Mein Steam Deck und Ich

  Actionschnitzel   Lesezeit: 9 Minuten  🗪 5 Kommentare

Ein subjektives Review des Steam Decks.

mein steam deck und ich

Video-Spiele waren in meinem Leben immer wichtig. Im Jahr 1995 wurden meine Augen groß, als ich in der "Höhle" meines Cousins vor einem (ich glaube) C64 saß und "Turtles" und irgendein Arcade-Race zockte. Jedenfalls ist das schon sehr lange her, und ich lege meine Hand nicht dafür ins Feuer, ob es ein C64 oder ein Amiga war. Im ersten Stock stand ein PC, auf dem ich am selben Tag Mahjong spielen durfte. Ich muss wohl während der Familienfeier sehr oft erwähnt haben, dass mir langweilig ist. :-D

Dieser Tag ist daran schuld gewesen, dass ich meinen Eltern einen Game-Boy aus den Rippen geleiert habe. Noch heute muss jedes Jahr einmal Kirby's Dream Land durchgezockt werden. Im Jahr '99 bekam ich eine PlayStation, ich habe sie geliebt. Heute aber bin ich Realist und verkläre ihre Spiele nicht nostalgisch als »unglaublich gut«. Bis auf Tony Hawk's Pro Skater 2! Im Jahr 2000 kam dann der erste PC in mein Zimmer. Counter-Strike und viele Spiele, die dann in DE indiziert wurden, ließen mich staunen. '03 war ein Schlüsseljahr, denn SuseLinux 9.0 landete auf meinem PC (DualBoot). Ich hatte genau ein einziges Spiel, das nativ (und überhaupt) auf Linux lief. Der damals aktuellste Teil der Unreal-Reihe. Das Jahr 2004 war der Hammer! Ich habe mir Half-Life 2 besorgt und meinen Steam-Account eingerichtet. Eine tolle Zeit mit vielen Erinnerungen! Mein Rücken fand es aber nie so toll, permanent am Schreibtisch zu sitzen. Mit dem Game Boy konnte ich wenigstens auf dem Sofa lungern. Meine PlayStation Portable kaufte ich 2010 und Sofa-lungern war wieder angesagt. Und 2019 habe ich mir mit meiner Tochter eine Switch gekauft, die mittlerweile verstaubt, weil – naja – sagen wir einfach, die Spiele ruckeln.

Das Jahr 2023

Valve hat mit Proton "Gaming on Linux" fast salonfähig gemacht, und der Entwickler GloriousEggRoll treibt mit seinem Fork "Proton-GE" die Kompatibilität schnell voran. Nur 2 % meiner Steam-Bibliothek sind unspielbar auf Linux oder haben Bronze-Status. Das Problem: Mein Rechner ist aktuell, nur die Grafikkarte nicht. Die GTX960 macht langsam aber sicher bei neuen Spielen nicht mehr mit. An die gemütlichen Zocker-Sitzungen auf dem Sofa erinnert, habe ich beschlossen, mir im Jahr 2023 das Steam Deck zu gönnen.

Arch-Enemy

Nun bin ich ja ein Debian-Mann. Hier bin ich zu Hause. SteamOS basiert auf Arch, und obwohl ich Arch auch kann, hatte ich ein paar Bedenken: Was, wenn ich am System herumbastle und das OS zerschieße?

Ok, SteamOS basiert also auf Arch, aber nachdem ich mich durch das System gewühlt habe, ist mir der Song von "Die Ärzte" in den Kopf gekommen: "Ist das noch Punk-Rock?" Ich glaube nicht.

Ja, das war irgendwann mal Arch-basiert, aber was da läuft, ist ein Immutable-Linux, das aktuell sein kann, wenn Valve das will. Und das ist gut so, denn sonst würden sehr viele Nutzer anmerken, dass ihr Deck nicht stabil ist.

Wie man das aushebelt, könnt ihr hier nachlesen. Im Linux Guides Forum habe ich einen Dreiteiler veröffentlicht und die wichtigsten Kommandos (hoffentlich gut) erklärt.

Ja, und jetzt?

Die meisten werden zu Recht sagen: "Aber ich habe einen aktuellen PC, Steam Deck brauche ich nicht."

Und um ehrlich zu sein: Das Steam Deck ist kein "Powerhouse" im herkömmlichen Sinne. Wenn man Wolfenstein 2 gut zocken will, schraubt man am besten die Auflösung runter und schraubt FSR hoch auf "3". Den Detailgrad setzt man auf "Hoch" oder "Mittel". Dann sind die 60 FPS drin, ohne dass der Lüfter sich wie ein Haartrockner anhört. Diese Methode habe ich mir für alle grafisch aufwendigen Spiele angewöhnt und fahre recht gut damit.

Mein Steam Deck ist/war die Version mit 64 GB Speicher. Erste Amtshandlung meinerseits war, eine microSD mit 256 GB zu kaufen. Das lief so lange gut, bis ich gemerkt habe, dass man nur Flatpaks installieren kann und auch sollte. Die fressen Speicher. Aktuell sind fünf verschiedene Mesa-Bibliotheken installiert.

  • Kleiner Einschub: Ich habe zwar das Arch-Repo initialisiert, aber nur um das "locale" auf Deutsch setzen zu können und "optional" nachzuinstallieren. Mehr würde ich da niemals machen! Ja, ok. Ich habe auch noch das Root-PW geändert, damit ich Decky Loader installieren konnte, aber das war's dann auch wirklich.

Achso, Flatpak. Ja, die Platte wird schnell voll, wenn man Lutris, Heroic, ProtonUp-Qt usw. installiert. Das resultierte darin, dass ich mir eine kompatible M.2 mit 512 GB gekauft und eingebaut habe und ganz ehrlich, ich spare schon für eine 1TB-Platte, denn Spiele werden immer größer. Elder Scrolls Online belegt den Großteil der microSD. Spiele mit AAA-Status gehen schon mal an die 60-80-GB-Marke und darüber hinaus.

Steam Spiele

Mein Spiele-Geschmack ist breit gefächert! Shooter, Platformer, Racing, Rogue-Likes. Ja, und auch Rollenspiele wie ESO. Das spiele ich auf dem Steam Deck im barrierefreien Modus mit Gamepad-Einstellungen. Und es ist wirklich gut.

Platformer sind absolut kein Problem. Man könnte jetzt aber denken, Shooter gehen gar nicht. Die kann man doch nicht am Controller spielen. Das Deck hat aber Trackpads und Gyroskope, und das macht einen riesigen Unterschied. Wenn das "Gyro" richtig eingestellt ist, kann man sehr präzise spielen. Da ich mit den guten alten Arena-Shootern der 2000er groß geworden bin, bin ich, was Präzision angeht, sehr pingelig. Mit dem Deck bin ich in Farlight '84 regelmäßig im Siegerteam gewesen. Ist das ein gutes Beispiel?

Als vor Kurzem Command & Conquer Alarmstufe Rot 2 zu Steam hinzugefügt wurde, wollte ich es wissen und habe es auf dem Deck installiert und durchgespielt. Wenn man die "Maus" auf das Trackpad legt und die Maus-Buttons auf die "Trigger" legt, kann man sogar klassische Echtzeit-Strategie gangbar machen. Wie cool wäre es gewesen, wenn ich Anfang der 2000er C&C oder Age Of Empires im Auto auf dem Rücksitz hätte spielen können.

Steam-Fremde Spiel

Die im letzten Abschnitt beschriebenen Konfigurationen sind übrigens auch für Steam-fremde Spiele nutzbar. Wie schon erwähnt, kann man von Werk aus nur Flatpaks installieren. Das funktioniert recht gut. Ich nutze Lutris, um Steam-fremde Spiele zu zocken. Das lässt sich ganz einfach über Discover installieren. Zurzeit habe ich einen echt nervigen Bug, der verhindert, dass meine GOG-Bibliothek angezeigt wird. Daher muss ich meine Spiele manuell über den Browser herunterladen. Nachgeforscht habe ich aber bislang nicht. Ich bin immer sehr daran interessiert, die aktuellste Version von Wine-GE und Proton-GE zu nutzen. Damit fahre ich wirklich gut, und die GOGs laufen fantastisch. Das einzige Spiel, das wirklich gar nicht geht, ist "Herkules", das kann ich gerade noch verkraften. Crysis wäre da weitaus schlimmer. :-D

Fazit

Ist das Steam Deck für jeden etwas? Natürlich nicht. Wer mehr Speicher benötigt, sollte Geld im Beutel haben oder/und wissen, wie man an Hardware herumschraubt. Wer den Desktop nutzen möchte oder mehr als nur über Steam spielen will, sollte "Linux-Kenntnisse" haben oder besser gesagt "fortgeschrittene Linux-Kenntnisse". Man muss immer jonglieren zwischen Grafikqualität und Akkuleistung.

Ich für meinen Teil bin glücklich. Fast alle Spiele, die ich besitze, kann ich gemütlich auf dem Sofa zocken (oder, wie neulich auf dem Weg in den Urlaub, Tomb Raider (2016) im Zug). Ich würde mir noch wünschen, dass Steam-Spiele mit Presets für die Hardware-Konfiguration kommen, damit FPS, Lüfter und Leistung direkt nach der Installation auf das jeweilige Spiel angepasst sind.

Vor 20 Jahren konnte ich nur ein Spiel auf Linux spielen, heute fast alles in meiner Sammlung (~400 Stück). Um mal lose Ghostbusters II zu zitieren: "Linux meißelt gut durch."

Ich würde sagen, wir sprechen uns in 20 Jahren wieder und schauen, ob ich immer noch Realist bin oder das Steam Deck nostalgisch verkläre.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Steam_Deck
https://forum.linuxguides.de/index.php?thread/2991-steam-deck-einsteiger-guide/
https://www.youtube.com/watch?v=PZQUAyDIcJg

Tags

Review, Steam Deck, Proton, Wine

Apu
Geschrieben von Apu am 29. April 2024 um 10:14

Schöner kurzweiliger Artikel - Danke!

Nepomuk
Geschrieben von Nepomuk am 29. April 2024 um 14:27

Danke für den Artikel. Tipp: Abseits von Lutris gibt es auch den Heroic-Games-Launcher als Flatpak.

Über diesen lassen sich dann Epic, GOG und Amazon Prime Games einbinden. Mit den Voreinstellungen bzgl. Wine und Proton kommt man meist schon recht weit. Oder man passt diese für jedes Spiel separat an.

Und wenn man dann unter den Einstellungen in Heroic auch an der richtigen Stelle ein Häkchen setzt, dann wird jedes installierte Spiel automatisch als Steam-fremdes Spiel in der Steam-Deck Bibliothek eingebunden.

Tealk
Geschrieben von Tealk am 29. April 2024 um 15:55

Wer kommt eig. immer auf die Idee das Arch instabil ist? Ich nutze es seit Jahren und hatte nie ein Problem mit dem OS.

Actionschnitzel
Geschrieben von Actionschnitzel am 29. April 2024 um 18:01

Das habe ich ja in dem Artikel nicht gesagt ... Die Kernaussage ist eher, dass es kontraproduktiv ist, etwas aus den Repositories zu installieren oder das AUR einzubinden, weil man nicht weiß, wie sich das dann mit den Updates von Valve verträgt.

kamome
Geschrieben von kamome am 29. April 2024 um 20:45

Danke, interessant! Für mich reicht allerdings das, was Debian mitbringt :)