aktualität oder der Umfang.

Das klingt erst mal sehr technisch, doch tatsächlich ist das wichtigste Kriterium, dass man sich wohlfühlt und das nicht nur mit dem Betriebssystem, sondern auch mit der Community. Wenn man Anwender fragt, warum sie sich für die Distribution der Wahl entschieden haben, werden so auch zumeist technische Gründe angeführt, doch diffus schwingt im Hintergrund zumeist ein Gefühl mit, dass sich schwer in Worte fassen lässt.

In diesem Artikel versuche ich einige Linux-Distributionen mit menschlichen Charaktereigenschaften zu belegen. Vielleicht erkennt sich ja der oder die Eine wieder (oder auch nicht).

Debian GNU/Linux - die Diva

Lang gibt es sie schon, die Diva Debian GNU/Linux. Erfahren und etwas in die Jahre gekommen, bietet sie alles, was sich das Herz eines Linux-Anwenders wünscht. Meist höflich und zuvorkommend, hat sie doch auch ihre zickigen Phasen, und so kommt es vor, dass man an einem schlechten Tag auf eine Frage im Forum auch mal mit einer Let Me Google that for you Antwort abgespeist wird.

Fedora - der Unverbindliche

Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick und der technisch besten Entwicklung riskiert Fedora bewusst, den Nutzer das ein oder andere Mal vor den Kopf zu stossen. Immerhin geht es um das Allgemeinwohl und da muss man schon einmal Opfer in Kauf nehmen. Das Neueste ist natürlich immer das Beste und so erinnert sich Fedora oft nicht mehr an das Gesagte von gestern. Denn wer liest schon gerne eine alte Tageszeitung?

Gentoo - der misstrauische Enthusiast

Viel Aufwand und Zeit (und Strom) bedeutet der Betrieb und die Nutzung der Gentoo Distribution. Alles muss aus den Quellen compiliert werden, da man sich selbst am meisten vertraut, die beste Optimierung aus dem eigenen System herauszukitzeln. Gentoo User sind gerne unter sich und tauschen sich über die neuesten Erkenntnisse aus. Als aussterbende Art geniessen sie heute einen besonderen Schutz.

Arch Linux - der pragmatische Elitist

Einfach soll es sein und schnell gehen, dabei aber zumindest den Ansprüchen eines Gentoo Benutzers genügen. So waren viele der ersten Arch Anwender und Entwickler auch ehemalige Nutzer der Gentoo Distribution. Viel zu aufwendig waren aber die Prozesse und so musste alles möglichst praktikabel vereinfacht und optimiert werden. Geblieben ist jedoch der Elitismus, der gerne auch kultmässig zur Schau getragen wird (I use Arch btw).

Ubuntu - der konfliktscheue Fanboy.

Ubuntu User sind meistens treue Seelen und stehen mit viel Herzblut hinter der Distribution, auch wenn sie selbst zumeist nicht aktiv an deren Entwicklung teilnehmen. Andere werden nur selten akzeptiert, denn in Ubuntu haben sie ja bereits das Beste gefunden. Doch nicht nur für sich; gerne würden sie auch andere davon überzeugen. Aufgrund der konfliktscheuen Art gelingt dies leider jedoch nur selten, denn bei den meisten Linux Usern zählen harte Fakten mehr als Werbebotschaften. Zur Gewinnung neuer Anwender, welche zuvor noch keinen Kontakt mit dem Freien Betriebssystem hatten, leisten Ubuntu User einen unermüdlichen Einsatz.

MX Linux - der rüstige Rentner

Etwas altbacken und einen Modestil liebend, der bereits in den 90er-Jahren nicht mehr en-vouge war, präsentiert sich der MX Linux Anwender. Er scheut die Kommandozeile und dessen sind sich die Macher der Distribution sehr wohl bewusst. Daher werden für die unterschiedlichsten Aufgaben kleine grafische Helferlein ausgeliefert, denn der rüstige Rentner traut sich mehr, wenn man in einer Oberfläche einen Knopf umstellen kann. Das muss ja einfach funktionieren. Wie es für Rentner üblich ist, möchten auch sie gerne wahrgenommen werden, und so werden auch mal Statistiken auf Distributionsbewertungsseiten manipuliert. Die Renten sind sicher!

openSUSE - der unsichere Unternehmer

Immer dem grossen Vorbild Red Hat nacheifernd gelang es openSUSE nie eine eigene Identität zu finden. Alle bisherigen Versuche scheiterten oder wurden von der Unternehmensleitung unterbunden (We adopt, you ...?). Auch in sonstigen Bereichen hat der Chef immer noch das letzte Wort, auch wenn man sich nach aussen hin gerne als Community präsentiert. Viele Prozesse passieren hinter verschlossenen Türen und der Anwender bekommt davon meist nichts mit. Dafür ist auch der openSUSE User verlässlich und treu, vielleicht etwas konservativ.

Manjaro - der ambitionierte Laie

Wie auch die Macher der Distribution (die gerne mal vergessen, das SSL Zertifikat der Webseite zu erneuern), sind auch die Anwender ambitionierte Laien. Etwas tollpatschig, sind sie jedoch immer interessiert und ihresgleichen gegenüber freundlich gesinnt. Die latente Angst, Arch Linux könnte nicht stabil genug sein, führt dazu, eigene Wege zu gehen und so muss jedes Paket, das von der Mutterdistribution kommt, erst mal unter Augenschein genommen werden. Gerne wäre man auch für Neueinsteiger etwas wie Ubuntu und in der etwas laienhaften Art fühlen sich viele zu Hause, da sie das Gefühl vermittelt auch mal Fehler machen zu dürfen.

NixOS - der versierte Besserwisser

Wahrscheinlich kennt kaum jemand sein System so gut, wie der NixOS User. Immerhin hat er es auf dem Reissbrett konzipiert und dann voll ausgefahren, genauso wie er es sich vorgestellt hat. Darüber unterhält er sich auch gerne mit anderen Leidgenossen bei Usertreffen oder im Netz. Und natürlich ist der deklarative Ansatz der Distribution der einzig wahre Weg, was aus technischer Sicht sicherlich auch stimmt. Dabei vergisst er jedoch, dass dieser Weg vielleicht nicht für alle anderen passt.

Falls dir eine Distribution fehlt oder eine Charaktereigenschaft ausgelassen wurde, schreibe es einfach in den Kommentaren.

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Distributionen, Charakter

Horst
Geschrieben von Horst am 13. Dezember 2022 um 15:37

Interessante und humorige Idee, nicht die Distribuitionen, sondern deren Anhänger zu charakterisieren. Und nach meiner nunmehr 12-jährigen Erfahrung mit Linux sind diese Beschreibungen auch recht zutreffend. Und natürlich gibt es auch nur die eine richtige und perfekte Distribution, nämlich - nein, lieber nicht.

Der_Andi
Geschrieben von Der_Andi am 13. Dezember 2022 um 18:48

Genau! Die einzig wahre Distribution ist die von mir eingesetzte! 😉 Und die wechselt von Zeit zu Zeit 😁

The_Raven
Geschrieben von The_Raven am 13. Dezember 2022 um 18:23

Lol, herrlich! Genau so ist es! Ich vermisse noch Linux Mint. 😉 Was da wohl kommt? Der faule DAU bei dem möglichst alles out of the box laufen muss!? Das wäre dann wohl ich! 😂 Teilweise jedenfalls... 😁

Der_Andi
Geschrieben von Der_Andi am 13. Dezember 2022 um 18:53

Ganz klasse Idee und bei den Distributionen die ich kenne auch absolut zutreffend. Derzeit setze ich EndeavourOS mit Plasma ein, mir fällt aber keine Beschreibung dazu ein. Aber ich denke, dass Du das auch so grandios hinbekommst. Viele Grüße, Der_Andi

gryps
Geschrieben von gryps am 13. Dezember 2022 um 22:17

Hm, wie sortiert sich dann jemand ein, der innerhalb von 21 Jahren eine Reise von Debian zu Manjaro gemacht hat, eine laienhafte, konfliktscheue Fanboy-Diva? 🤪

Miru
Geschrieben von Miru am 13. Dezember 2022 um 23:45

Linux Mint ist der Alleskönner, der inzwischen ein wenig in sich selbst verliebt ist und deshalb auch alte Positionen nur zögerlich aufnimmt oder nehmen kann, da sie ja auf der Diva beruht. Von wegen Touchscreen, funktioniert zwar, ist aber nicht so unsere Welt. Kommt aber noch. Versuch mal, die winzig kleinen Punkte auf der Titelleiste mit dem Finger auf einem 4K-Monitor zu treffen. Der einstigen Freundlichkeit in den Foren, ist teilweise Inkompetenz gewichen. Ach ja, aber ein Point of Return ist es immer noch. Warum eigentlich? Was machen die besser? Antwort: Sie achten ihre User weiterhin. Das war von Anfang an das Leitprinzip. Steht fest wie ein Fels in der Brandung, und da wirkliche Neuerungen in Linux ausbleiben, oder gar von sich reden machen, wird dieser vermutlich noch stehen länger bleiben.

akf
Geschrieben von akf am 14. Dezember 2022 um 00:28

Warum wird bei der Auflistung von Linux-Distributionen immer ausgerechnet die am weitesten verbreitete ausgelassen? Die am weitesten verbreitete Linux-Distribution ist meines Wissens nach Android.

Manche meinen spontan, Android sei doch keine Linux-Distribution. Aber eine überzeugende Begründung konnte mir noch keiner nennen.

Gut, wir können uns darauf einigen, dass Android kein GNU/Linux ist. Aber GNU wird von den meisten nicht genannt. Und was Linux betrifft, so steckt in Android genau so viel Linux, wie in jeder anderen Linux-Distribution auch.

localhorst
Geschrieben von localhorst am 14. Dezember 2022 um 12:26

Wherever I Lay My Hat - that's my /home ;-)

Dietmar
Geschrieben von Dietmar am 14. Dezember 2022 um 18:55

Danke für den aufschlussreichen Artikel. Ja, so kann man es sehen. Für mich ist derzeit Mageia mein Linux Kumpel. Leider bin ich eben auch nur ein "Anwender" der nicht viel Mühe mit seiner Distri haben will. Zeit und Lust spielen da eine Rolle. Aber egal. Angefangen, übrigens ganz alleine, habe ich mit Kubuntu. Damals noch mit KDE 3.x oder so. Dann entdeckte ich mal Linux Mint. Auch mit KDE bzw. Plasma. Das haben die dann abgeschafft. Für mich das aus von Mint. Auch andere Dinge gefielen mir nicht mehr oder funktionierten nicht mehr so wie ich es wollte. Folge: Distrohopping. Cool ist aus meiner Sicht auch Sparky Linux entweder in der Stable oder auch in der Rolling Release Version. Nun aber erst mal Mageia bis zum nächsten Wechsel. ;-))

UbIx
Geschrieben von UbIx am 15. Dezember 2022 um 20:47

Denke die Einstufung von openSUSE ist nicht ganz stimmig. Im SuSE team sind viele Sachen sehr "Deutsch" - was mir entgegen kommt. Dass sie Red Hat nacheifern würde ich nicht sagen, nur weil sie den rpm's verwenden. Ansonsten doch ganz gute Charakterisierung :-)

Kay
Geschrieben von Kay am 15. Dezember 2022 um 23:17

EndeavourOS - einer der Musketiere Einfach soll es sein und schnell gehen, dabei immer ganz nah am Mutterschiff Archlinux bleiben.

Focussiert auf das Terminal, aber immer auch den Neuling im Blick der mit den Helfertools genauso zurecht kommt wie der faule Pro.

Etwas abgespaced und modisch gekleidet in edlem Violet, was auch gerne kultmässig zur Schau getragen wird (it’s at least 99,999% arch b.t.w).

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