Init Freedom: Zusammenfassung

  Niklas   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 5 Kommentare

Linux ohne systemd funktioniert und viele systemd-freie Distributionen sind nicht schwieriger zu bedienen, als solche mit systemd, während andere sogar ganz neue und spannende Ansätze bringen.

init freedom: zusammenfassung

Alternative Init Systeme gibt es inzwischen viele, und mindestens genauso viele Gründe, weshalb man systemd nicht nutzen möchte. Je mehr unabhängige kleine Pakete systemd durch sein unflexibles zusammenhängendes Konstrukt ersetzt, desto mehr Linux Distributionen entstehen, die sich Init Freedom als Ziel gesetzt haben.

Devuan listet inzwischen 15 systemd-freie Linux Distributionen bei seiner Init Freedom Kampagne. Auf Distrowatch finden sich sogar 98 Systeme, wobei allerdings viele auch Forks von anderen systemd-freien Distributionen sind oder gar nicht den Linux Kernel nutzen. In den letzten Wochen habe ich sechs solche Distributionen selbst ausprobiert und näher vorgestellt. Das Ergebnis: Ein Leben ohne systemd ist noch möglich und wenn die Distribution gut gemacht ist, muss man auf nichts verzichten.

Hier nochmal ein Überblick über die gesamte Artikelserie:

  • Auch systemd ist nicht alternativlos
    • Was haben Distributionen früher eingesetzt?
    • Was nutzen andere Unix-artige Systeme?
    • Welche alternativen Init Systeme gibt es?
    • Ein paar systemd-freie Linux Distributionen
  • Artix Linux
    • Zusammenschluss aus Arch-OpenRC und Manjaro-OpenRC
    • Bietet OpenRC, runit, s6, suite66 und dinit als Init System an
    • Eine gewohnte Umgebung für Arch Nutzer
    • Bietet einige interessante Pakete an, die Arch selbst nicht hat
  • GNU Guix
    • Eine Distribution vom GNU Projekt selbst
    • Nutzt den Linux-libre Kernel ohne Binärblobs und unfreie Treiber
    • Nutzt GNU Shepherd als Init System
    • Ähnliches Konzept wie NixOS
  • Parabola GNU/Linux-libre
    • Ist ein Fork von Arch Linux
    • Nutzt den Linux-libre Kernel ohne Binärblobs und unfreie Treiber
    • Bietet wahlweise OpenRC oder systemd als Init System an
    • Bietet die meisten Pakete aus dem Arch Repository und einige von unfreien Bestandteilen befreite Pakete an
  • Void Linux
    • Ganz unabhängige Distribution, kein Fork
    • Setzt voll und ganz auf runit als Init System
    • Bietet wahlweise musl oder glibc als Standard-C-Bibliothek an
    • Hat ein riesiges Angebot an Paketen im Repository
  • Alpine Linux
    • Unabhängige Distribution, ist die Basis für postmarketOS
    • Nutzt OpenRC als Init System und musl als Standard-C-Bibliothek
    • Ersetzt viele gängige Pakete durch leichtgewichtigere, zum Beispiel die GNU Coreutils durch Busybox
    • Hat neben den verbreitetsten Paketen im Repository eher wenig zu bieten
  • Devuan
    • Ist ein Fork von Debian
    • Verbreitetste systemd-freie Distribution und Grundlage für 18 Derivate
    • Bietet SysVInit, OpenRC, runit und Upstart als Init System an
    • Pakete sind veraltet und die Auswahl ist gering
  • Von Arch zu Artix wechseln
    • Umstellung der Repositorys
    • Installation der passenden OpenRC Pakete für jeden Service
    • Bestehendes Arch Linux System kann in ein paar Minuten auf Artix Linux migriert werden
    • Einstellungen, Dateien und installierte Programme bleiben erhalten.

Wie so oft in der Open-Source Szene kann sich ein Blick über den Tellerrand lohnen. Sicher ist der de-facto-Standard Linux Kernel + systemd Init schon eine Verbesserung gegenüber Windows, aber ist das der Standard, an dem wir uns messen sollten? Die Open-Source-Community hat für jedes Problem nicht nur eine Lösung, sondern gleich mehrere, alle mit unterschiedlichen Funktionen, Stärken und Schwächen.

Viele der systemd-freien Distributionen bewähren sich hervorragend im Alltag. Meine beiden Arch Linux Laptops habe ich auf Artix Linux mit OpenRC migriert. Das war nicht schwierig und jetzt fühlt sich insbesondere der Bootvorgang deutlich schneller an - nachgemessen habe ich allerdings nicht. Meine beiden Matrix Server mit Arch Linux habe ich auf Parabola GNU/Linux-libre mit OpenRC migriert. Das war etwas komplizierter, aber auch machbar. Auf den meisten Servern sind ohnehin keine unfreien Treiber notwendig und mit dem Wissen, dass keine potenzielle Backdoor in den proprietären Binärblobs steckt, kann ich nachts besser schlafen.

Zum Abschluss der Serie möchte ich noch um Feedback bitten. Habt ihr euch vorher schonmal mit alternativen Init Systemen und systemd-freien Distributionen beschäftigt? Nutzt ihr sie regelmässig? Wo seht ihr Vorteile oder vielleicht auch Nachteile? Habt ihr durch meine Artikel neue Projekte entdeckt, die euch gefallen? Die ihr jetzt regelmässig nutzt? Schreibt es gerne in die Kommentare.

Quellen:

Tags

Init, Linux, OpenRC, GNU, Freedom, Systemd, Distribution

Carla
Geschrieben von Carla am 14. Januar 2022 um 15:22

Hallo, im Juli letzten Jahres bin ich von Devuan (nutzte ich seit 2016) auf Artix (open rc) umgestiegen weil ich es aktueller und mit umfangreicherer software-Auswahl haben wollte. Und: nie mehr neu installieren hört sich auch gut an. Artix läuft seither auf dem Desktop und dem Laptop (ich hole täglich updates) so gut wie störungsfrei durch. Einmal hat pdf arranger nach einem update nicht funktioniert, das wurde aber schon am nächsten Tag korrigiert. Ich bin sehr zufieden damit.

tux.
Geschrieben von tux. am 14. Januar 2022 um 16:51

Ich befasse mich gerade wieder mit Slackware, weil es tatsächlich 1 Laptop in meiner Sammlung gibt, für den es noch keine BSD-Treiber gibt. Slackware verwendet ebenfalls das "klassische" Init. Zuvor liefen darauf Void (runit) und Gentoo (OpenRC).

Bisher konnte ich systemd gut vermeiden und alles, was ich an Erfahrungen dazu gelesen habe, lassen mich auch alles andere als neugierig darauf werden.

Mia
Geschrieben von Mia am 14. Januar 2022 um 20:18

Für mich ist das Init System nicht greifbar. Schön, dass es Vielfalt gibt. Wie soll mich das Init System in der Auswahl beeinflussen? Wenn ich Prozesse beim Start starten will, schaue ich in die entsprechende Dokumentation (bisher kenne ich nur SysVInit und systemd) und stelle das dann dementsprechend ein. Im laufenden Betrieb habe ich keine Unterschiede festgestellt.

UbIx
Geschrieben von UbIx am 15. Januar 2022 um 17:53

Hatte früher (vor dem wechsel vieler Distributionen auf systemd) auch init.d benutzt. Fand aber immer systemd besser in das Linux System integriert. Ich schätze die Vorteile von systemd, weniger hänger beim Systemstart oder Systemshutdown, insbesondere werden "hängende" Prozesse auch nach dedizierten (und auch im log sichtbaren) timeouts beendet - dabei muss man nur auf den langsamsten Prozess warten. Beim beenden und starten können auch Abhängigkeiten besser berücksichtigt werden. Auf jeden fall meine ich seit systemd, weniger Probleme beim Booten und Herunterfahren insbesondere meiner Home-Server zu haben. Ist aber rein subjektiv und kann auch an einigen anderen Kerneloptimierungen hängen.

Niklas
Geschrieben von Niklas am 16. Januar 2022 um 09:36

Ich habe da genau die gegenteiligen Erfahrungen gemacht. Mein Laptop hat immer weit ueber eine Minute zum herunterfahren gebraucht, weil systemd auf irgendwas gewartet hat, was ein viel zu langes Timeout hatte und scheinbar nie ordentlich gestoppt werden konnte. Mit OpenRC ist das alles kein Problem mehr, nach maximal 10 Sekunden ist es aus. Beim starten fuehlt sich OpenRC auch schneller an, aber da ist der Unterschied nicht so gross.