Zum Wochenende: Die Wahrheit stirbt zuerst

  Ralf Hersel   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 1 Kommentar

Messenger in Kriegszeiten

zum wochenende: die wahrheit stirbt zuerst

Dieser Aphorismus stammt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und wurde von einer unbekannten Person, wahrscheinlich in England geprägt. Erstmals nachgewiesen wurde der Spruch 1916 in Philip Snowdens (sic) Vorwort zu dem Buch "Truth and War" von E. D. Morel auf:

"Truth, it has been said, is the first casuality of war."

Was wir jetzt sehen, ist ein typisches Muster in Kriegszeiten. Vermeintliche Nachrichten werden zugunsten der kriegsführenden Parteien verbogen, verlogen und zum eigenen Vorteil verbreitet. Dies dient dem Ziel, die eigene Bevölkerung hinter sich zu scharen und von den eigenen Motiven zu überzeugen. Dabei spielen Messenger eine wichtige Rolle.

Um es klar zu sagen: "Die Wahrheit stirbt auf allen Seiten". Wir nehmen vor allen Dingen Propaganda von russischer Seite, aber auch von zugewandten Staaten wahr. Das heisst jedoch, dass auch von anderer Seite (die Welt) Nachrichten zugunsten der eigenen Doktrin verbogen werden. Deshalb ist es wichtig, alle Meldungen (auch aus der westlichen Welt) mit Skepsis zu betrachten. Dies galt bei der Mächtigkeit der sozialen Medien schon lange, ist aber zum jetzigen Zeitpunkt essenziell. Medienkompetenz ist nun wichtiger denn je.

Diese Woche gab es mehrere Meldungen bezüglich der Messenger: Signal, Telegram und Threema. Alle Angaben dazu sind unbestätigt und lassen sich nicht belegen:

  • Signal führt mittlerweile die Download-Zahlen bei Apples App Store in der Ukraine an.
  • Signal hat angeblich am Montag zum ersten Mal den in Osteuropa besonders beliebten Konkurrenten Telegram überholt.
  • Die Nutzung von WhatsApp befand sich schon vor dem Konflikt in der Ukraine bei den DNS-Anfragen kaum über Signal, mittlerweile ist die Nutzung offenbar noch weiter zurückgegangen.
  • Der Facebook Messenger spielte schon vorher kaum eine Rolle und tut dies inzwischen noch weniger.
  • Bei Telegram dominieren vor allem die Kanäle, über die zum Teil hunderttausende User gleichzeitig informiert werden. So werden derzeit auch von Hacktivisten und der ukrainischen Regierung laufend über Telegram neue Ziele für Attacken gegen die russische Infrastruktur ausgegeben.
  • Sicherheitsexperten warnen immer wieder, dass Telegram kein sicherer Messenger ist.
  • Eine Desinformationskampagne verbreitet, dass Signal gehackt worden sein soll. Signal widerspricht dem. Diese Meldung soll Anwender zur Nutzung unsicherer Messenger bewegen.
  • Matthew Rosenfeld (Nickname des ehemaligen Signal-Gründers: Moxie Marlinspike) schiesst erneut gegen den Konkurrenten Telegram, um Signal zu bewerben.
  • Mobilsicher.de meldet, dass der Schweizer Messenger Threema seinen Dienst für Ukrainer im Google Play-Store jetzt zum Preis von 0,059 Euro anbietet. Diese Meldung ist nicht belegt.

Ich werte diese Meldungen als Mischung aus Falschinformationen, Teil-Wahrheiten und Marketing-Bestrebungen der beteiligten Akteure. In Kriegszeiten darf man niemandem glauben, sondern muss sich auf die Erfahrungen verlassen. Über sichere Messenger haben wir schon oft geschrieben. Meine Empfehlung für sichere Kommunikation lautet:

Signal und Telegram sind in der aktuellen Situation eher nicht für die Kommunikation geeignet. Signal unterliegt der US-amerikanischen Jurisdiktion, hat eine zweifelhafte Finanzierung und strebt die Monetarisierung im Krypto-Currency-Markt an. Für oder gegen Telegram habe ich bereits genügende Argumente geliefert. Von allen proprietären Messengern sollte man sogar in Friedenszeiten die Finger lassen.

"Propaganda bezeichnet die zielgerichteten Versuche, politische Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten erwünschte Richtung zu steuern. Die verschiedenen Seiten einer Thematik nicht darzulegen sowie die Vermischung von Information und Meinung charakterisieren dabei die Propagandatechniken. Dies steht im Gegensatz zu pluralistischen und kritischen Sichtweisen, welche durch unterschiedliche Erfahrungen, Beobachtungen und Bewertungen sowie einen rationalen Diskurs geformt werden", sagt die Wikipedia.

Ein gutes Beispiel dafür hat Fefe gestern in seinem Blog abgeliefert. Achtung: sein Post erfordert eine hohe Medienkompetenz.

Nun gut, das "wahr" vermutlich nicht mein bestes 'Wort zum Sonntag'. Es ist auch nicht meine Absicht, euch das Wochenende zu vermiesen. Dennoch, glaubt nicht, was ihr lest. Hinterfragt alles zehnmal und zieht möglichst unterschiedliche Quellen in Betracht. Eigentlich ist die beste Idee, sich ins Auto zu setzen, in die Grenzländer zu fahren und den geflohenen Ukrainer:innen aktiv zu helfen, oder zumindest an die Hilfsorganisationen zu spenden: Schweiz, Deutschland, Österreich.

Quellen:

https://falschzitate.blogspot.com/2017/10/im-krieg-ist-wahrheit-das-erste-opfer.html

https://www.derstandard.at/story/2000133737734/russischer-angriff-fuehrt-in-der-ukrainzu-signal-boom-e-falschmeldungen?ref=rss

https://twitter.com/eastdakota/status/1498170693439029248

https://twitter.com/moxie/status/1497001286444617746

https://mobilsicher.de/aktuelles/sicherer-messenger-threema-wird-in-der-ukraine-fast-kostenlos

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Signal, Messenger, Telegram, Threema, Ukraine, Wahrheit, Kriegszeit, Meldung, Truth

blckzck
Geschrieben von blckzck am 6. März 2022 um 06:02

Mir wird immer mehr bewusst das du keine Information als gegeben hin nehmen kannst deshalb hinterfrage alles, immer.