Der Linux-Kumpel
Di, 13. Dezember 2022, Lioh Möller
Dies ist ein Meinungsartikel aus der Serie 'Spass am Dienstag'
Die Wahl der passenden Linux Distribution erfolgt meist aus unterschiedlichen Gründen, sei es das Paketformat, die mitgelieferte Desktopumgebung, die Aktualität oder der Umfang.
Das klingt erst mal sehr technisch, doch tatsächlich ist das wichtigste Kriterium, dass man sich wohlfühlt und das nicht nur mit dem Betriebssystem, sondern auch mit der Community. Wenn man Anwender fragt, warum sie sich für die Distribution der Wahl entschieden haben, werden so auch zumeist technische Gründe angeführt, doch diffus schwingt im Hintergrund zumeist ein Gefühl mit, dass sich schwer in Worte fassen lässt.
In diesem Artikel versuche ich einige Linux-Distributionen mit menschlichen Charaktereigenschaften zu belegen. Vielleicht erkennt sich ja der oder die Eine wieder (oder auch nicht).
Debian GNU/Linux - die Diva
Lang gibt es sie schon, die Diva Debian GNU/Linux. Erfahren und etwas in die Jahre gekommen, bietet sie alles, was sich das Herz eines Linux-Anwenders wünscht. Meist höflich und zuvorkommend, hat sie doch auch ihre zickigen Phasen, und so kommt es vor, dass man an einem schlechten Tag auf eine Frage im Forum auch mal mit einer Let Me Google that for you Antwort abgespeist wird.
Fedora - der Unverbindliche
Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick und der technisch besten Entwicklung riskiert Fedora bewusst, den Nutzer das ein oder andere Mal vor den Kopf zu stossen. Immerhin geht es um das Allgemeinwohl und da muss man schon einmal Opfer in Kauf nehmen. Das Neueste ist natürlich immer das Beste und so erinnert sich Fedora oft nicht mehr an das Gesagte von gestern. Denn wer liest schon gerne eine alte Tageszeitung?
Gentoo - der misstrauische Enthusiast
Viel Aufwand und Zeit (und Strom) bedeutet der Betrieb und die Nutzung der Gentoo Distribution. Alles muss aus den Quellen compiliert werden, da man sich selbst am meisten vertraut, die beste Optimierung aus dem eigenen System herauszukitzeln. Gentoo User sind gerne unter sich und tauschen sich über die neuesten Erkenntnisse aus. Als aussterbende Art geniessen sie heute einen besonderen Schutz.
Arch Linux - der pragmatische Elitist
Einfach soll es sein und schnell gehen, dabei aber zumindest den Ansprüchen eines Gentoo Benutzers genügen. So waren viele der ersten Arch Anwender und Entwickler auch ehemalige Nutzer der Gentoo Distribution. Viel zu aufwendig waren aber die Prozesse und so musste alles möglichst praktikabel vereinfacht und optimiert werden. Geblieben ist jedoch der Elitismus, der gerne auch kultmässig zur Schau getragen wird (I use Arch btw).
Ubuntu - der konfliktscheue Fanboy.
Ubuntu User sind meistens treue Seelen und stehen mit viel Herzblut hinter der Distribution, auch wenn sie selbst zumeist nicht aktiv an deren Entwicklung teilnehmen. Andere werden nur selten akzeptiert, denn in Ubuntu haben sie ja bereits das Beste gefunden. Doch nicht nur für sich; gerne würden sie auch andere davon überzeugen. Aufgrund der konfliktscheuen Art gelingt dies leider jedoch nur selten, denn bei den meisten Linux Usern zählen harte Fakten mehr als Werbebotschaften. Zur Gewinnung neuer Anwender, welche zuvor noch keinen Kontakt mit dem Freien Betriebssystem hatten, leisten Ubuntu User einen unermüdlichen Einsatz.
MX Linux - der rüstige Rentner
Etwas altbacken und einen Modestil liebend, der bereits in den 90er-Jahren nicht mehr en-vouge war, präsentiert sich der MX Linux Anwender. Er scheut die Kommandozeile und dessen sind sich die Macher der Distribution sehr wohl bewusst. Daher werden für die unterschiedlichsten Aufgaben kleine grafische Helferlein ausgeliefert, denn der rüstige Rentner traut sich mehr, wenn man in einer Oberfläche einen Knopf umstellen kann. Das muss ja einfach funktionieren. Wie es für Rentner üblich ist, möchten auch sie gerne wahrgenommen werden, und so werden auch mal Statistiken auf Distributionsbewertungsseiten manipuliert. Die Renten sind sicher!
openSUSE - der unsichere Unternehmer
Immer dem grossen Vorbild Red Hat nacheifernd gelang es openSUSE nie eine eigene Identität zu finden. Alle bisherigen Versuche scheiterten oder wurden von der Unternehmensleitung unterbunden (We adopt, you ...?). Auch in sonstigen Bereichen hat der Chef immer noch das letzte Wort, auch wenn man sich nach aussen hin gerne als Community präsentiert. Viele Prozesse passieren hinter verschlossenen Türen und der Anwender bekommt davon meist nichts mit. Dafür ist auch der openSUSE User verlässlich und treu, vielleicht etwas konservativ.
Manjaro - der ambitionierte Laie
Wie auch die Macher der Distribution (die gerne mal vergessen, das SSL Zertifikat der Webseite zu erneuern), sind auch die Anwender ambitionierte Laien. Etwas tollpatschig, sind sie jedoch immer interessiert und ihresgleichen gegenüber freundlich gesinnt. Die latente Angst, Arch Linux könnte nicht stabil genug sein, führt dazu, eigene Wege zu gehen und so muss jedes Paket, das von der Mutterdistribution kommt, erst mal unter Augenschein genommen werden. Gerne wäre man auch für Neueinsteiger etwas wie Ubuntu und in der etwas laienhaften Art fühlen sich viele zu Hause, da sie das Gefühl vermittelt auch mal Fehler machen zu dürfen.
NixOS - der versierte Besserwisser
Wahrscheinlich kennt kaum jemand sein System so gut, wie der NixOS User. Immerhin hat er es auf dem Reissbrett konzipiert und dann voll ausgefahren, genauso wie er es sich vorgestellt hat. Darüber unterhält er sich auch gerne mit anderen Leidgenossen bei Usertreffen oder im Netz. Und natürlich ist der deklarative Ansatz der Distribution der einzig wahre Weg, was aus technischer Sicht sicherlich auch stimmt. Dabei vergisst er jedoch, dass dieser Weg vielleicht nicht für alle anderen passt.
Falls dir eine Distribution fehlt oder eine Charaktereigenschaft ausgelassen wurde, schreibe es einfach in den Kommentaren.