Vor acht Jahren habe ich ein Schulprojekt durchgeführt, um Schüler:innen an Freie Software heranzuführen und mit der Kraft der Gemeinschaft vertraut zu machen. Da dieses Projekt (soweit ich weiss) nicht wiederholt wurde, möchte ich darauf in diesem Artikel aufmerksam machen und es zur Wiederholung empfehlen.
In der Mittelstufe einer Schule sollten Projektarbeiten durchgeführt werden. Dafür habe ich die Idee eingebracht, die Kartografie der eigenen Gemeinde mithilfe der OpenStreetMap zu verbessern. Eine Geografie-Lehrerin und zwei Schüler fanden Interesse an dieser Idee. Nach einer privaten Einführung für die Schüler wurde das Projekt im Winter 2015 umgesetzt. Die beiden Schüler hatten viel Spass an der praktischen Umsetzung und wurden bei der Präsentation ihrer Ergebnisse ausgezeichnet.
Das Projekt wurde von der lokalen Presse begleitet, deren Berichterstattung ihr hier lesen könnt:
Kartografie-Projekt: Schüler schaffen Orientierung
Informatiker Ralf Hersel vervollständigt mit Hilfe zweier Schüler des Oberstufenschulhauses Weiningen die Online-Karte der Gemeinde. Die beiden Jugendlichen lernen so ihr Dorf von einer neuen Seite kennen.
Mit Karte und Stift in der Hand klappern die Oberstufenschüler Cyril und Nathanael einmal pro Woche die Strassen in Weiningen ab. Jegliche Gebäude, Hausnummern, versteckte Treppen oder Wege werden von den beiden 15-Jährigen sorgfältig in ihre Karten eingezeichnet. «Die Karte der Gemeinde Weiningen auf «OpenStreetMap» (OSM) ist veraltet, wir wollen sie korrigieren und vervollständigen», so Cyril.
Die Idee, die Karte von Weiningen auf den neusten Stand zu bringen, initiierte Informatiker Ralf Hersel, der sich seit zehn Jahren privat mit Freier und Offener Software beschäftigt. Erst letztes Jahr ist er von Schlieren nach Weiningen umgezogen. An seinem neuen Wohnort angekommen, wollte sich Hersel mithilfe von OSM ein Bild der Gemeinde machen. Doch viel war auf der Karte nicht zu sehen.
«Hausnummern, wichtige öffentliche Gebäude mit Zusatzinformationen fehlten, kleinere Treppen und Wege waren nicht eingezeichnet, Kiesbeläge waren grün ausgemalt, sodass ich dachte, an dieser Stelle befinde sich eine Wiese», so Hersel.
Diese Entdeckung im Netz wollte er so nicht stehen lassen.
«Mir war wichtig, dass anderen Zuzügern mehr geboten wird, als eine unvollständige Karte, auf der man sich nicht zurechtfindet», so Hersel.
Jeder kann eine Karte erstellen
Ein neues, aktuelles Weiningen sollte auf dem Kartografie-Programm OSM erfasst werden. Ähnlich dem Konzept der Wikipedia, erlaubt das OSM-Projekt jedermann Landkarten zu erstellen, zu korrigieren und zu aktualisieren.
Hersel wollte sich dieser Aufgabe aber nicht alleine widmen und kontaktierte die Oberstufe in Weiningen, welche die Idee kurzerhand in ein Schulprojekt umfunktionierte. Hersels Hauptziel hinter der Kartenerfassung: Den Schülern ihren Wohnort näherzubringen und gemeinsam einen Beitrag zur digitalen Community leisten.
«Karte, Stift, ein aufmerksames Auge und Kenntnisse im Umgang mit OSM am Computer, sind die Grundbausteine für die Umsetzung», so Hersel.
Mit den Oberstufenschülern Cyril und Nathanael startete er Mitte Januar das Projekt «Schüler kartografieren ihren Wohnort».
«Als unsere Klassenlehrerin das Projekt von Ralf Hersel vorstellte, gefiel uns die Idee, dass die neuen Karteninformationen von Weiningen für die Allgemeinheit zugänglich sind», sagt Cyril.
Solch eine Arbeit mache Sinn für jeden, der die Gemeinde besser kennenlernen wolle.
Hausnummern sind versteckt
«Eine Gegend zu kartografieren, ist einfacher, als es sich anhört», sagt Nathanael.
Anfangs benötige man lediglich die ausgedruckte Karte von OSM, lege sie über die Satellitenkarte und zeichne Fehlendes nach. Die wichtigsten Objekte seien so bereits auf der OSM-Karte.
Dann gehe es nach draussen, um weitere, fehlende geografische Elemente zu erfassen. Dazu gehören Häuser, Strassen, Wege, Infrastruktur, Brunnen oder Treppen. Ein besonderes Augenmerk legen Cyril und Nathanael auf Wohnhäuser. Denn diese wurden in den letzten Jahrzehnten entweder abgerissen oder neu gebaut.
Die Schwierigkeit bei der Wohnhäuserkartografie:
«Einige sind in A und B unterteilt, es fehlt die Hausnummer oder sie ist gut versteckt – da sucht man schon mal eine Weile», sagt Cyril.
Verwirrlich sei es auch, wenn Häuser die Nummern überspringen.
So suchten Cyril und Nathanael schon einmal vergebens die Hausnummer 14, obwohl diese zwischen den Nummern 12 und 16 gar nicht existierte. Dieser Zeitverlust sei aber nicht weiter schlimm, denn das Suchen und Erkunden mache auch Spass.
«Wir haben durch das Projekt neue Abkürzungen entdeckt, wie kleine Treppen oder Wege, was auch für uns bereichernd ist», so Nathanael.
Nach einem ein- bis zweistündigen Rundgang tragen Cyril und Nathanael die auf ihrer Karte eingezeichneten Elemente in den «OSM Editor» ein.
Die Bedienung wird im Programm anhand von Beispielen demonstriert und geübt. Pro Objekt können in einem Extrafeld Zusatzinformationen eingefügt werden. Beim Gemeindehaus haben sie die Mailadresse, Telefonnummer und die Öffnungszeiten zusätzlich eingetragen. «Points of interest», wie Museen oder Kirchen, werden mit Stecknadeln gekennzeichnet.
Einige Tage nach der Erfassung sind die neuen Elemente bei OSM für jeden sichtbar.
«Andere sollen mitziehen»
Ende April soll das Projekt mit Bericht und Präsentation abgeschlossen werden. Für Ralf Hersel aber geht es weiter. Er will andere Gemeinden dazu animieren, es Weiningen gleichzutun.
«Meine Motivation beruht nicht auf finanziellem Interesse, sondern darauf, möglichst viele Informationen für die Allgemeinheit zu verbreiten.»
Soweit der Beitrag in der Luzerner Zeitung. Ich würde mich freuen, wenn diese Idee Schule machen würde und sich noch viele begeisterte Cyrils und Nathanaels finden. In den Quellen findet ihr alles, was dafür nötig ist. Macht es ihnen nach!
Quellen:
https://rum3ber.ch/index.php/projekte/schueler-kartografieren-ihren-wohnort
https://rum3ber.ch/images/projekte/osm_limmattaler.jpg
https://rum3ber.ch/images/projekte/OSM_Projektbeschreibung.pdf
Tolles Projekt! Inzwischen gibt es ja noch eine ganze Reihe weitere Möglichkeiten, zu OpenStreetMap beizutragen. Für Orte, die grundsätzlich schon weitgehend kartiert sind, wären auch mit noch jüngeren Kindern Schulprojekte denkbar. Zum Beispiel via StreetComplete, das einen sehr niedrigschwelligen Einstieg bietet: https://gnulinux.ch/streetcomplete
Gerade zufällig entdeckt: im Wiki von OpenStreetMap gibt es auch eine Kategorie, in der Projektideen und -beispiele gesammelt sind. Leider sind aber die dort aufgeführten Projekte auch von 2015 oder älter: https://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:Education
Es gibt noch einige Schulprojekte mehr ...
https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Life_Long_Learning_Mapping_Project
oder
https://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:MychOSM/Saarburg
oder
https://wiki.openstreetmap.org/wiki/EuYoutH_OSM