Manchmal verbeisse ich mich in ein Thema. Wer bei GNU/Linux.ch mitliest, hat es bemerkt: Die Textverarbeitung in all ihren Nuancen beschäftigt (nicht nur) mich seit zwei Wochen …
- https://gnulinux.ch/kampf-der-textsysteme
- https://gnulinux.ch/markdown-import-via-collabora-desktop
- https://gnulinux.ch/collabora-office-fuer-den-desktop
- https://gnulinux.ch/typst-mit-typesetter-schreiben
- https://gnulinux.ch/freie-dateiformate-tragen-zur-sourveraenitaet-bei
… um nur die letzten Artikel zu nennen.
Eigentlich wollte ich in diesem Beitrag Typst als die ultimative Lösung für fast alle Anforderungen an eine Textverarbeitung proklamieren. Da dies ein längerer Artikel mit praktischen Lösungsvorschlägen werden wird, verschiebe ich ihn auf demnächst. Stattdessen bekommt ihr heute einen ebenso praktischen Tipp geliefert.
Das Problem: Nummerierte Kapitel
Ist das überhaupt ein Problem? Das hängt vom Anspruch und dem Werkzeug ab. Der Anspruch ist sehr einfach. Wer ein einigermassen strukturiertes Dokument schreiben möchte, kommt um strukturierte Kapitel nicht herum. Als Projektleiter und Produktverantwortlicher schreibe ich viele Dokumente, die lang sind und lesbar sein müssen. Das kann ein Projektantrag, ein Statusbericht, eine Software-Spezifikation oder ein Testbericht sein. Dokumente, die länger als 10 Seiten sind, brauchen eine Struktur. Noch eher gilt das für wissenschaftliche Texte oder sehr lange Dokumente.
Diese Anforderung lässt sich mit Textsatzsystemen hervorragend lösen. Wer die steile Lernkurve scheut, wird auf die gängigen Textverarbeitungsanwendungen zurückgreifen. Oder anders gesagt: 90 % der Betroffenen haben noch nie etwas von Textsatzsystemen gehört. Weshalb überwiegend die gängigen Office-Anwendungen zum Einsatz kommen.
Die Herausforderung
Das klingt nicht nach einer Herausforderung, sondern nach Brot-und-Butter-Funktionalität. Dem stimme ich zu; so sollte es sein. Deshalb kommt jetzt ein Test für euch. Öffnet den LibreOffice-Writer auf eurem Computer und erstellt dieses Dokument:
Dabei geht es um das Format der Überschriften. Sie sollen wiederholbar nummeriert sein und vernünftige Einzüge haben. Schafft ihr das in sinnvoller Zeit? Ich habe es nicht geschafft, zumindest nicht in sinnvoller Zeit.
Die scheinbare Lösung
Nun sollte man meinen, dass sich diese 0815-Aufgabe im LO-Writer mit Leichtigkeit umsetzen lässt. Das Einrichten von Titel und Untertitel ist über die gleichnamigen Absatzvorlagen schnell erledigt.
Haha, das ist ja easy. Jetzt noch schnell die Vorlagen für die Überschriften zuweisen und fertig ist die Wurst. Das sieht dann so aus:
Ups, da fehlen die Nummerierungen. Na dann weisen wir der Überschrift ein nummeriertes Gliederungsformat zu. Und schon sieht es aus wie gekotzt:
Der Einzug stimmt nicht, das Format wurde auch ungewollt auf die zweite Überschrift übernommen und dort stimmt der Einzug erst recht nicht. Schlimmer ist, dass die Formatierung nicht einheitlich übernommen wird, was man beim Vergleich von Überschrift Eins.Eins und Überschrift Zwei.Eins sieht:
An diesem Punkt beginnt man an den Formatvorlagen zu schrauben. Das kann zum Erfolg führen; häufig macht man es damit nur noch schlimmer. Die LibreOffice-Entwickler haben diesen Mangel erkannt und die Funktionalität verbessert mit Schminke übertüncht.
Die wahre Lösung
Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, solltet ihr die Finger von den Formatvorlagen für die Überschriften lassen. Stattdessen öffnet ihr den Schminkkasten, den LibreOffice irgendwann einmal nachgerüstet hat. Dabei handelt es sich um eine Art von Zauberer, der die schwierige Anwendung der Formatvorlagen übertüncht. Öffnet im Menü Extras den Punkt Kapitelnummerierung:
Dort wählt ihr die Ebene 1-10 und das Nummerierungsformat 1, 2, 3, ... Nach einem Klick auf OK, sieht die Nummerierung schon viel besser aus. Falls die Einrückungen auf Ebene 2 und 3 usw. noch nicht optimal sind, könnt ihr das in ebendiesem Dialog korrigieren, indem ihr im Reiter Position den Einzug für die Ebene entsprechend einstellt:
Fazit
Was für ein Gewürge. Habt ihr den Test bestanden? Wie lange hat es gedauert, bis ihr die Kapitelnummerierung hinbekommen habt? Hand aufs Herz; das kann es doch nicht sein. LibreOffice-Writer muss eine Extra-Funktion aufbieten, um eine alltägliche Formatierungsaufgabe zu ermöglichen.
Doch vielleicht liege ich völlig falsch, weil ihr das als Super-Spezialo-Anforderung seht, oder eine viel einfachere Lösung im Köcher habt. Wie dem auch sei; in einem nächsten Artikel zeige ich, wie man diese Aufgabe besser löst.
Titelbild: selbst
Quelle: keine








Ha ha - ... Ja, genauso war es bei mir (ohne LaTex)...
...und ich hatte neulich auch ewig gebraucht, um mir eine solche (nummerierte) LO Writer Vorlage zu basteln. Die kann man aber erfreulicherweise als Pandoc Template verwenden, und das Problem ist dann für .odt und .docx, -bzw. wahlweise auch *.pptx- vom Tisch.
Allseits ein Schönes Wochendende 🌼 🇨🇭🧀🐄🐧?
Falls die Oberfläche englischsprachig ausgewählt wurde, der Punkt ist dann "Tools -> Heading Numbering..." .
Ich verwende klassische Wordprozessor-Programme bisher sehr selten. Deshalb hab ich es mir gerade auch mal in MS Office Writer unter Windows (mit einer Anleitung nach dem Buch "Christine Peyton, Daniel Peyton; Office 2021 - Anleitung in Bildern; Rheinwerk-Verlag) angeschaut und die Anleitung für mich im Programm selbst ausprobiert). Für Libreoffice kann man recht ähnlich vorgehen. Man wählt die Formatierung für eine Zeile aus z.B. Kapitel im englischsprachiger Oberfläche "Styles -> Heading 1" . Dann geht man in den mit dem Mauszeiger Bereich wo die Symbole für links-bündig, zentriert, rechts-bündig etc. sind. Dort klickt man auf das Menusymbol das numerierte Einrückung darstellt (bei mir das 8. von links aus dieser Art von Symbolen) und wählt in dessen Menu die Art der Numerierung aus.
Genau das habe ich im Artikel beschrieben (Kapitel "Die scheinbare Lösung") und damit kein gutes Ergebnis erzielt.
Mein letzter Kommentar ist noch etwas unvollständig und reproduziert ja nur was Ralf schon im ersten Teil geschrieben hatte. Bei mir sah es zunächst ok, so dass ich mich am Ziel wähnte.
Hat man in dem Menu mit der hierarchisch numerierten Einrückung den Stil ausgewählt, befindet sich unten der Punkt "Customize". Faltet man diesen auf, in dem Reiter "Position" kann oder sollte man für Einrückungen fündig werden. Ich vermute beide Programme MS Word und Libreoffice habe da eine gewisse Lernkurve bis es einem leicht von der Hand geht, was jetzt auch nicht nicht für Libreoffice spricht. Was vielleicht fehlt sind auch vielleicht vordefinierte Einrückungsvorlagen (z.B. jede Überschrift linksbündig). Man kann/sollte sich vermutlich etwas Zeit nehmen sich eine eigene Vorlage zu erstellen um dann reproduzierbar mit den gewünschten Einstelluingen schnell neue Arbeiten beginnen zu können.
Hi, das ist lustig gerade erst vor ein paar Wochen in einem Kurs mich mit MS Word auseinandersetzen dürfen, und genau so etwas machen. Ja ist echt eine Leichtigkeit, und daraus ein Inhaltsverzeichnis zu erstellen. Aber ich hab’s nie in meinem LibreOffice versucht, das ich über ein Jahr nicht benutzt habe. Knapp 5 Minuten später sieht es so aus, hoffe Bild einfügen klappt einfach.
Aber ja, da muss ich mal echt nochmal drüberschauen.
Danke für den Artikel. Was ich schmerzlich vermisse (auch nach 20 Jahren) ist die Outline- Funktion von Word.
Die gibt es doch. Nennt sich "Navigator". Oder meinst Du etwas anderes?
Ich meinte die Outline view mit den Pfeilen links und rechts.
Damit kann man den Gliederungslevel eine Stufe höher oder niedriger machen.
Genau das geht im Navigator ebenfalls mit den Pfeilen.
Danke. Muß ich dringend mal ansehen!
Da kann ich nur MarkDown empfehlen. Da gibt es keine solche Verwurstelungen wie bei LO. Oder gleich typest.
Weniger Verwurstelungen? Wie sieht es denn bei Markdown aus, wenn du neue Kapitel einfügst oder alte entfernst, aktualisiert sich dein Markdown Dokument etwa wie bei LO und Office automatisch? Oder das Inhaltsverzeichis / Table ob Content (TOC)?
Also das ärgert mich schon seit Ewigkeiten. und nicht nur die Nummerierung von Überschrtiften, sondern Nummerierung oder die liste. Wenn man da was formatieren möchte - ein Graus. LibreOffice hat das Chaos offenbar von MS-Office übernommen. Weder OnlyOffice noch CollaboraOffice machen das besser. Wenn man deren Setting anschaut hat man das Gefühl, die haben das alle einfach kopiert, weil sie es womöglich selber nicht verstanden haben.
In einem Forum habe ich nur mal den Tipp gelesen, dass man möglichst die Finger von den Schaltflächen lassen soll wenn man Vorlagen erstellen will und nur Formatvorlagen verwenden soll.
Die Schaltflächen sind reine Überschreibungsfunktionen und können auch Formatvorlagen in ihrer Funktion stören. Damit hatte ich bessere Ergebnisse beim erstellen von von Vorlagen. dennoch ist das eine mittlere Katastrophe.