Paper - ein Markdown Notizbuch

  Ralf Hersel   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 5 Kommentare

Die schöne GTK4-Anwendung versucht den Spagat zwischen Notiz-Organisation und WYSIWYG-Markdown-Editor.

paper - ein markdown notizbuch

Die Anwendung Paper ist eine neue Notizbuch-Anwendung, die WYSIWYG-Markdown unterstützt. Sie basiert auf GTK4 und Libadwaita, womit sie sich für den GNOME 42 Desktop empfiehlt. Im Titel schreibe ich "Markdown Notizbuch", was bei einigen Leser:innen die grössten Hoffnungen oder die schlimmsten Befürchtungen weckt. Und damit habt ihr absolut recht, insbesondere wenn man ein WYSIWYG-Markdown-Editor sein möchte, kombiniert mit einem guten (sprich: gegliedertem) Notizbuch. Diese Königsdisziplin schaffen nur ganz wenige Anwendungen.

Bei den WYSIWYG-Markdown-Editoren fallen mir in der freien Liga nur zwei ein, nämlich Marktext (leider Electron) und Nextcloud-Text (leider nicht stand-alone verfügbar). Wenn es um Notiz-Organisatoren geht, gibt es viele gute Anwendungen, wie z. B. ZIM oder Joplin. Möchte man 'the best of both worlds' haben, wird es schwierig.

Um es vorweg zu nehmen, Paper überzeugt in keiner der beiden Kategorien, bietet aber grosses Potenzial für die zukünftige Entwicklung. Die Tatsache, dass ein Markdown-Editor mit der Zusatzfunktion eines Notiz-Organisators daherkommt, kann einem entweder egal sein oder als willkommen gelten; zumindest stört es nicht.

Bei der Organisation geht Paper den Weg einer eingeschränkten Hierarchie, was viele Anwendungen so machen und meiner Meinung nach ein Fehler ist. Es stehen zwei Ebenen zur Verfügung, nämlich Notizbücher, die ganz links mit bunten Icons dargestellt werden. Innerhalb dieser Bücher können beliebig viele Notizen erstellt werden, die im zweiten Panel angezeigt werden. Grafisch sieht das hübsch und sauber aus, allerdings fehlen grundlegende Funktionen zum Sortieren, Anordnen und Verschieben der Notizen. Auf eine Verschlagwortung (taging) muss man auch verzichten. Da sich Paper in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, ist davon auszugehen, dass hier noch nachgeliefert wird.

Wie gesagt, ich halte die Beschränkung auf zwei Organisationsebenen bei einer solchen Anwendung für einen Designfehler. Man sollte Anwender:innen nicht in ihrer Organisationsstruktur einschränken. Die Unterteilung in verschiedene Notizbücher, geht völlig in Ordnung, aber die Beschränkung der Notizen auf eine Ebene, geht gar nicht; da hätten die Entwickler wenigstens ein Taging beifügen können. Das ist natürlich nur meine Meinung; vielleicht genügen die zwei Ebenen für 99 % der Anwender:innen.

Der Markdown-Editor gehört in die Kategorie WYSIWYG. Dabei wird nicht zwischen der Code- und Rendering-Ansicht unterschieden, sondern direkt der formatierte Markdown-Text angezeigt. Andere Editoren (z. B. ReText) unterscheiden zwischen den beiden Ansichten: links der Code, rechts das Ergebnis. Manche Editoren bieten eine Wechselansicht, wie etwa Apostrophe. Es ist Geschmacksache, welche Variante einem besser gefällt; ich mag die WYSIWYG-Editoren, weil man sich auf den Inhalt konzentrieren kann, ohne umschalten zu müssen. Dies scheint aber auch die schwerste Disziplin zu sein, gibt es doch nur sehr wenige Anwendungen, die das wirklich gut beherrschen (Typora; leider proprietär).

Bei Paper funktioniert in diesem Bereich bedauerlicherweise noch nicht viel. Unten im Fenster gibt es eine sehr unvollständige Werkzeugleiste für die Basisformatierungen. Der Info-Button rechts unten gibt eine knappe Hilfestellung zur Markdown-Syntax, was mir gut gefällt. Enttäuschenderweise funktioniert die Mehrheit der Befehle im Editor nicht. Hier seht ihr einige Beispiele:

Paper punktet mit der guten Idee, einen Markdown-Editor mit der Notiz-Organisation zu kombinieren. Ausserdem gibt es noch keine andere Anwendung, die diese Funktionen unter GTK4 mit Libadwaita umgesetzt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt, in der Version 22.5 vom 24. Mai 2022, lohnt sich der produktive Einsatz der tollen Anwendung noch nicht. Ihr solltet jedoch auf jeden Fall die weitere Entwicklung von Paper im Auge behalten. Wer die App gerne ausprobieren möchte, findet sie als Flatpak hier.

Quelle: https://posidon.io/paper/

Tags

Editor, Markdown, Notizen, Organisator, WYSIWYG, Paper, WYSIWYG-Markdown-Editor, WYSIWYG-Markdown-Editoren, Notizbuch, Markdown-Editor, Anwendung

Gast
Geschrieben von Gast am 27. Mai 2022 um 12:39

Kleiner Hinweis zum Thema Notizen:

CherryTree ist auch ein gute Anwendung wenn es um Notizen, Organisation, Dokumenten Archivierung (Bilder, Texte, Dateien, Grafiken) etc. geht. Sehr Flexibel in den Nutzungsmöglichkeiten.

gerriet
Geschrieben von gerriet am 28. Mai 2022 um 12:44

Mensch, da war jemand scheller 😃 Das tool wollte ich vorschlagen

Christopher
Geschrieben von Christopher am 28. Mai 2022 um 19:06

CherryTree habe ich unter Debian an getestet und macht einen guten Eindruck. Da werde ich mal ein bisserl mit herum experimentieren. Danke für den Tip.

tuxfanmatze
Geschrieben von tuxfanmatze am 27. Mai 2022 um 18:25
  • Nextcloud Notizen kann man mit sync-Verzeichnis local einbinden, (Endung .md nutzen), z.B. auch als Favoriten/Lesezeichen im Dateimanager. Bearbeitung im (Markdown)-Editor. Neue Kategorie einfach als Verzeichnis. Steht dann auch wieder Online, auf dem Handy und allen Desktops zur Verfügung.
Christopher
Geschrieben von Christopher am 28. Mai 2022 um 19:47

Ich freue mich grundsätzlich auf GNOME 42. Da passiert gerade so viel habe ich den Eindruck. Am Anfang dachte ich nur: "Oh Mann, bis das mal in Debian Stable ist (also dann Bookworm) ...!" Allerdings glaube ich das es gut ist wenn das noch braucht. Vieles angefangen in GNOME 42 und noch nicht fertig oder Buggy, aber das wird. Ich freue mich jedenfalls.