Pawel Durow antwortet

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten  🗪 5 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Erstmals nimmt der Telegram-Gründer Pawel Durow Stellung zu seiner Einvernehmung in Frankreich. Hier findet ihr seine übersetzte Äusserung.

pawel durow antwortet

Vor ein paar Minuten hat sich der Telegram-Gründer Pawel Durow zu seiner Einvernehmung in Frankreich geäussert. Ich gebe seine Stellungnahme hier in übersetzter Form wieder:

❤️ Danke an alle für eure Unterstützung und Liebe!

Letzten Monat wurde ich 4 Tage lang von der Polizei befragt, nachdem ich in Paris angekommen war. Mir wurde gesagt, dass ich persönlich für die illegale Nutzung von Telegram durch andere Personen verantwortlich sein könnte, da die französischen Behörden keine Antworten von Telegram erhalten haben.

Dies war aus mehreren Gründen überraschend:

1. Telegram hat einen offiziellen Vertreter in der EU, der EU-Anfragen annimmt und beantwortet. Seine E-Mail-Adresse ist für jeden in der EU öffentlich zugänglich, der nach „Telegram EU address for law enforcement“ googelt.

2. Die französischen Behörden hatten zahlreiche Möglichkeiten, mich zu erreichen und um Unterstützung zu bitten. Als französischer Staatsbürger war ich ein häufiger Gast im französischen Konsulat in Dubai. Als ich vor einiger Zeit darum gebeten wurde, half ich persönlich dabei, eine Hotline mit Telegram einzurichten, um mit der Terrorgefahr in Frankreich umzugehen.

3. Wenn ein Land mit einem Internetdienst unzufrieden ist, besteht die gängige Praxis darin, eine Klage gegen den Dienst selbst zu erheben. Die Anwendung von Gesetzen aus der Vor-Smartphone-Ära, um einen CEO für Verbrechen anzuklagen, die von Dritten auf der von ihm verwalteten Plattform begangen werden, ist ein falscher Ansatz. Die Entwicklung von Technologien ist so schon schwierig genug. Kein Innovator wird jemals neue Tools entwickeln, wenn er weiß, dass er persönlich für den möglichen Missbrauch dieser Tools verantwortlich gemacht werden kann.

Es ist nicht einfach, das richtige Gleichgewicht zwischen Datenschutz und Sicherheit zu finden. Man muss die Datenschutzgesetze mit den Anforderungen der Strafverfolgung und die lokalen Gesetze mit den EU-Gesetzen in Einklang bringen. Sie müssen die technologischen Grenzen berücksichtigen. Als Plattform wollen Sie, dass Ihre Prozesse weltweit einheitlich sind und gleichzeitig sicherstellen, dass sie in Ländern mit schwacher Rechtsstaatlichkeit nicht missbraucht werden. Wir haben uns verpflichtet, mit den Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, um das richtige Gleichgewicht zu finden. Ja, wir stehen zu unseren Prinzipien: Unsere Erfahrungen sind geprägt von unserer Mission, unsere Nutzer in autoritären Regimen zu schützen. Aber wir waren schon immer offen für den Dialog.

Manchmal können wir uns mit der Regulierungsbehörde eines Landes nicht über das richtige Gleichgewicht zwischen Datenschutz und Sicherheit einigen. In solchen Fällen sind wir bereit, das Land zu verlassen. Das haben wir schon oft getan. Als Russland von uns die Herausgabe von „Verschlüsselungscodes“ verlangte, um die Überwachung zu ermöglichen, haben wir uns geweigert - und Telegram wurde in Russland verboten. Als der Iran von uns verlangte, Kanäle friedlicher Demonstranten zu blockieren, weigerten wir uns - und Telegram wurde im Iran verboten. Wir sind bereit, Märkte zu verlassen, die nicht mit unseren Prinzipien vereinbar sind, denn wir machen das nicht des Geldes wegen. Uns treibt die Absicht an, Gutes zu bewirken und die Grundrechte der Menschen zu verteidigen, insbesondere an Orten, an denen diese Rechte verletzt werden.

All das bedeutet nicht, dass Telegram perfekt ist. Auch die Tatsache, dass Behörden verwirrt sein könnten, wohin sie Anfragen schicken sollen, ist etwas, das wir verbessern sollten. Aber die Behauptungen in einigen Medien, Telegram sei eine Art anarchisches Paradies, sind absolut unwahr. Wir entfernen jeden Tag Millionen von schädlichen Beiträgen und Kanälen. Wir veröffentlichen täglich Transparenzberichte (wie diesen (http://t.me/stopCA) oder diesen (https://t.me/isiswatch) ). Wir haben direkte Hotlines mit NGOs, um dringende Moderationsanfragen schneller zu bearbeiten.

Wir hören jedoch Stimmen, die sagen, dass dies nicht genug ist. Der abrupte Anstieg der Nutzerzahl von Telegram auf 950 Millionen hat zu Wachstumsschmerzen geführt, die es Kriminellen leichter gemacht haben, unsere Plattform zu missbrauchen. Deshalb habe ich es mir persönlich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass wir die Dinge in dieser Hinsicht deutlich verbessern. Wir haben intern bereits mit diesem Prozess begonnen, und ich werde Ihnen bald weitere Einzelheiten über unsere Fortschritte mitteilen.

Ich hoffe, dass die Ereignisse im August dazu führen werden, dass Telegram - und die gesamte Social-Networking-Branche - sicherer und stärker wird. Nochmals vielen Dank für eure Liebe und Memes 🙏

Dieser Text wurde am 5. September 2024, um 22:45 auf "Du Rove's Channel", das ist Pawels Kanal auf Telegram gesendet. Ich habe seinen Post übersetzen lassen und nicht kommentiert. Die Einordnung folgt später.

Quelle: https://t.me/durov/342

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Telegram, Durow, Messenger

Tobias
Geschrieben von Tobias am 6. September 2024 um 10:34

Nichts konkretes aber zum Teil widersprüchliches von ihm. Einerseits: "Telegram ist bereit, Märkte zu verlassen, die nicht mit unseren Prinzipien vereinbar sind" und anderseits "Wir entfernen jeden Tag Millionen von schädlichen Beiträgen und Kanälen." Doch nicht alle gemeldeten, und daraufhin ggf. gelöschten, Nachrichten verstoßen automatisch gegen die jeweils geltenen Gesetze . Ohne einen Richter ist das nicht immer leicht oder zweifelsfrei entscheidbar! Besonders wenn man nur ein kleines Team ist, bei Telegram arbeiten wohl nur etwas mehr als 30 Leute, löscht man dann möglicherweise eher mehr als zu wenig und natürlich ist das dann maschinell automatisiert, weil es nicht anders geht. Da hier offensichtlich nicht einmal zwischen 1:1 - 1:n - n:m Kommunikation und offenen oder geschlossenen Gruppen / Kanälen auf Telegram unterschieden wird, kommt schnell auch der Geruch von Zensur auf. Sich zwischen "Free Speech" & den geltenen Gesetzen bewegen zu müssen und aufzupassen, dass es nicht in Zensur mündet, ist wahrlich ein Balance-Akt, doch den Systembetreiber anzuklagen muss nicht immer der richtige Weg sein. Die Post transportiert auch Erpresserbriefe oder Beleidigungen, doch niemand würde den Post-Vorstand verhaften. Gleiches gilt für die Bosse der Mobilfunkprovider, die Bahn, Bus oder Taxis (ja, darin fahren sehr viele Verbrecher zur "Arbeit" :-D und es finden dort auch Beleidigungen statt).

kamome
Geschrieben von kamome am 6. September 2024 um 20:17

> Ohne einen Richter ist das nicht immer leicht oder zweifelsfrei entscheidbar!

Mit Richter ebenfalls nicht!

S0niX
Geschrieben von S0niX am 6. September 2024 um 20:55

Aber wenn sich die Post weigert zusammenzuarbeiten und verdächtige Pakete öffnen zu lassen, dann wird man der Post schon an den Karren fahren. Und Telegram ist ja bekannt dafür eher verschlossen zu sein.

Es mag schon sein dass Telegram bei diesem oder jenem Thema löscht, aber halt nicht bei allen. Und je nach Ansicht, kann das gut oder auch schlecht sein. Ich persönlich mag da gar kein Urteil abgeben ob Telegram mehr oder weniger entfernen sollte. Ich kann beide Seiten gut verstehen. Ich bin froh solche Entscheidungen nicht treffen zu müssen.

Mutant77
Geschrieben von Mutant77 am 7. September 2024 um 09:53

Was ist daran widersprüchlich?

Er legt doch relativ (in einer kurzen Telgramnachricht) da wie deren Position ist. Er sagt deutlich, wie auch schon vorher, dass sie löschen und eingreifen. Alles andere geht heute auch nicht.

Mein Eindruck ist aber auch, dass du nur einen relativ geringe Vorstellung über die Eingriffe in die Kommunikation hast. Natürlich werden die Betreiber von den Staaten dazu verpflichtet ihre Dienste zu beobachten und Überwachen. Aber die Frage wo die Grenzen liegen ist heute deutlich niedriger als noch vor einigen Jahren.

Norris
Geschrieben von Norris am 8. September 2024 um 14:04

Es geht doch nicht nur alleine um das Filtern und Löschen von unerwünschten Inhalten. Im Vordergrund steht die Kontrolle, Überwachung und Denunzierung von Menschen, die sich irgendwann gar nicht mehr trauen werden ihren Mund überhaupt noch zu öffnen. Kein EU-Land fragt soviele Nutzerdaten ab wie Deutschland ... https://www.heise.de/news/Ueberwachung-Deutschland-fragt-europaweit-die-meisten-Nutzerdaten-ab-9860933.html

Interessant wären natürlich die Gründe für das Abfragen der vielen Nutzerdaten. Neben Organisierter Kriminialität, gewisser Kinderbilder (Frage: Wie werden damit eigentlich konkrete Verbrechen verhindert?) wird oft "Hass & Hetze" angeführt. Ich habe jedoch die leise Vermutung, dass es in den allermeisten Fällen lediglich darum geht, dass irgendwer jemanden als dick oder inkompetent oder ähnliches bezeichnet hat... Der Meinungskorridor wird damit immer enger und „unsere“ Politiker wollen immer noch mehr abfragen und überwachen. Stichworte: IP- und Vorratsdatenspeicherung, die schon einige Male erst vom Verfassungsgericht gestoppt bzw. wenigsten eingeschränkt werden konnte. Die Stasi wäre bestimmt mächtig stolz auf unsere heutigen Verhältnisse!

https://www.youtube.com/watch?v=iHlzsURb0WI