Das FreeBSD Derivat helloSystem macht einiges anders, aber gerade das macht es so interessant. Das Betriebssystem ist unglaublich einfach zu bedienen. Es trifft das Design des klassischen macOS ziemlich gut, aber will sich noch stärker auf den Grundsatz der Offenheit konzentrieren.
Das System liegt bis jetzt nur in einer Entwicklungsversion vor, aber man erkennt schon das riesige Potenzial, welches das System haben kann, wenn die Entwickler die kleinen Fehlerchen beheben und ihren Grundsätzen treu bleiben. Vor allem für macOS Nutzer ist ein Umstieg auf helloSystem ziemlich einfach.
Schon beim ersten Start verhält sich helloSystem ganz anders, als andere FreeBSD Derivate: Es bietet keine Auswahl im Bootloader, sondern startet direkt. Es zeigt einen grafischen Bootscreen, keine verwirrenden Terminalausgaben. Und dann wechselt es in den grafischen Desktop, wo man von einem schlichten Willkommensbildschirm begrüsst wird.
Direkt danach erklärt das System seine Vorteile und Ziele und schliesst dann das Fenster. Einen Ersteinrichtungsassistenten gibt es nicht. Stattdessen soll helloSystem mit Standardeinstellungen nutzbar sein. Das funktioniert tatsächlich ziemlich gut. Das einzige, was ich danach in den Systemeinstellungen einstellen muss, sind die WLAN-Zugangsdaten.
Bei den Einstellungen setzt helloSystem ebenfalls auf Einfachheit. Einer der Entwickler vergleicht im Bild oben beispielsweise die Tastatureinstellungen von KDE Plasma mit denen von helloSystem: Bei KDE gibt es unzählige Einzelheiten, die den weniger erfahrenen Nutzer eher verwirren. Bei helloSystem wird einfach die Sprache gewählt und nichts weiter - Falls das überhaupt notwendig ist, denn wenn die Hardware das unterstützt, wird die richtige Tastaturbelegung von helloSystem automatisch erkannt.
Das Bedienkonzept von helloSystem ist in vier Stufen aufgeteilt:
- Stufe 0: Sinnvolle Standards, um das System nicht unbedingt anpassen zu müssen. Es soll einfach funktionieren und die wichtigsten Grundfunktionen direkt mitbringen.
- Stufe 1: Alles entfernen, was irgendwie verwirrend ist. Einstellungen sollten selbsterklärend sein und nur das Wichtigste auf den ersten Blick sichtbar.
- Stufe 2: Voller Zugriff auf Systemkomponenten. Für fortgeschrittene Nutzer sollen Terminaltools angeboten werden, mit denen sich das System weiter anpassen lässt. Auf diese sollte in den eingeschränkten grafischen Tools hingewiesen werden.
- Stufe 3: Zugriff auf den Quellcode. Entwickler sollten den Quellcode eines Programms einfach finden können. Es reicht oft nicht, einfach nur zu wissen, dass er wohl irgendwo liegt, weil es ja Open-Source ist. Eine "Quelltext anzeigen" Option in der Hilfe der Programme soll das vereinfachen.
Die helloSystem-eigenen Python-Programme bringen ihren Quellcode gleich mit. Durch einen Rechtsklick auf das Programm im Filer und "im neuen Tab öffnen" hat man Einblick in die Programmdateien und kann den Programmcode im Klartext lesen. Damit überzeugt helloSystem mit einer erfrischenden Offenheit, während das originale macOS immer weiter verschlossen wird.
Statt auf verbreitete Software, die jede Distribution fast gleich aussehen und funktionieren lässt, setzt helloSystem lieber auf Eigenentwicklungen, die mir sehr gut gefallen. Es nutzt Openbox als Window Manager. Der eigentliche Desktop ist in mehrere Teile aufgespalten: Den Filer Dateimanager, der auch für die Desktopsymbole verantwortlich ist, als Fork von PCManFM-Qt, das Dock als Fork von Cyber Dock und das Menu als Fork von Panda Status Bar.
Alle Eigenentwicklungen setzen auf das Qt Framework. Ihr Zusammenspiel wirkt stimmig und sorgt für ein einheitliches Benutzererlebnis mit dem System. Auch fremde Qt Programme wie etwa der Otter Browser integrieren sich hervorragend. Das obere Menü aller Programme wird in der Statusleiste angezeigt, wie beim richtigen macOS.
Bei Programmen auf Basis des GTK Toolkits von GNOME funktioniert das leider noch nicht. Man arbeitet aber daran, dass das in Zukunft funktioniert und hat schon einige Informationen dazu im Readme des Menu Projekts zusammengefasst.
helloSystem tut mehr, als nur auf Bloatware zu verzichten. Sogar Programme, die man für wirklich sinnvoll hält, werden dem Nutzer nicht aufgezwungen, sondern sind zunächst lediglich als Verknüpfung in der Programmauswahl enthalten. Erst beim Klick darauf wird man gefragt, ob man das Programm herunterladen und installieren will. Daran könnten sich Windows und Android mal ein Beispiel nehmen...
Wie man sieht, ist auch das sehr benutzerfreundlich und einfach umgesetzt. Die Programme, die hier installiert werden, kommen aus dem offiziellen Repository von FreeBSD. Grafisch installierbar ist nur eine kleine Auswahl an Programmen, die bereits ein Desktopsymbol besitzen. Ich vermute, dass eine vollumfängliche grafische Paketverwaltung für die Zukunft ebenfalls geplant ist, wir befinden und ja hier noch in einem sehr frühen Stadium des Projekts.
Über das Terminal können alle Programme installiert werden, die im FreeBSD Repository verfügbar sind. Das geschieht mit dem pkg Befehl, den ich bereits bei FreeBSD selbst und den anderen Derivaten vorgestellt habe. Auf diese Art installierte Programme erscheinen allerdings noch nicht in der Programmübersicht.
Auch hier ist die einzig logische Erklärung, dass das dem frühen Zustand des Projekts geschuldet ist und in Zukunft behoben wird. Man kann aus dem Repository installierte Programme natürlich problemlos aus dem Terminal heraus starten. Sie integrieren sich trotzdem hervorragend in das System, wie ich mit Otter Browser bereits gezeigt habe.
Wem helloSystem gefällt, der kann das System auch permanent auf seiner Festplatte installieren. Dazu kann das grafische Installationstool FreeBSD Installer genutzt werden, das bereits vorinstalliert ist. Das live Image ist ein DVD Abbild, das keine Dateien oder Einstellungen über Neustarts hinweg speichern kann, selbst wenn es auf einem USB-Stick genutzt wird. Eine Installation macht in dem Fall also Sinn.
Fazit: Das System kann jetzt schon vieles und ist auf jeden Fall für alle, die gerne Neues ausprobieren und vor allem für die, die Erfahrung mit macOS haben, einen Versuch wert. Mit erstem Git Commit im Juli 2019 hat das Projekt noch keinen so langen Weg hinter sich, aber noch einen weiten vor sich. Man sieht, dass hier zurzeit einiges passiert. Der letzte experimentelle Build ist gerade mal einen Tag alt (stand Sonntag).
Ich wurde erst nach Veröffentlichung der anderen Teile meiner FreeBSD Serie auf die Existenz von helloSystem hingewiesen. Jetzt kann ich zweifelsfrei sagen, dass dieses für mich das interessanteste Projekt aus dem FreeBSD Bereich ist. Ich werde dieses Projekt auf jeden Fall weiter verfolgen und hier berichten, wenn es interessante Neuerungen gibt. Vielleicht ist das ja endlich dieses Projekt, das es schafft, ein freies Betriebssystem in jeden Haushalt zu bringen? Wir werden sehen.
Quellen: