Zum Wochenende: Lässt KI die Blase platzen?

  Ralf Hersel   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 7 Kommentare

Dann geht doch zur KI und lass sie die Probleme der Community lösen!

zum wochenende: lässt ki die blase platzen?

Wie so oft, werfen meine Artikel-Überschriften mehr Fragen auf, als sie den Artikel-Inhalt beschreiben. Ja, das kann man als Clickbaiting bezeichnen. Bei GNU/Linux.ch ist das aber nicht negativ gemeint, weil wir in den Artikeln keine Werbung betreiben, euch nichts verkaufen wollen, nichts tracken und ohnehin ganz lieb sind. Mir macht es einfach Spass, Titel zu schreiben, die auf den ersten Blick ein wenig in die Irre führen.

Nicht nur GNU/Linux.ch, die Free Software Foundation Europe und viele andere Organisationen und Vereine der Community grübeln seit Langem darüber nach, wie man die Blase platzen lassen kann. Die vielen Veranstaltungen, Podcasts und Webseiten wälzen sich mehr oder weniger im eigenen Saft. Es bringt nichts, Überzeugte zu überzeugen.

Deshalb werde ich in diesem Wochenendbetrag die neuen Götter befragen, wie man die Eule nicht nach Athen trägt.

Damit der Artikel nicht zu feuilletonistisch wird, stelle ich zwei Thesen auf:

  1. Das Ziel der Community ist es, über Freie Software zu informieren und deren breite Verwendung zu etablieren (siehe auch Pluralismus).
  2. Antithese: Das Ziel der Community ist es, Freie Software in einem geschützten Raum zu stärken und gegenüber äusseren Einflüssen abzusichern (siehe auch Elitarismus).

Bevor ihr wütende Kommentare zur Antithese schreibt, geht es jetzt ganz locker weiter. Ich habe eine KI befragt, wie man aus der Blase ausbricht. Dazu habe ich Bavarder befragt. Die Frage habe ich in Englisch gestellt, weil das bessere Resultate ergibt:

Hier ist die Frage und die Antwort auf Deutsch:

Frage:
Die Linux-Community lebt in einer Blase. Deshalb ist es schwierig, neue Menschen für freie Software zu begeistern. Welche Möglichkeiten gibt es, aus der Blase auszubrechen?

Antwort (von Hugging Chat):
Um ein grösseres Publikum anzusprechen und diejenigen anzuziehen, die noch nicht Teil der Linux-Gemeinschaft sind oder sich mit Freier Software auskennen, sind hier einige Schritte, die Sie unternehmen können, um aus der "Blase" auszubrechen:

1. Benutzererfahrung im Fokus: Einfach zu bedienende Schnittstellen und übersichtliche Dokumentation können Freie Software auch Nutzern zugänglich machen, die technisch weniger versiert sind oder wenig Erfahrung mit Open-Source-Produkten haben.

2. Emphasize: Die Hervorhebung realer Szenarien, in denen Freie-Software-Lösungen spezifische Probleme von Unternehmen und Einzelpersonen lösen, kann die greifbaren Vorteile der Nutzung dieser Tools verdeutlichen.

3. Kollaboration fördern: Erzählen Sie Geschichten von erfolgreichen Kooperationen zwischen verschiedenen Gruppen, einschliesslich, aber nicht beschränkt auf Studenten, Fachleute, Forscher, Entwickler usw., die zusammenarbeiten, um Freie Software zu verbessern und zu erhalten.

4. Interaktion mit Mainstream-Medien: Arbeiten Sie mit Journalisten, Bloggern, YouTubern, Podcastern und sozialen Influencern zusammen, um Ihre Botschaft einem grösseren Publikum zu vermitteln. Diese Taktik erweitert Ihre Reichweite über traditionelle Fachpublikationen hinaus und zieht Menschen an, die Inhalte über verschiedene Kanäle konsumieren.

5. Lernmöglichkeiten schaffen: Biete anfängerfreundliche Tutorials, Webinare, Workshops, Hackathons usw. an. Führe potenzielle Nutzer in die Grundlagen ein und erlaube ihnen, die Fähigkeiten freier Software in ihrem eigenen Tempo zu erkunden. Praktische Übungen bieten wertvolle Übungen und verringern Einschüchterungsfaktoren beim Ausprobieren von etwas Neuem.

6. Showcase innovative Anwendungen: Präsentieren Sie Projekte, die mit freier Software erstellt wurden, und teilen Sie Fallstudien, die zeigen, wie diese Tools Kreativität und bahnbrechende Errungenschaften in verschiedenen Branchen ermöglicht haben. Durch die Demonstration von Phantasie und Einfallsreichtum spricht diese Botschaft diejenigen an, die nach neuen Ideen und Methoden zur Problemlösung suchen.

Was haltet ihr von diesen sechs Empfehlungen der KI? Ich hätte sie nicht besser schreiben können. Kritiker mögen die Antworten als Gemeinplätze abtun (Was du nicht sagst, Sherlock!) und innovative Ideen fordern (die sie vermutlich selbst nicht liefern).

Nach diesem kurzen Ausflug in die Fantasmen der Künstlichen Intelligenz, komme ich auf den Boden der Realität zurück. Die Antithese postuliert nicht die Öffnung und Verbreitung Freier Software (und auch Freier Gesellschaft), sondern deren Abschottung. Der Gedanke hinter dieser Antithese beruht auf jahrelanger Erfahrung meinerseits. Bevor ich fortfahre, möchte ich ganz klar sagen, dass es sich um eine These, und nicht um eine Überzeugung handelt. Diese These stelle ich in den Raum, damit darüber diskutiert werden kann.

Wer die Angelegenheit nicht schwarz/weiss betrachten möchte (These/Antithese), kann sich auch fragen, wie hoch der eigene Missionierungs-Level ist. Level 0 wäre: "Ich fühle mich wohl in der Community. Was die anderen machen, ist mir egal. Wenn jemand Freie Software nutzen möchte, kann er oder sie es ja tun." Level 10 wäre das Gegenteil: "Ich fühle mich erst dann wohl, wenn sich Freie Software überall durchgesetzt hat. Deshalb nutze ich jede Gelegenheit, um andere zu überzeugen. Die Leute müssen zu ihrem Glück gezwungen werden." Zwischen diesen Extrempositionen gibt es beliebig viele Zwischenstufen. Wo siehst Du Dich?

Tags

Blase, Bubble, Echokammer, KI, Pluralismus, Elitarismus, GPT

Thomas
Geschrieben von Thomas am 12. Mai 2023 um 18:13

Ein sehr gute Schilderung der Situation. Ich selber arbeite sehr gerne mit Open Source Software, einfach weil ich neugierig und gerne ein zweites Tool zur Hand habe. Andere von diesen Programmen zu überzeugen ist unheimlich schwer. Die Bequemlichkeit siegt. Wie oft habe ich Menschen davon überzeugen wollen Libre Office statt Office365 zu verwenden. Vergeblich. Meine Vermutung, die Droge (Word), die Bequemlichkeit ist einfach übermächtig. Selbst wenn die Open Source Software technisch überlegen ist, wie z. B. Qgis in vielen Anwendungsbereichen und auch erheblich wirtschaftlicher, es gelingt nicht. Selbst die Befreiung aus einem goldenen Käfig des Vendor lockin ist ein Argument das gehört, aber nicht verstanden, bzw. einfach ignoriert wird. Selbst Kaufleuten, ist das irgendwie nicht zu vermitteln.

Ein Argument, das ich häufig höre ist, „das sieht aber ganz anders aus“… und warum funktioniert das nicht so wie ….

Die Folge… ich mach mein Ding, komme gut damit zurecht, die Anderen naja, sollen sie einfach weiter wursteln.

Es ist also beides Pluralismus (in der Begeisterungsphase) und Elitarismus (nach vielen Bekehrungsversuchen)

Vielleicht sollten die „alten Recken“ sich mehr auf die junge Generation konzentrieren, die sind einfach flexibler und da konnte ich auch bereits ein paar wenige Überzeugen. Die entscheiden aber leider nicht, welche Software im Betrieb verwendet wird.

AT69
Geschrieben von AT69 am 14. Mai 2023 um 07:45

Stimme dir absolut zu Thomas, aber wir in unserer Linux-Blase müssen uns klar werden, dass mir eine Minderheit sind, und eine bleiben werden. Denn etwas Neues lernen oder gar eine alte Gewohnheit aufzubrechen, dafür ist die Menschheit nicht bereit, auch nicht, wenn es Vorteile wie z. B. bei Linux es sie gibt. Ich arbeite schon seit Debian 8 auf Linux, habe nun auf 12 umgesattelt und habe das Linux mir mit 48 Jahren selbst beigebracht, weil ""ICH"" das wollte. Die Lernkurve ist sehr steil, und kann für manche ein großes Hindernis sein, da entsteht bei den meisten schon der erste Grund, dass sie nicht umsteigen wollen. Windoof bietet hier einfach mehr für die Leute, sie brauchen es nicht installieren, sie brauchen nur ein wenig herumzuklicken und das Ding läuft, das wollen die Leute da draußen. ;-)

Stefan
Geschrieben von Stefan am 14. Mai 2023 um 10:44

Ich sehe mich bei Level 0. Versuchen andere Menschen von Open Source Software zu überzeugen, habe ich vor Jahren aufgegeben. Die Menschen in meinem Umfeld interessiert das nicht die Bohne! Da ist nicht ein Funken Interesse vorhanden, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Meine Schwiegermutter und meine Frau nutzen gerne Linux. Sie sind aber ausschließlich Anwender und ich der Administrator. Von Linux haben die beiden keine Ahnung und sie könnten auch kein Linux System alleine installieren und konfigurieren. Ich fühle mich in meiner Linux / Open Source Blase sehr wohl.

Klaus
Geschrieben von Klaus am 14. Mai 2023 um 16:37

Habe zur Computerei über die Arbeit gefunden, bin von MS-DOS in die Windows-Welt gerollt und war dort lange Zeit sehr Happy. Freie Software hat bei mir angefangen mit Thunderbird 0.8. Hatte damals die Nase voll von den email-Lösungen von MS. Dann relativ schnell herausgefunden, dass es da ja noch eine ganze Menge andere tolle Anwendungen gab. Portableappas.com entdeckt und bin genau deswegen sehr lange noch bei Windows geblieben. In der Zeit hat mich Windows Update regelmäßig sauer gemacht und dann, 2016, zwei Rechner hintereinander lahm gelegt. Das war der Druck, den ich brauchte, um Linux ernsthaft als Systembasis auszuprobieren. Wäre fast schief gelaufen; ist ne andere Geschichte. Habe mich mit Xubuntu angefreundet und arbeite daneben seit 2 Jahren mit Tumbleweed XFCE. Der eigentliche Umstieg als User war verhältnismäßig trivial für mich, da ich unter Linux einfach dieselben freien Anwendungen weiter nutzen konnte, die ich ja schon von Windows kannte. Meine Frau konnte ich überzeugen, dass alles was sie für ihre Arbeit braucht, auch mit freien Programmen wie LibreOffice, Thunderbird und Firefox geht. Damals hatte sie noch ein Windows System. Als dann Windows endlich bei ihr den Geist aufgab, habe ich Xubuntu aufgespielt, die Anwendungen eingerichtet und gesagt, du kannst jetzt weiterarbeiten. Auf der Arbeit kocketiert sie manchmal damit, dass sie Zuhause ja auf Linux arbeitet, aber eigentlich ist ihr das egal. Die für sie wichtigen Anwendungen müssen laufen.

Das ist jetzt eine sehr lange Einleitung für meinen Punkt: Es sind die Anwendungen, die für die große Masse der Nutzer von Bedeutung sind. Das Betriebssystem ist den meisten egal. Da wir alle ziemliche Faultiere sind, gehen die meisten den einfachen Weg und nehmen das, was schon da ist. Das ist fast immer aber eben Windows.

Punkt 2: So wie wir, sitzen auch die Windows Anwender in einer Blase. Die bekommt man dort aber nicht heraus, wenn sie Happy sind oder sein zu glauben. Warum sollte jemand seine aufgetretenen Pfade verlassen, solange die Person keine Problem wahrnimmt? Galt doch für mich auch.Siehe oben.

Punkt 3: Ich höre immer wieder dieses Mantra, dass wir Linux-Nutzer die Minderheit seien. TOTALER UNSINN. Alle Menschen mit Zugang zu Elektronik sind erst und vor allem Linux-Nutzer. Home Automation, Smart-TV, embedded stuff, Handy, NAS, ... Alle vertrauen sie ihre Daten Linux Servern in der Cloud an. Auch alle Windows und Apple Nutzer, vielleicht nicht immer ausschließlich, aber doch sehr weitreichend. Auch hier wieder: Es ist der Dienst, der zählt, nicht das OS, auf dem er läuft. Nur im Desktopbereich und auch nur dann, wenn man ihn überspezifisch und unseriös auf die Anwendung von Bürosoftware eingrenzt, nur dann spielt Linux als Betriebssystem die 3. Rolle.

Freie Software für freie Bürger geht nur auf einem freien Betriebssystem.

Ist das Betriebssystem nicht frei, ist es auch der Bürger nicht.

Genug geschwätzt.

AT69
Geschrieben von AT69 am 15. Mai 2023 um 14:19

Zu Punkt drei kann ich dir nur teilweise recht geben, denn viele Benutzer wissen gar nicht, dass darunter ein Linux läuft. Sie verwenden es nur, weil sie nicht einen Gedanken verschwenden müssen, wie es funktioniert, es ist ihnen nur wichtig, dass es funktioniert. Das gleiche Phänomen haben wir bei Windoof, wenn ich oft so die Fragen mir in manchen Linux Foren anschaue was dort gestellt werden, da bekomme ich immer leichten Schüttelfrost. 😁😁

BuffaloBill
Geschrieben von BuffaloBill am 15. Mai 2023 um 07:38

Das Problem sind unter anderem Linux Benutzer selber :) Da liest man dann sätze wie: "Also das Terminal solltest du schon bedienen können, sonst solltest du besser kein Linux verwenden", "Also vi(m) solltest du schon können...." "Also dieses kaputte Paket selbst reparieren...." "Also man solltest du schon noch selbst aufrufen können...." und noch viele Mehr.

Aber 99% aller Benutzer WOLLEN halt kein Terminal verwenden, Vi(m) nicht nutzen, kaputte Pakete nicht reparieren und kein man lesen. Das muss man vielleicht einfach akzeptieren? Was es tatsächlich bräuchte, ist ein professioneller Support Dienst für Endkunden (nicht für Firmen) der diese Arbeiten als Dienstleistung im Abo vertickt. (Man kauft sich ja auch MS365), aber da beisst sich der Hund in den Schwanz.

kamome
Geschrieben von kamome am 15. Mai 2023 um 16:58

Man kauft sich ja auch MS365

Aber doch sicher nicht, weil man da bei Microsoft auf Support hoffen darf.